Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Italien war Anfang der achtziger Jahre ein von Krisen und Skandalen geschütteltes Land. Terroranschläge bedrohten das öffentliche Leben, eine Geheimloge gefährdete sogar die demokratische Verfassung. Ohnmächtige Regierungen blieben kaum länger als ein Jahr im Amt. Dann übernahm der Sozialist Bettino Craxi vor 25 Jahren die Regierungsgeschäfte. Und das Land schöpfte Hoffnung.

Von Henning Klüver | 04.08.2008
    Ein Hoffnungslied gewann 1984 das Schlagerfestival von Sanremo. Albano und Romina Power sangen "Ci sarà” - "Es wird sein" - und beschworen nach einem langen Winter wieder blauen Himmel, eine neue Liebe und überhaupt eine bessere Zukunft. Eine bessere Zukunft, das wünschten sich auch die Italiener für ihr Land. Denn die Lage war alles andere als rosig.

    Unsichere Mehrheitsverhältnisse und parteiinterne Machtkämpfe hatten zu einer politischen Dauerkrise geführt, die sich in häufigen Neuwahlen und in vielen Regierungswechseln ausdrückte. Wobei meist nur die Personen der immer selben Regierungsparteien ausgewechselt wurden, denn die stärkste Oppositionspartei, die Kommunisten, galt aus ideologischen Gründen in Italien und im westlichen Lager als nicht regierungsfähig. Aber vielleicht konnten die Italiener jetzt mit einer neuen Regierung Hoffnung schöpfen, so wie es Albano und Romina Power in ihrem Schlager ausdrückten.

    Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Sommer zuvor hatten die Christdemokraten - auch wenn sie mit rund 30 Prozent der Stimmen nach wie vor stärkste Kraft blieben - ebenso kräftig Federn lassen müssen wie kleinere bürgerliche Parteien. Allein die Sozialisten unter Bettino Craxi, die seit einigen Jahren als Juniorpartner der Regierungsmehrheit angehörten, konnten kräftig zulegen und dabei mehr als elf Prozent der Stimmen gewinnen.

    Der 1940 in Mailand geborene Craxi fühlte sich so als moralischer Sieger der Wahl und Staatspräsident Sandro Pertini beauftragte ihn Ende Juli denn auch mit der Regierungsbildung. In relativ kurzer Zeit legte Craxi eine Ministerliste vor - unter anderem mit Arnaldo Forlani als seinem Stellvertreter und Giulio Andreotti als Außenminister. Am 4. August 1983 stellte sich Bettino Craxi der Vertrauensfrage im Parlament. Paolo Pillitteri, Craxis Parteifreund, erinnert sich:

    "Ich erinnere mich sogar gut, denn Craxi und ich wohnten im selben Hotel, im Hotel Raphael, also fragte ich ihn, ob ich in seinem Auto mitfahren konnte. Und so sind wir zusammen zum Parlament gefahren, auch ich war damals Abgeordneter."

    Paolo Pillitteri, damals Abgeordneter der sozialistischen Partei und später von 1986 bis 92 Bürgermeister von Mailand, war ein enger Vertrauter des angehenden Ministerpräsidenten und gehörte nach seiner Heirat mit Rosilde, Craxis Schwester, sogar zur Familie.

    "Bettino war nicht sonderlich aufgeregt, aber wir alle wussten, dass es sich um ein gewissermaßen historisches Datum handelte. Ich erinnere mich, dass ich ihm beim Aussteigen aus dem Auto sagte: 'Jetzt geht's voran.' Und er antwortet vorsichtig: 'Wir werden ja sehen.' Aber man spürte, das eine Veränderung in der Luft lag."

    Bettino Craxi wurde der erste sozialistische Ministerpräsident Italiens. Seine Regierung zeichnete sich durch Tatendrang aus. Und sie hatte auch Glück. Trotz eines Dauerstreites mit den Christdemokraten und gegen den Widerstand der Kommunisten gelangen Craxi Reformen im Arbeits- und Steuerrecht. Verhandlungen mit dem Vatikan, die bereits Andreotti Ende der siebziger Jahre begonnen hatte, kamen ebenfalls zu einem positiven Abschluss. In einem neuen Konkordat, welches das aus dem Jahr 1929 ersetzte, wurden der Kirche finanzielle Zugeständnisse gemacht, zugleich verlor aber der Katholizismus seinen Status als Staatsreligion. Bettino Craxi bei der Unterzeichnung im Februar 1984:

    "Wir kommen heute zum glücklichen Abschluss eines Kapitels langer und schwieriger Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Wir schließen damit auch offene Wunden auf beiden Seiten, indem wir den Pluralismus der Ideen und der Lebensentwürfe zu seinem Recht verhelfen, der die Grundlage jeder Demokratie ist. Die Bürger können jetzt in einem laizistischen Staat ihre religiösen Entscheidungen in totaler und verfestigter Freiheit treffen."

    Die erste Regierung Craxi blieb vom 4.August 1984 bis zum 1.August 1986 im Amt - fast drei Jahre lang, so lang wie kaum eine Regierung zuvor. In diese Zeit fällt auch ein Gesetz, mit dem Bettino Craxi seinem Freund Silvio Berlusconi die Marktführerschaft beim privaten Fernsehen ermöglichte. Eine zweite, kürzere Amtsperiode folgte, die im April 1987 endete. Bettino Craxi wurde dann, wie viele andere Politiker auch, in den Skandal um Korruption und illegale Parteienfinanzierung verwickelt. Einer Verurteilung entzog er sich durch Flucht nach Tunesien, wo er im Januar 2000 starb.