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"Hoffnung" bleibt geschlossen

Er galt als Musterschüler der westlichen Welt: Micheil Saakaschwili, Präsident von Georgien. Bis zum 7. November: An dem Tag ließ die Regierung eine Kundgebung der Opposition brutal auflösen. Am selben Tag verhängte die Regierung den Ausnahmezustand und ließ den Fernsehsender Imedi TV schließen. Zwar ist der Ausnahmezustand in Georgien inzwischen wieder aufgehoben, doch Imedi TV - auf Deutsch "Hoffnung" - bleibt weiter abgeschaltet.

Von Gesine Dornblüth |
    Bis zum 7. November war Imedi, auf deutsch "Hoffnung", der populärste Fernsehsender in Georgien, und er war der Sender mit der ausführlichsten politischen Berichterstattung. Am 7. November überfielen Spezialeinheiten der Polizei Imedi und drangen gewaltsam in das Gebäude ein. Bidzina Barataschwili, der Geschäftsführer von Imedi-TVerinnert sich.

    " Um viertel vor neun, während unserer täglichen Abendnachrichten, drangen Spezialeinheiten auf unser Gelände vor. Sie haben alles zertrümmert. Ein Polizist hat mich mit einer Waffe bedroht und gesagt, er würde mir in den Kopf schießen. Das alles hat für mich mit Demokratie nichts zu tun."

    Imedi gehört zu 51 Prozent dem weltweit agierenden Medienkonzern von Rupert Murdoch und zu 49 Prozent dem derzeit in London lebenden georgischen Geschäftsmann Badri Patarkatsischwili. Der gilt als reichster Mann Georgiens und unterstützt die politische Opposition. Am 7. November, dem Tag, an dem die Demonstrationen in der georgischen Hauptstadt Tiflis aufgelöst wurden, soll er über seinen Sender Imedi angeblich zum gewaltsamen Umsturz in Georgien aufgerufen haben. Das behauptet die georgische Regierung. In einem vom georgischen Außenministerium verbreiteten Schreiben heißt es:

    "Imedi-TV hat die Grenze von einem Nachrichtensender zum Instrukteur für einen Umsturz überschritten. Imedi hat zu Massenunruhen und Ungehorsam aufgerufen."

    Der Geschäftsführer von Imedi, Bidzina Barataschwili, wehrt sich gegen diese Vorwürfe.

    "Wir haben niemanden zu irgendetwas aufgerufen. Der Ausschnitt, der als Beispiel herangezogen wird, ereignete sich um zwei Uhr auf dem zentralen Boulevard in Tiflis. Dort waren tausende Menschen. Irgendjemand hat auf Sender eine Frauenstimme gehört, die dazu aufrief, das Parlament zu stürmen. (...) Wir haben sofort Beweise dafür gefordert, dass das unsere Reporterin war. Aber diese Beweise gibt es nicht."

    Dennoch hat ein Tifliser Gericht die Schließung des Senders für rechtmäßig erklärt und Imedi für drei Monate die Sendelizenz entzogen. Die Eigentümer haben das Urteil angefochten.

    Der Miteigentümer von Imedi, Badri Patarkatsischwili, ist allerdings im Umgang mit der Regierung auch nicht gerade zimperlich. Imedi zitierte ihn mit den Worten, er werde...

    "alles in seiner Macht stehende, alle seine finanziellen Mittel investieren, um Georgien von dem faschistischen Regime zu befreien."

    Dieser Satz stammt aus einer Presseerklärung, die auch andere Sender vortrugen und die von Zeitungen gedruckt wurde - der Oligarch hat die Äußerung nicht dementiert.

    Das alles sein noch lange kein Grund, einen Sender verwüsten zu lassen, findet Jakob Preuss, Osteuropafachmann der Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen".

    " Wir sind sehr besorgt, weil wir das Gefühl haben, dass hier völlig unangemessen reagiert wurde (...) in einer Situation, die das nicht gerechtfertigt hat."

    Das Problem der Presse in Georgien ist aber nicht nur der Druck, den die Regierung auf Journalisten ausübt. Das eigentliche Problem ist die mangelnde Professionalität georgischer Journalisten. Viele Journalisten berichten unsachlich und lassen sich von der einen oder anderen Seite benutzen. Keti Khatiaschwili hat davon genug. Bis vor wenigen Wochen war sie politische Redakteurin des Boulevardblatts "Alia", der größten georgischen Tageszeitung. Zur Zeit sucht sie eine neuen Job.

    "Ich bin es leid, (...) alle meine Artikel in einem aggressiven Ton schreiben zu müssen. Wenn ich einfach nur politische Fehler Saakaschwilis darstellen wollte, haben sie mich genötigt, zu schreiben, dass Saakaschwili verrückt ist."

    Die georgische Gesellschaft ist gespalten in Gegner und Anhänger Saakaschwilis, und das betrifft auch die Journalisten. Nicht wenige von ihnen halten es für durchaus gerechtfertigt, dass der Präsident einen Sender schließen lässt. Mittlerweile haben sich ausländische Diplomaten für Imedi eingesetzt. Zum Beispiel der Beauftragte der OSZE für Pressefreiheit, der Ungar Miklos Haraszti. Er äußerte sich nach einem Besuch in Tiflis vor zehn Tagen optimistisch, dass Imedi Anfang Dezember wieder senden werde. In Georgien hat inzwischen der Wahlkampf begonnen. Am 5. Januar finden vorgezogene Präsidentenwahlen statt - ein Zugeständnis Saakaschwilis an die Opposition. Der einstige Held der Rosenrevolution hat faire Wahlen angekündigt - das Verbot von Imedi-TV ist damit kaum vereinbar.