Jürgen Zurheide: Ja, was gilt denn jetzt eigentlich? Diese Frage möchte man sich wirklich stellen. Hierzulande gibt es überwiegend Horrornachrichten, wir haben vorhin noch darüber gesprochen, wenn es um die Wirtschaft geht. Aus den USA lesen wir dann im Moment, der Einzelhandel hat im November 0,2 Prozent mehr umgesetzt, als im Vormonat. Ja, Sie haben richtig gehört, mehr umgesetzt.
Die Benzinpreise fallen, es gibt Rabattaktionen, ja, und dann gibt es jetzt diesen Gipfel, dieses Gipfeltreffen, über das wir in dieser Sendung auch schon gesprochen haben. Wer füllt da welchen Wunschzettel aus zum dritten Advent. Darüber wollen wir reden mit einem, der auch dabei ist, Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Guten Morgen!
Martin Wansleben: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Zunächst einmal, ja, wie schlimm ist denn die Lage eigentlich? Ist sie schlimm oder reden wir sie auch schlimmer, als sie ist?
Wansleben: Ich glaube, wir Volkswirte sollten jetzt langsam mal ein bisschen Demut bekommen vor der Fähigkeit, überhaupt die Zukunft vorherzusagen. Es ist gar keine Frage, Sie haben beschrieben, dass es Auftragseinbrüche gibt. Ich glaube, keiner von uns hat auch die wirklich schwierige Situation in der Automobilindustrie vorhersagen können.
Aber wenn man sagt, wir fahren in der Politik, wir fahren in den Unternehmen und meines Erachtens auch bei der Bewertung der volkswirtschaftlichen Situation auf Sicht, dann gehört zu den Negativmeldungen auch immer das, was man an Positivmeldungen gesehen hat. Und Sie haben gerade aus Amerika den privaten Konsum genannt, in Deutschland ist es ja auch nicht so, dass der private Konsum wegbricht. Und wir haben ja bei allen Negativmeldungen durchaus auch positive Dinge, die uns ein bisschen auch Hoffnung geben sollten.
Also zum Beispiel auf den Finanzmärkten ist es jetzt schwieriger geworden für die Unternehmen, Kredite zu bekommen, aber was wir befürchtet haben, nämlich eine richtige Kreditklemme, die gibt es noch nicht. Und wenn Sie mal vergleichen heute die Benzinpreise mit dem, was wir im Sommer bezahlt haben, wenn das nicht wieder hochgeht, dann haben wir im nächsten Jahr alle miteinander so 20 Milliarden, vielleicht auch 30 Milliarden gespart.
Dann muss man sehen, dass es ja eigentlich selten eine Konstellation gegeben hat, wo weltweit so viele Ausgabenprogramme gefahren worden sind von den unterschiedlichen Regierungen, in Europa ja durchaus auch gut koordiniert.
Also das wird am Ende, wenn vielleicht auch wenig, aber auch einige Stützmaßnahmen machen. So können wir weitermachen, bis hin, dass ja auch die Unternehmen jetzt nicht völlig ausgelutscht, was die Finanzen angeht, in diese Krise hineingehen, sondern viele, viele Unternehmen, gerade viele Mittelständler, ja in den letzten Jahren gut verdient haben und insofern auch eine ordentliche Substanz haben sich verdienen können.
Zurheide: In der Tat scheint mir vieles an der Kommunikation zu liegen. Ich nehme mal jetzt die Themen, die gerade international diskutiert werden. Die Bundesrepublik gibt grosso modo 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts als Impulse in den Markt, sagt allerdings, wir tun nichts, und man redet runter und man redet immer noch davon, dass man entschulden will.
Die Franzosen tun das Gleiche, sie geben auch "nur" in Anführungsstrichen 1,5 Prozent, haben aber einen Präsidenten, der das als Riesenprogramm verkauft. Sind es die Verkaufe, die da unterschiedlich sind, oder was beobachten Sie da?
Wansleben: Nein, ich glaube, dass wir irgendwo eine Tendenz haben, uns ein bisschen um Kopf und Kragen zu reden. Das gilt für den Wettlauf, wer erst den Mut, die schlechteste Prognose zu geben, bis hin, dass wir auch gute Dinge einfach zerreden.
Deswegen, glaube ich, ist es gut, wenn die Bundeskanzlerin jetzt ins Bundeskanzleramt am Sonntagabend einlädt, damit man einfach mal eine gemeinsame Datengrundlage schaffen kann, damit man mal auch ein gemeinsames Wording hinkriegt.
Also weniger zerreden, als wirklich sauber zu analysieren und dann auch gemeinsam zu handeln. Und ich meine, es gibt nach wie vor natürlich drei Handlungsfelder. Das eine ist der Finanzmarkt, da muss man sicherlich noch nachjustieren.
Das Zweite ist die Konjunktur und damit einhergehende strukturelle Probleme, die wir ganz klar haben. Und das Dritte ist, na ja, irgendwie ist ja auch diese ganze Krise irgendwo ein Schuss vor den Bug, wie wir uns alle miteinander verhalten haben. Also das Laufen hinter dem schnellen Geld bis hin auch zu platten öffentlichen Diskussionen, meinetwegen jetzt über das Konjunkturprogramm oder auch über andere Themen.
Zurheide: Was wünschen Sie zum Beispiel beim Finanzmarkt? Sie haben es gerade angesprochen, dass die Kredite für die Unternehmen eigentlich der Schlüssel sind, ob es in die eine oder in die andere Richtung geht. Man kann Zeiten, wenn man eben nicht die großen Polster hat, besser durchhalten, wenn die Bank einen nicht sofort fallen lässt.
Ist das Paket da noch zu schwierig, dass die Banken selbst sich nicht ausreichend refinanzieren können und sie darunter leiden müssen? Was ist Ihre reale Beobachtung im Markt?
Wansleben: Wir haben Umfragen gemacht, danach zeigt es sich, dass sechs Prozent der Unternehmen in der Tat Schwierigkeiten haben, Kredite zu bekommen.
Zurheide: Sind das mehr als sonst?
Wansleben: Das waren vor zwei Monaten zwei Prozent, aber immerhin, das bedeutet 94 Prozent haben noch nicht die großen Schwierigkeiten, wenngleich natürlich Kredite jetzt teurer werden. Die Banken gucken drei Mal hin, haben natürlich eine größere Aversion, eine größere Angst, Risiken jetzt einzugehen. Und bei denen, die wirklich Schwierigkeiten haben, das sind einmal diejenigen, die jetzt in den Bereich der Automobilzulieferer oder die Automobilindustrie, also in diesem ganzen Wertschöpfungsprozess Kfz hängen, und das sind Großprojekte und das sind einige kleine, deren Risiken von den Banken so schlecht eingeschätzt werden können.
Aber insgesamt ist das noch keine wirkliche Katastrophe übers Ganze gesehen. Was wir erwarten, ist einmal wirklich eine konzertiertere Aktion der Banken, das pendelt sich, glaube ich, auch gut ein. Das Zweite, wir hören und sehen, dass die Kreditversicherer Schwierigkeiten haben, Unternehmen, die in dem ganzen Wertschöpfungsprozess Kfz tätig sind, Kredite rückzuversichern. Da muss sicherlich was geschehen, da muss überlegt werden, inwieweit man Kreditversicherer in den Schirm wieder aufnehmen kann.
Und ein Drittes ist, es gibt ja zahlreiche Bürgschaftsbanken, und ich glaube, dass deren Tätigkeit jetzt auch noch mal angepasst werden muss. Es hat keinen Sinn, so wie auch Herr Wissmann vom VDA das sagt, jetzt einen Subventions- und Branchensubventionswettlauf zu beginnen, aber ich glaube, es macht schon Sinn, mit der Ölkanne durch die Gegend zu laufen und zu gucken, dass jetzt die Räder nicht stillstehen, sondern dass die Schmierung da ist.
Zurheide: Jetzt haben Sie gerade die Konjunktur als zweiten Punkt angesprochen. Wenn wir da mal zwei Blöcke gegeneinanderstellen, oder ich frage Sie, muss man sie gegeneinanderstellen?
Die einen sagen schnelle Steuersenkungen, angesichts der immer noch vorhandenen Defizite fragt man sich natürlich, wo das herkommen soll, oder sollte man die geringen Mittel, die man im Zweifel zur Verfügung hat, dann nicht lieber für gezielte Investitionen, sei es in die Infrastruktur, die oft leidet und die in katastrophalem Zustand ist, oder vielleicht auch in ökologische Erneuerung stellen. Vor diese Alternative gestellt, welche wählen Sie, oder sagen Sie, es ist keine Alternative?
Wansleben: Man muss erst mal sagen, wenn wir jetzt Geld ausgeben, gilt ja generell, wer Schulden macht, muss seinen Kindern erklären, wie es bezahlt werden soll und warum wir die Schulden gemacht haben.
Also wir müssen jetzt aufpassen, dass nicht alle Dämme brechen und wir keine Verantwortung mehr übernehmen. Das, glaube ich, ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und deswegen sagen wir, das, was jetzt ausgegeben wird, muss einen wirklich investiven Charakter haben. Das heißt, es muss Deutschland besserstellen.
Und wenn Sie mir gestatten, einfach ein Bild zu malen: Stellen Sie sich mal vor, wir wüssten aus allen Untersuchungen, dass wir die besten Kinderbetreuungen hätten, die besten Schulen, die besten Universitäten, die beste Forschungslandschaft und die beste Einkommenssteuer und die beste Unternehmensbesteuerung in Deutschland, dann wären wir noch nicht fertig als Staat, aber wir würden doch in einer ganz anderen Verfassung in eine solche Krise hineingehen. Und das zeigt unseres Erachtens, was geschehen muss, also investieren in Bildung, Bildung, Bildung.
Dabei geht es nicht so sehr darum, dass die Gebäude wirklich schön sind, sondern es geht um gute Lehrerinnen und um gute Lehrer, es geht um eine vernünftige technische Ausstattung der Schulen und der Universitäten, und es geht darum, strukturelle Fehler in der Steuer zu beseitigen, die kalte Progression, also dass der Staat überproportional von Lohnerhöhungen profitiert, das kennt jeder, das muss weg.
Ein Zweites, was meines Erachtens zu wenig diskutiert wird, ist ein Strukturfehler in der Unternehmenssteuer. Hier ist es so, dass Kostenbestandteile besteuert werden, also zum Beispiel Zinszahlungen oder Leasingraten. Nur diese Kosten bleiben, auch wenn man keinen Gewinn macht.
Das heißt also, es werden im nächsten Jahr Unternehmen Steuern zahlen müssen, obwohl sie keine Gewinne machen. Das kostet Eigenkapital, das kostet Liquidität. Und das wiederum verschlechtert die Bonität der Unternehmen. Und jetzt kommt der Rückschluss zum Finanzmarkt, und das wiederum bedeutet, dass zusätzlich die Banken Eigenkapital hinterlegen müssen, wenn sie diesen Unternehmen Kredite gegeben haben. Und wenn die Banken das Eigenkapital nicht haben, dann bedeutet das schlicht und ergreifend, dass Banken Kredite kündigen müssen.
Und ich glaube, dass diese Dinge jetzt nachzujustieren wichtiger sind, als irgendwelche Strohfeuer zu machen, wo man sich mal über Nacht die Hände dran wärmen kann, die aber eigentlich überhaupt nichts bringen.
Zurheide: Haben Sie die Hoffnung, dass die große Koalition dazu im Wahljahr - und wir sind im Wahljahr - noch in der Lage ist?
Wansleben: Gut, ich meine, die Frage ist natürlich jetzt, wie normal bezeichnet man das jetzt, die Situation, die wir haben. Wenn wir jetzt das normal mal hinnehmen würden, müsste man sagen, Hopfen und Malz verloren, die machen jetzt Wahlkampf und mehr nicht. Wenn wir jetzt aber zurückgucken, dann muss man ja doch konzedieren, dass die Regierung einiges jetzt doch sehr überlegt und gut gemacht hat, also Krisenmanagement gar nicht so schlecht. Und wenn sie es in der Vergangenheit, in den letzten Wochen ganz gut gemacht hat, dann kann man ja auch sagen, warum soll sie es nicht in den nächsten Wochen auch gut machen. Und ich glaube, dass Deutschland verstanden hat, ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger, auch viele Politiker es auch satt sind, dass wir uns um Kopf und Kragen reden. Viele erwarten, dass jetzt wirklich gezielt gearbeitet wird.
Wir erwarten nicht, dass am Sonntag sozusagen der Stein des Weisen vom Himmel fällt und die Lösung dann von heute auf morgen da ist, aber ich glaube, die Einladung der Kanzlerin ist jetzt ein gutes Signal, dass wir gut weitermachen und nicht in ein Zerreden verfallen und nur noch platten Wahlkampf machen.
Zurheide: Herzlichen Dank! Das war Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages im Deutschlandfunk um 7 Uhr 26.
Die Benzinpreise fallen, es gibt Rabattaktionen, ja, und dann gibt es jetzt diesen Gipfel, dieses Gipfeltreffen, über das wir in dieser Sendung auch schon gesprochen haben. Wer füllt da welchen Wunschzettel aus zum dritten Advent. Darüber wollen wir reden mit einem, der auch dabei ist, Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Guten Morgen!
Martin Wansleben: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Zunächst einmal, ja, wie schlimm ist denn die Lage eigentlich? Ist sie schlimm oder reden wir sie auch schlimmer, als sie ist?
Wansleben: Ich glaube, wir Volkswirte sollten jetzt langsam mal ein bisschen Demut bekommen vor der Fähigkeit, überhaupt die Zukunft vorherzusagen. Es ist gar keine Frage, Sie haben beschrieben, dass es Auftragseinbrüche gibt. Ich glaube, keiner von uns hat auch die wirklich schwierige Situation in der Automobilindustrie vorhersagen können.
Aber wenn man sagt, wir fahren in der Politik, wir fahren in den Unternehmen und meines Erachtens auch bei der Bewertung der volkswirtschaftlichen Situation auf Sicht, dann gehört zu den Negativmeldungen auch immer das, was man an Positivmeldungen gesehen hat. Und Sie haben gerade aus Amerika den privaten Konsum genannt, in Deutschland ist es ja auch nicht so, dass der private Konsum wegbricht. Und wir haben ja bei allen Negativmeldungen durchaus auch positive Dinge, die uns ein bisschen auch Hoffnung geben sollten.
Also zum Beispiel auf den Finanzmärkten ist es jetzt schwieriger geworden für die Unternehmen, Kredite zu bekommen, aber was wir befürchtet haben, nämlich eine richtige Kreditklemme, die gibt es noch nicht. Und wenn Sie mal vergleichen heute die Benzinpreise mit dem, was wir im Sommer bezahlt haben, wenn das nicht wieder hochgeht, dann haben wir im nächsten Jahr alle miteinander so 20 Milliarden, vielleicht auch 30 Milliarden gespart.
Dann muss man sehen, dass es ja eigentlich selten eine Konstellation gegeben hat, wo weltweit so viele Ausgabenprogramme gefahren worden sind von den unterschiedlichen Regierungen, in Europa ja durchaus auch gut koordiniert.
Also das wird am Ende, wenn vielleicht auch wenig, aber auch einige Stützmaßnahmen machen. So können wir weitermachen, bis hin, dass ja auch die Unternehmen jetzt nicht völlig ausgelutscht, was die Finanzen angeht, in diese Krise hineingehen, sondern viele, viele Unternehmen, gerade viele Mittelständler, ja in den letzten Jahren gut verdient haben und insofern auch eine ordentliche Substanz haben sich verdienen können.
Zurheide: In der Tat scheint mir vieles an der Kommunikation zu liegen. Ich nehme mal jetzt die Themen, die gerade international diskutiert werden. Die Bundesrepublik gibt grosso modo 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts als Impulse in den Markt, sagt allerdings, wir tun nichts, und man redet runter und man redet immer noch davon, dass man entschulden will.
Die Franzosen tun das Gleiche, sie geben auch "nur" in Anführungsstrichen 1,5 Prozent, haben aber einen Präsidenten, der das als Riesenprogramm verkauft. Sind es die Verkaufe, die da unterschiedlich sind, oder was beobachten Sie da?
Wansleben: Nein, ich glaube, dass wir irgendwo eine Tendenz haben, uns ein bisschen um Kopf und Kragen zu reden. Das gilt für den Wettlauf, wer erst den Mut, die schlechteste Prognose zu geben, bis hin, dass wir auch gute Dinge einfach zerreden.
Deswegen, glaube ich, ist es gut, wenn die Bundeskanzlerin jetzt ins Bundeskanzleramt am Sonntagabend einlädt, damit man einfach mal eine gemeinsame Datengrundlage schaffen kann, damit man mal auch ein gemeinsames Wording hinkriegt.
Also weniger zerreden, als wirklich sauber zu analysieren und dann auch gemeinsam zu handeln. Und ich meine, es gibt nach wie vor natürlich drei Handlungsfelder. Das eine ist der Finanzmarkt, da muss man sicherlich noch nachjustieren.
Das Zweite ist die Konjunktur und damit einhergehende strukturelle Probleme, die wir ganz klar haben. Und das Dritte ist, na ja, irgendwie ist ja auch diese ganze Krise irgendwo ein Schuss vor den Bug, wie wir uns alle miteinander verhalten haben. Also das Laufen hinter dem schnellen Geld bis hin auch zu platten öffentlichen Diskussionen, meinetwegen jetzt über das Konjunkturprogramm oder auch über andere Themen.
Zurheide: Was wünschen Sie zum Beispiel beim Finanzmarkt? Sie haben es gerade angesprochen, dass die Kredite für die Unternehmen eigentlich der Schlüssel sind, ob es in die eine oder in die andere Richtung geht. Man kann Zeiten, wenn man eben nicht die großen Polster hat, besser durchhalten, wenn die Bank einen nicht sofort fallen lässt.
Ist das Paket da noch zu schwierig, dass die Banken selbst sich nicht ausreichend refinanzieren können und sie darunter leiden müssen? Was ist Ihre reale Beobachtung im Markt?
Wansleben: Wir haben Umfragen gemacht, danach zeigt es sich, dass sechs Prozent der Unternehmen in der Tat Schwierigkeiten haben, Kredite zu bekommen.
Zurheide: Sind das mehr als sonst?
Wansleben: Das waren vor zwei Monaten zwei Prozent, aber immerhin, das bedeutet 94 Prozent haben noch nicht die großen Schwierigkeiten, wenngleich natürlich Kredite jetzt teurer werden. Die Banken gucken drei Mal hin, haben natürlich eine größere Aversion, eine größere Angst, Risiken jetzt einzugehen. Und bei denen, die wirklich Schwierigkeiten haben, das sind einmal diejenigen, die jetzt in den Bereich der Automobilzulieferer oder die Automobilindustrie, also in diesem ganzen Wertschöpfungsprozess Kfz hängen, und das sind Großprojekte und das sind einige kleine, deren Risiken von den Banken so schlecht eingeschätzt werden können.
Aber insgesamt ist das noch keine wirkliche Katastrophe übers Ganze gesehen. Was wir erwarten, ist einmal wirklich eine konzertiertere Aktion der Banken, das pendelt sich, glaube ich, auch gut ein. Das Zweite, wir hören und sehen, dass die Kreditversicherer Schwierigkeiten haben, Unternehmen, die in dem ganzen Wertschöpfungsprozess Kfz tätig sind, Kredite rückzuversichern. Da muss sicherlich was geschehen, da muss überlegt werden, inwieweit man Kreditversicherer in den Schirm wieder aufnehmen kann.
Und ein Drittes ist, es gibt ja zahlreiche Bürgschaftsbanken, und ich glaube, dass deren Tätigkeit jetzt auch noch mal angepasst werden muss. Es hat keinen Sinn, so wie auch Herr Wissmann vom VDA das sagt, jetzt einen Subventions- und Branchensubventionswettlauf zu beginnen, aber ich glaube, es macht schon Sinn, mit der Ölkanne durch die Gegend zu laufen und zu gucken, dass jetzt die Räder nicht stillstehen, sondern dass die Schmierung da ist.
Zurheide: Jetzt haben Sie gerade die Konjunktur als zweiten Punkt angesprochen. Wenn wir da mal zwei Blöcke gegeneinanderstellen, oder ich frage Sie, muss man sie gegeneinanderstellen?
Die einen sagen schnelle Steuersenkungen, angesichts der immer noch vorhandenen Defizite fragt man sich natürlich, wo das herkommen soll, oder sollte man die geringen Mittel, die man im Zweifel zur Verfügung hat, dann nicht lieber für gezielte Investitionen, sei es in die Infrastruktur, die oft leidet und die in katastrophalem Zustand ist, oder vielleicht auch in ökologische Erneuerung stellen. Vor diese Alternative gestellt, welche wählen Sie, oder sagen Sie, es ist keine Alternative?
Wansleben: Man muss erst mal sagen, wenn wir jetzt Geld ausgeben, gilt ja generell, wer Schulden macht, muss seinen Kindern erklären, wie es bezahlt werden soll und warum wir die Schulden gemacht haben.
Also wir müssen jetzt aufpassen, dass nicht alle Dämme brechen und wir keine Verantwortung mehr übernehmen. Das, glaube ich, ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Und deswegen sagen wir, das, was jetzt ausgegeben wird, muss einen wirklich investiven Charakter haben. Das heißt, es muss Deutschland besserstellen.
Und wenn Sie mir gestatten, einfach ein Bild zu malen: Stellen Sie sich mal vor, wir wüssten aus allen Untersuchungen, dass wir die besten Kinderbetreuungen hätten, die besten Schulen, die besten Universitäten, die beste Forschungslandschaft und die beste Einkommenssteuer und die beste Unternehmensbesteuerung in Deutschland, dann wären wir noch nicht fertig als Staat, aber wir würden doch in einer ganz anderen Verfassung in eine solche Krise hineingehen. Und das zeigt unseres Erachtens, was geschehen muss, also investieren in Bildung, Bildung, Bildung.
Dabei geht es nicht so sehr darum, dass die Gebäude wirklich schön sind, sondern es geht um gute Lehrerinnen und um gute Lehrer, es geht um eine vernünftige technische Ausstattung der Schulen und der Universitäten, und es geht darum, strukturelle Fehler in der Steuer zu beseitigen, die kalte Progression, also dass der Staat überproportional von Lohnerhöhungen profitiert, das kennt jeder, das muss weg.
Ein Zweites, was meines Erachtens zu wenig diskutiert wird, ist ein Strukturfehler in der Unternehmenssteuer. Hier ist es so, dass Kostenbestandteile besteuert werden, also zum Beispiel Zinszahlungen oder Leasingraten. Nur diese Kosten bleiben, auch wenn man keinen Gewinn macht.
Das heißt also, es werden im nächsten Jahr Unternehmen Steuern zahlen müssen, obwohl sie keine Gewinne machen. Das kostet Eigenkapital, das kostet Liquidität. Und das wiederum verschlechtert die Bonität der Unternehmen. Und jetzt kommt der Rückschluss zum Finanzmarkt, und das wiederum bedeutet, dass zusätzlich die Banken Eigenkapital hinterlegen müssen, wenn sie diesen Unternehmen Kredite gegeben haben. Und wenn die Banken das Eigenkapital nicht haben, dann bedeutet das schlicht und ergreifend, dass Banken Kredite kündigen müssen.
Und ich glaube, dass diese Dinge jetzt nachzujustieren wichtiger sind, als irgendwelche Strohfeuer zu machen, wo man sich mal über Nacht die Hände dran wärmen kann, die aber eigentlich überhaupt nichts bringen.
Zurheide: Haben Sie die Hoffnung, dass die große Koalition dazu im Wahljahr - und wir sind im Wahljahr - noch in der Lage ist?
Wansleben: Gut, ich meine, die Frage ist natürlich jetzt, wie normal bezeichnet man das jetzt, die Situation, die wir haben. Wenn wir jetzt das normal mal hinnehmen würden, müsste man sagen, Hopfen und Malz verloren, die machen jetzt Wahlkampf und mehr nicht. Wenn wir jetzt aber zurückgucken, dann muss man ja doch konzedieren, dass die Regierung einiges jetzt doch sehr überlegt und gut gemacht hat, also Krisenmanagement gar nicht so schlecht. Und wenn sie es in der Vergangenheit, in den letzten Wochen ganz gut gemacht hat, dann kann man ja auch sagen, warum soll sie es nicht in den nächsten Wochen auch gut machen. Und ich glaube, dass Deutschland verstanden hat, ich glaube, dass viele Bürgerinnen und Bürger, auch viele Politiker es auch satt sind, dass wir uns um Kopf und Kragen reden. Viele erwarten, dass jetzt wirklich gezielt gearbeitet wird.
Wir erwarten nicht, dass am Sonntag sozusagen der Stein des Weisen vom Himmel fällt und die Lösung dann von heute auf morgen da ist, aber ich glaube, die Einladung der Kanzlerin ist jetzt ein gutes Signal, dass wir gut weitermachen und nicht in ein Zerreden verfallen und nur noch platten Wahlkampf machen.
Zurheide: Herzlichen Dank! Das war Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages im Deutschlandfunk um 7 Uhr 26.