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Homburger erwartet Formelkompromiss bei Gesundheitsreform

Die FDP-Politikerin Birgit Homburger erwartet im Ringen um die Gesundheitsreform einen Formelkompromiss mit geringer Wirkung. "Diese so genannte Gesundheitsreform ist keine Reform, die dauerhaft tragfähig ist", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Eigentlich wäre es nach ihren Worten nötig, "wirklich dieses Gesetz jetzt einzustampfen".

Moderation: Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: In den bevölkerungsreichen Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen regieren die Liberalen an der Seite der CDU, und das macht ihr Gewicht in Deutschland vermutlich stärker charakterisieren als die Oppositionsrolle im Bundestag. Über diese Länder regieren sie auch im Bund ein Stückchen mit, und natürlich setzen sie auf eine Änderung in Bund, die sie auch in Berlin an die Spitze bringt. Die Frage ist nur, mit wem? Wie ortet sich die Partei selbst, wie groß sind die Schnittmengen mit den geschmolzenen Volksparteien, was denkt man bei den Liberalen über die Gesundheitsreform?

    Über dies und mehr wollen wir jetzt sprechen mit Birgit Homburger, sie ist als Landesvorsitzende der Liberalen in Baden-Württemberg sozusagen Gastgeberin für das traditionelle Dreikönigstreffen morgen und darüber hinaus als stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag auch in der Bundespolitik verankert. Guten Morgen, Frau Homburger!

    Birgit Homburger: Guten Morgen!

    Liminski: Frau Homburger, zwei aktuelle Themen vorweg, Gesundheit und Luftsicherheitsgesetz, zunächst mal die Gesundheit, hat die Reform noch eine Chance?

    Homburger: Ich gehe davon aus, dass sich die CDU/CSU und die SPD auf irgendeine Art von Formelkompromiss verständigen werden. Eigentlich wäre es nötig, wirklich dieses Gesetz jetzt einzustampfen und ganz von vorne zu beginnen, um eine tatsächliche Reform auf den Weg zu bringen. Ich möchte daran erinnern, was versprochen war: Versprochen war, dass die Krankenversicherungsbeiträge sinken sollen, dass man das ganze System zukunftsfest machen will. Das passiert nicht. Zum 1.1. diesen Jahres sind die Krankenversicherungsbeiträge gestiegen, und Experten gehen davon aus, dass sie mittelfristig auf 16 Prozent steigen werden, wenn das Realität wird, was jetzt von Schwarz-Rot geplant ist.

    Liminski: Ein Scheitern dieses Projekts, mit dem die Große Koalition ihren Lebenszweck sozusagen verknüpft hat, würde eben das Scheitern dieser Koalition auch bedeuten, und damit ist vorläufig sicher nicht zu rechnen, Sie sagen ja auch, es gibt nur einen Formelkompromiss. Das heißt, dieser Formelkompromiss wartet dann auf die wirkliche Reform danach?

    Homburger: So wird es sein. Diese so genannte Gesundheitsreform ist keine Reform, die dauerhaft tragfähig ist. Im Gegenteil: Sie ist bürokratisch, insbesondere wenn ich an den so genannten Gesundheitsfonds denke, hier wird es eine zusätzliche Bürokratie geben, die über der bisherigen Bürokratie residiert. Und da soll mir mal einer erklären, wie das Ganze billiger wird, wenn zwei Bürokratien plötzlich da sind. Das heißt, es wird definitiv teurer werden, es wird weniger Geld für die Versicherten da sein. Das bedeutet, dass diese Reform eben auch verschlechtert die Versorgung der Patienten, und insofern ist sie für uns nicht tragfähig.

    Liminski: Werden Sie denn über die Bündnisse in Stuttgart, Düsseldorf und Hannover versuchen, diesen, wie Sie sagen, Formelkompromiss zu Fall zu bringen?

    Homburger: Die FDP in Baden-Württemberg hat sehr deutlich gemacht, dass wir nicht bereit sind, unsere Zustimmung im Bundesrat zu geben, das heißt, das Land Baden-Württemberg wird im Bundesrat definitiv dieser Reform nicht zustimmen, weil nämlich zu den grundsätzlichen Erwägungen auch dazu kommt, dass es eine erhebliche Mehrbelastung für das Land Baden-Württemberg bedeutet. Wir haben gestern ein weiteres Gutachten im ganzen Reigen der Gutachten gehört, das taxiert die jährliche Mehrbelastung für das Land Baden-Württemberg bei - in Anführungsstrichen - "nur 94 Millionen Euro", aber das jährlich, und wenn man sieht, dass wir jetzt schon über eine Milliarde in den Risikostrukturausgleich einzahlen, dann ist es ein Betrag, der aus meiner Sicht nicht akzeptabel ist.

    Liminski: Die von Innenminister Schäuble angestoßene Debatte, Frau Homburger, über das Flugsicherheitsgesetz scheint das Ziel zu verfolgen, die Bundeswehr für einen Einsatz im Landesinneren zu legitimieren. Auch hier die Frage: Werden Sie über die Koalition in den Ländern versuchen, diese Strategie zu unterlaufen?

    Homburger: Also zunächst einmal liegt ja noch überhaupt kein konkreter Vorschlag vor. Es ist eine Strategie, die Herr Schäuble verfolgt, die ja klar auch gegen das geht, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz deutlich gemacht, dass man nicht Leben gegen Leben abwägen kann. Und wenn er jetzt einen Vorschlag macht, in dem er einen Quasi-Verteidigungsfall im Innern schafft, dann geht das darauf hinaus, dass er ganz klar den generellen Einsatz der Bundeswehr im Innern will, und das lehnt die FDP ganz klar ab, weil das kein Mehr an Sicherheit bringt, weil es auf jeden Fall zu einer Vermischung kommt, die wir nicht brauchen. Ich denke, wir müssen schauen, dass die Polizei gestärkt wird, und nicht jetzt einen Tatbestand im Grundgesetz neu schaffen, so dass die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann.

    Liminski: Sie selbst stehen der Union näher als der SPD, Sie sind ja auch in einer Koalition in Stuttgart mit der Union. Gilt das auch für die Bundespartei, das Näher-Stehen, oder sehen Sie da eher eine Äquidistanz?

    Homburger: Wir nehmen zur Kenntnis, dass nach der Bundestagswahl die CDU in dieser Koalition das, was sie ursprünglich angekündigt hat, komplett über Bord wirft. Die ordnungspolitische Ausrichtung geht in eine Richtung, die wir eigentlich nicht erwartet hätten. Und vor diesem Hintergrund werden wir als FDP, als größte Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag, auch sehr deutlich machen, dass das, was jetzt im Augenblick gemacht wird von dieser so genannten Großen Koalition, das einzige, in was sie groß sind, ist in der Abzockerei der Bürgerinnen und Bürger, in der Schaffung von mehr Bürokratie, aber ansonsten ist nicht wirklich etwas bewegt worden in diesem Land. Und gerade jetzt, wo wir einen wirtschaftlichen Aufschwung haben, der im Übrigen mit der Regierung nichts zu tun hat, gerade jetzt wäre es die Zeit, dann auch Reformen voranzutreiben, und das wird eben nicht gemacht. Herr Beck hat ja gerade noch deutlich gemacht, dass jetzt eigentlich eher ein Reformstopp kommen müsste. Das ist die vollkommen falsche Richtung, und vor diesem Hintergrund werden wir als liberale Opposition im Deutschen Bundestag unsere Positionen deutlich machen und die Alternativen darstellen. Und dazu werden wir auch das Dreikönigstreffen nutzen in Stuttgart zum Jahresbeginn, um deutlich zu machen, wo die liberalen Alternativen für dieses Land sind.

    Liminski: Aber das Deutlich-Machen bringt ja eigentlich nichts, es kann ja nicht umgesetzt werden in praktische Politik.

    Homburger: In der Tat sind wir im Augenblick im Deutschen Bundestag in der Opposition, aber es ist so, dass irgendwann wieder Wahlen stattfinden werden. Wann, wissen wir nicht so genau.

    Liminski: Das heißt, Sie rechnen damit, dass das vorher auseinander bricht?

    Homburger: Das kann kein Mensch wirklich einschätzen. Im Augenblick nehme ich an, dass es eher darauf hinausläuft, dass zum normalen Wahlzeitpunkt gewählt wird, aber wer weiß das schon. In dieser Koalition wird ja derart gestritten und sich gegenseitig beschimpft, dass man als Opposition gar nicht die Worte wählen würde, die sie untereinander gebrauchen. Insofern weiß man nicht, was passiert. Ich würde einfach sagen, es ist jetzt wichtig, dass wir auch als Opposition im Deutschen Bundestag deutlich machen, dass es Alternativen zu diesem Regierungshandeln gibt, Alternativen, mit denen Deutschland besser fahren würde und uns dann auch auf eine Regierungsübernahme nach der neuen Wahl vorbereiten.

    Liminski: Wäre denn eine Jamaika-Option eine solche Alternative, beobachten Sie eine Annäherung an die Grünen?

    Homburger: Also eine Diskussion zu führen im Augenblick über die Frage von Koalitionen an einer Stelle, wo noch überhaupt nicht über Wahltermine geredet wird, halte ich für vollkommen falsch, und vor diesem Hintergrund ist mein Anliegen und das der FDP, dass wir jetzt unsere Positionen klarmachen, dass die Menschen in diesem Land wissen, wir machen eine solide, eine seriöse Arbeit, wir sind zuverlässig, und dass die Menschen auch wissen, wo wir stehen. Wir sind die einzige Kraft der Freiheit, die es in diesem Land noch gibt, und die ist dringend erforderlich in der Zukunft auch wieder in der Bundesregierung, und dafür werden wir kämpfen.

    Liminski: Das klingt alles recht zuversichtlich. Ist denn Optimismus Liberalenpflicht, oder sehen Sie auch kritische Zeiten für die Liberalen in 2007?

    Homburger: Es wird mit Sicherheit gerade jetzt in der Opposition in den ersten sechs Monaten des neuen Jahres nicht einfach werden, allein deshalb, weil die Bundesregierung jetzt die Präsidentschaft hat, sowohl bei G8 als auch in der EU, das wird natürlich dazu führen, dass da vieles unter den roten Teppich gekehrt wird, dass da vieles untergehen wird in großen Diskussionen internationaler Art. Da wird es umso mehr darauf ankommen, dass die liberale Opposition im Deutschen Bundestag klar macht, dass es hier in Deutschland Hausaufgaben gibt, die zu bewältigen sind und von denen wir erwarten, dass die Bundesregierung sie auch angeht, und das werden wir deutlich machen. Das wird allerdings mit Sicherheit nicht ganz einfach werden.

    Liminski: Gute Stimmung bei den Liberalen. Das war Birgit Homburger, Landesvorsitzende der Liberalen in Baden-Württemberg und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Frau Homburger.

    Homburger: Bitte sehr, vielen Dank.