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Homosexualität im Fußball
Lahm sieht Gefahren eines Coming-Outs

800 Profifußballer und -fußballerinnen wollen Mitspieler unterstützen, wenn sie ihre Homosexualität öffentlich machen möchten. Dazu haben sie eine Kampagne gestartet. Ex-Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm wünscht sich zwar Coming-Outs, warnt aber auch vor unangenehmen Reaktionen.

Von Kilian Medele | 17.02.2021
Philipp Lahm blickt neutral an der Kamera vorbei.
Philipp Lahm ist skeptisch, was ein Coming-Out eines aktiven Fußball-Profis angeht. (dpa)
Kapitänsbinden und Eckfahnen in Regenbogenfarben, ein paar abgelesene Worte vor dem ein oder anderen Bundesligaspiel – viel mehr ist seit Thomas Hitzlspergers Outing nicht passiert. Eine Kampagne von rund 800 Profifußballern und -fußballerinnen möchte das ändern. Auf dem Titel des 11-Freunde-Magazins hält Max Kruse einen Zettel, auf dem steht: "IHR KÖNNT AUF UNS ZÄHLEN". Die Aktion soll homosexuelle Spieler unterstützen und Angst vor den Folgen eines Coming-Outs nehmen, wie Niklas Stark deutlich macht. Er ist Kapitän bei Hertha BSC:
"Homophobie, Da muss man auch mal ein klares Statement setzen, dass wir einfach da ja das Thema auch ernst nehmen. Wir wissen, dass es nicht einfach ist in der Gesellschaft, aber auch im Fußball. Und deswegen habe ich mich gefreut auch Teil des Ganzen zu sein."
Steinhaus steht neben Stark und ruft energisch etwas.
Niklas Stark, Hertha BSC (Soeren Stache / dpa)

"Es lauern Gefahren"

Ex-Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm ist skeptisch. Warum, erklärt er bei der Präsentation seines neuen Buches:
"Ich würde es mir wünschen, wenn sich jemand outet. Ich will nur sagen: Ich warne, oder was heißt ich warne - es lauern Gefahren. Ich beschreibe auch, man soll sich mit seinen Leuten, mit seinem engsten Umfeld genau austauschen. Weil: Es werden nicht alle für gut heißen. Weil unsere Gesellschaft nicht so ist. Es ist nicht so, dass jeder Homosexualität gut findet. Man fährt auch irgendwann zu Auswärtsspielen. Wir haben Social Media ... was da alles so passiert. Da muss man enorm stark sein, um das alles zu verkraften."
Geoutet hat sich mit Thomas Hitzlsperger bisher nur ein Ex-Fußballer. "Ich kann jeden verstehen, der sich dem nicht aussetzen will" , sagt auch Max Kruse. Aber der Union-Spieler meint: "Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor den Idioten draußen schützen." Aber auch über offene Homosexualität innerhalb der eigenen Kabine gibt es verschiedene Meinungen.
Berlins Max Kruse und Hoffenheims Kevin Akpoguma kämpfen um den Ball.
Max Kruse, Union Berlin (dpa/Uwe Anspach)
Philipp Lahm sagt: "Man kennt die Mechanismen in so einer Mannschaft, und man weiß, was angesagt ist und was nicht angesagt ist. Und es herrscht ein unglaublicher Gruppenzwang, teilweise auch. Das hat Thomas Hitzlsperger so gesagt, ich habe jetzt nicht eins zu eins zitiert. Aber so in die Richtung hat er es auch gesagt."
Lahms Weltmeister-Kollege Christoph Kramer sagt dagegen: "Ich habe während meiner Karriere noch nie eine Kabine erlebt, von der ich annehme, dass sie Probleme mit einem Outing gehabt hätte." Genauso denkt Christopher Trimmel von Union Berlin:
Gladbachs Spieler Christoph Kramer (20. April 2018).
Christoph Kramer, Borussia Mönchengladbach (imago sportfotodienst)

"Bei uns ist es absolut möglich"

"Es ist natürlich ein Thema, da muss man das Umfeld und den Verein schon sehr, sehr gut kennen. Aber bei uns ist es absolut möglich, weil ich einfach der Meinung bin, dass der volle Unterstützung von uns erfährt. Und das ist, glaube ich, in erster Linie das Zeichen, das wir setzen wollen."
Christopher Trimmel (Union Berlin) gegen Dortmunds Youssoufa Moukoko (Borussia Dortmund)
Christopher Trimmel, Union Berlin. (www.imago-images.de/Matthias Koch)
Deutlich weiter sind die Frauen: Homosexuelle Spielerinnen sind akzeptiert. In Wolfsburg gibt es, wie zuvor schon einmal beim FC Bayern, sogar ein kickendes Ehepaar.