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Honduras
Kurz vor den Wahlen im Narco-Staat

Es ist das Land mit der höchsten Mordrate der Welt: Dem zentralamerikanischen Honduras stehen Wahlen bevor. Erstmals tritt die neu gegründete Linkspartei "Libre" an, die viele Unterstützer hat.

Von Martin Polansky |
    Xiomara llega, Xiomara kommt. Die halbe Stadt Choluteca im Süden von Honduras scheint auf den Beinen zu sein, um Xiomara Castro zu sehen. Viele schwenken die roten Fahnen der Linkspartei "Libre". Erkennbar arme Leute sind es, abgewetzte Kleidung, durch die schlammigen Straßen der Stadt sind sie hergekommen. Xiomara Castro verspricht eine bessere Zukunft:
    "Lasst uns ein neues Honduras schaffen, eines der Versöhnung. Lasst uns eine neue Verfassung ausarbeiten. Für ein Vaterland, das wir alle verdienen. Lasst uns das Land neu erbauen."
    Xiomara, wie sie alle nennen, ist die Ehefrau des vor vier Jahren weggeputschten Präsidenten Manuel Mel Zelaya. Xiomara hat den Respekt, aber Mel ist für viele hier der eigentliche Star. Die beiden kommen deshalb meist im Doppel - auch in Choluteca. Und der Ex-Präsident mit dem honduranischen Cowboyhut ist bemüht, sich zurückzunehmen:
    "Landsleute, ich habe die Aufgabe des Koordinators unserer Partei – aber unsere Kandidatin Xiomara Castro redet."
    Viele Hondurianer hoffen auf echte Veränderungen durch die Linkspartei "Libre"
    Mel Zelaya wurde für die rechtsliberale Traditionspartei Partido Liberal 2005 zum Präsidenten gewählt. Im Amt vollzog der Mann aus wohlhabender Familie einen Linksschwenk, suchte die Annäherung ans sozialistische Venezuela. Das stieß in Honduras Führungsschicht auf Unmut. Und als Zelaya per Volksbefragung den Weg ebnen wollte für eine laut Verfassung nicht vorgesehene Wiederwahl des Staatschefs, putschte ihn das Militär 2009 aus dem Amt und brachte ihn außer Landes.
    Zwei Jahre später durfte er zurück und schuf mit Verbündeten die neue Linkspartei "Libre". Viele Honduraner hoffen mit der neuen Kraft auf echte Veränderungen, andere werfen Zelaya vor, dass es ihm vor allem um persönliche Macht gehe. Eine Wiederwahl ist für den früheren Staatschef immer noch nicht möglich. Aber an der Seite von Xiomara könnte Mel Zelaya erneut einziehen in den Präsidentenpalast von Tegucigalpa.
    Honduras Hauptstadt ist ein verwinkeltes Häusermeer. In der Mitte ein paar moderne Einkaufsmalls, aber gleich um die Ecke und in die Berge hineingewachsen sieht man die Armut. Die Straßen sind waffenstarrend. Vor beinah jedem Geschäft stehen uniformierte Privatpolizisten mit Gewehren. Vier Jahre nach dem Putsch ist die Lage erschreckend. Gut zwei von drei Honduranern leben in Armut – trotz einiger bescheidener Sozialprogramme. Das Land hat die höchste Mordrate der Welt, Honduras gilt als Drehscheibe des internationalen Drogenhandels – auch deshalb, weil viele Institutionen des Landes mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten dürften.
    Aus der früheren Bananenrepublik ist in weiten Teilen ein Narco-Staat geworden. Dazu schwere Menschenrechtsverletzungen. Journalisten und Bürgerrechtler werden ermordet aufgefunden. Die angeblichen Ermittlungen laufen meist ins Leere. Zumindest Teile der Polizei sollen Mordkommandos unterhalten. Fast alles scheint möglich in Honduras.
    Juan Orlando Hernandez spricht von einem Wechsel. Er ist der Präsidentschaftskandidat der Partido Nacional, der Partei, die in den letzten vier Jahren das Land dominiert hat und damit die Hauptverantwortung trägt für die verheerende Bilanz. Auch der jetzige Präsident Pepe Lobo kommt aus der christlich-konservativ geprägten Traditionspartei. Juan Orlando, wie er plakatiert wird, gilt seit Langem als Strippenzieher in Honduras, war in den letzten Jahren Parlamentspräsident. Machtmissbrauch wird ihm vorgeworfen – etwa als er die Absetzung unliebsamer Verfassungsrichter vorantrieb. Ein Wechsel mit einem altbekannten Gesicht - der Kandidat erklärt das so:
    "Die Regierung von Präsident Lobo kommt aus einer Phase des Übergangs. Aber meine Regierung wird eine des Durchstartens sein. Um die Wirtschaft voranzubringen, auch Frieden und Ruhe im Land. Und wir wollen uns um die Ärmsten kümmern."
    EU-Wahlbeobachter kritisieren fehlende Transparenz bei der Kampagnenfinanzierung
    Eine Veranstaltung der Partido Nacional. Juan Orlandos Ehefrau Ana ist gekommen. In einem Saal in Tegucigalpa sitzen einige Hundert Menschen. Die Ärmsten der Armen. Viele indigene Frauen, Tagelöhner. Gut 150 Wasserfilter stehen bereit – jeweils rund 800 Lempiras wert. Für viele hier ist das Geld praktisch ein Monatslohn. Wahlgeschenke am Rand des Stimmenkaufs. Bemerkenswert ist: Der Partido Nacional scheint es an Geld nicht zu mangeln im sonst armen Honduras. Das Land ist zugeklebt mit den blauen Plakaten. Juan Orlando an jeder Ecke.
    Die EU-Wahlbeobachter beklagen fehlende Transparenz der Kampagnenfinanzierung. Niemand wisse, woher das viele Geld komme – auch bei einigen anderen der acht Parteien. Der Politologe Graco Perez bezweifelt, dass nur sauberes Geld im Wahlkampf eingesetzt wird:
    "Die Parteien versichern, dass es sich um Spenden etwa von Unternehmern handelt. Auf der anderen Seite ist der Wahlkampf natürlich eine gute Gelegenheit für das organisierte Verbrechen, bestimmte Personen zu finanzieren und so Kontrolle zu haben. Das gilt insbesondere für die gleichzeitig stattfinden Wahlen zu den Rathäusern."
    Honduras kurz vor den Wahlen. Nach den vorliegen Umfragen ist der Ausgang völlig offen, die Situation ist angespannt. Aber etwas hat sich schon jetzt verschoben in Honduras vier Jahre nach dem Putsch. Mit der "Libre" ist eine neue politische Partei herangewachsen, und die Linken könnten die Wahlen sogar gewinnen.
    Viel Unterstützung hat "Libre", nicht nur bei der Veranstaltung in Choluteca. Aber wie viel Neubeginn tatsächlich möglich wäre, wagt niemand vorherzusagen. In einem Staat, der zur leeren Hülle geworden ist. Kaum Geld, schwache Institutionen, korrupte Strukturen. Wahlen in Honduras – ein bisschen Demokratie in einem ziemlich kaputten Land.