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Hongkong
Demonstranten trauern um Liu Xiaobo

Gestern starb der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo - nach Wochen des Kampfes um seine Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb von China. In Hongkong trauern die Menschen um den Menschenrechtler und zeigen sich kämpferisch.

Von Steffen Wurzel | 14.07.2017
    Demonstranten in Hongkong brachten ihre Trauer über den Tod Liu Xiaobos zum Ausdruck.
    Demonstranten in Hongkong brachten ihre Trauer über den Tod Liu Xiaobos zum Ausdruck. (AFP)
    Nur der hongkongtypische Straßenlärm ist zu hören, dazu das Klicken von Fotoapparaten, ansonsten Stille. Hunderte Menschen haben sich nach der Nachricht vom Tod Liu Xiabos versammelt, um dem Friedensnobelpreisträger schweigend zu gedenken. Auch einige ehemalige Mitstreiter Lius sind gekommen. Außerdem viele Vertreter der Hongkonger Pro-Demokratiebewegung. Viele haben weiße Blumen mitgebracht. Gelbe Regenschirme sind zu sehen, das Symbol der Demokratie-Bewegung in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Einer der Organisatoren der Mahnwache, Lee Cheuk-yan, im Interview mit Hong Kong Free Press:
    "Wir trauern nicht nur um Liu Xiaobo. Wir sind sicher, dass sein letzter Wille war: Freiheit für seine Frau! Wir werden den Kampf also fortsetzen. Und natürlich auch den Kampf für Freiheit und Demokratie in China und Hongkong."
    "Ich will seinem Vorbild folgen"
    Die Witwe Liu Xiaobos, Liu Xia, steht seit der Inhaftierung des Friedensnobelpreisträgers 2009 unter Hausarrest. Auf vielen Postern und Transparenten auf der Hongkonger Mahnwache sind auch ihr Gesicht und ihr Namen zu sehen. Als Ort der Trauerkundgebung haben sich die Anhänger Liu Xiaobos und seiner Frau die Straße vor dem Verbindungsbüro der Pekinger Zentralregierung ausgesucht, direkt im Herzen Hongkongs. Schon seit Anfang der Woche campieren dort Demonstranten. Bis gestern hatten sie gefordert, Liu Xiaobo in ein Krankenhaus nach Europa oder in die USA zu verlegen. Nach dem Tod des Friedensnobelpreisträgers am Abend verwandelte sich die Protestaktion in eine Mahnwache.
    "Seit vier Tagen sitze ich hier nun, das ist wichtig für mich," sagt dieser 17-jährige Schüler. "Für mich war Liu Xiaobo Chinas größter Kämpfer für Demokratie überhaupt. Er war Chinas erster Friedensnobelpreisträger. Ich will seinem Vorbild folgen und Chinas Demokratiebewegung voranbringen. Deswegen erinnere ich hier an ihn."
    Elf Jahre Haft - dann der Friedensnobelpreis
    Liu Xiaobo ist gestern in einem Krankenhaus im nordchinesischen Shenyang gestorben. Er wurde 61 Jahre alt. Erst vor zweieinhalb Wochen war der Menschenrechtsaktivist aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus verlegt worden, weil er an Leberkrebs im Endstadium litt. Liu hatte die sogenannte "Charta 08" mitgeschrieben. Die Kernforderungen dieses Textes: Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie für China. Ein chinesisches Gericht veruteilte den Schriftsteller und Menschenrechtler deswegen 2009 zu elf Jahren Haft. Ein Jahr später wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
    Die Bilder vom leeren Stuhl bei der Verleihung des Preises in Oslo gingen um die Welt. Die Hongkonger Tageszeitung "South China Morning Post" bezeichnet Liu Xiaobo heute als den stillen, aber entschlossenen Chronisten der unbequemen Wahrheiten Chinas. Liu Xiaobo ist nach Carl von Ossietzky erst der zweite Friedensnobelpreisträger, der in Unfreiheit gestorben ist. Der deutsche Journalist und Pazifist von Ossietzky starb 1938 in einem Nazi-Gefängnis in Berlin.