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Hooligans und Rechtsextreme
Von Politik und Sport unterschätzte Gefahren

Demonstrationen wie "Hooligans gegen Salafisten" in Köln in Zukunft zu verbieten, wird heiß diskutiert. Verbote allein aber würden nicht helfen: Gezielte Strategien für potenzielle Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene seien deshalb weiter nötig, meint beispielsweise EXIT-Gründer Bernd Wagner. Ein bundesweites Konzept aber fehle nach wie vor.

Von Dirk-Oliver Heckmann |
    Ein Demonstrant trägt am 26.10.2014 in Köln ein T-Shirt der als gewaltbereit bekannten Gruppe "Hooligans gegen Salafisten".
    Ein Demonstrant trägt am 26.10.2014 in Köln ein T-Shirt der als gewaltbereit bekannten Gruppe "Hooligans gegen Salafisten". (dpa / picture alliance / Caroline Seidel)
    "Wir wollen keine Salafistenschweine." / "Hooligans!" / "Deutschland! Deutschland!"
    Köln, am 26. Oktober. Direkt am Hauptbahnhof. Rund 5.000 Hooligans und Rechtsextreme haben den Breslauer Platz fest im Griff. Die zahlenmäßig unterlegenen Polizeibeamten geraten in die Defensive, am Ende werden 49 verletzte Beamte gezählt. Den Randalierern gelingt es sogar, einen Einsatzwagen der Polizei umzustürzen. Viele von ihnen fühlen sich so sicher, dass sie sich nicht einmal vermummen. NRW-Innenminister Ralf Jäger von der SPD spricht am Tag danach dennoch von einem vollen Erfolg.
    "Gestern war die Polizei mit 1.300 Beamtinnen und Beamten vor Ort. Sie hat erfolgreich unterbunden, dass diese gewalttätigen Hooligans in die Innenstadt vordringen wollten, Kölner Bürgerinnen und Bürger angreifen und verletzen wollten, haben sie zurückgedrängt."
    Doch das mit dem Zurückdrängen gestaltete sich schwieriger als angenommen. Denn die Sicherheitsbehörden wurden völlig überrascht - obwohl es im Internet zahlreiche Hinweise auf einen starken Zulauf gegeben hatte. "Hooligans gegen Salafisten" - mit diesem Motto konnten Tausende motiviert werden, in die Domstadt zu reisen. Immer noch ist unklar, wie viele Rechtsextreme darunter waren - und wie viele Personen, die unter dem Begriff "Hooligan" zu fassen sind.
    Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD)
    Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) (dpa/picture alliance/Hannibal Hanschke)
    Doch ob es eine solche Unterscheidung überhaupt noch geben kann? Für Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, sind - auch nach den Ereignissen von Köln - Hooligans zum "größten Teil politisch indifferent". Ihre Werte bestünden - Zitat - aus "Bier trinken und prügeln". BKA-Chef Jörg Ziercke glaubt ebenfalls: Hooligans wollten keine Politik machen, sondern Randale. Und auch Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD argumentiert in der ZDF-Talkshow "Maybritt Illner" in diese Richtung:
    "Hooligans sind nicht politisch. Hooligans sind asozial. Sie treffen sich zum Prügeln, und sie trinken viel dabei. Das hat nichts mit politischer Meinungsäußerung zu tun."
    Thomas Neuendorf ist Kriminalbeamter beim LKA Berlin und beschreibt die Lage als Praktiker. Unter den rund 2.000 gewaltbereiten Hooligans in Berlin befänden sich knapp 100 Personen, die rechtsradikale Straftaten begingen. Strukturelle Verbindungen aber habe es bisher nicht gegeben:
    "Also, das war so, dass eben ein rechtsradikaler in der Woche seine Straftaten in diesem Bereich begangen hat und dann unabhängig davon am Samstag zu einem Fußballverein mitgefahren ist und sich dann dort als Hooligan betätigt hat. Mit dem Ziel sich zu kloppen - um das mal so ganz platt darzustellen."
    Auch im aktuellen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz ist unter dem Kapitel "Rechtsextremismus" nachzulesen - Zitat:
    "Im Bereich von Hooligangruppierungen sind einzelne Personenzusammenschlüsse bekannt, die [...] zumindest als rechtsextremistisch beeinflusst einzuschätzen sind. Dennoch kann auch hier keine strukturelle und flächendeckende Zusammenarbeit auf ideologischer Ebene festgestellt werden."
    Hooligans sind nicht politisch? Keine strukturellen Verbindungen zwischen Hooligans und Rechtsextremen?
    Besuch bei EXIT - einem bundesweit bekannten Aussteiger-Programm für Rechtsextreme in Berlin. Bernd Wagner - ehemaliger Kriminal-Oberrat, nach der Wiedervereinigung Leiter der Abteilung "Staatsschutz" im gemeinsamen Landeskriminalamt der Neuen Bundesländer. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten - schon zu DDR-Zeiten - mit dem Thema. Was sagt er zu der Behauptung, Hooligans seien nicht politisch?
    "Also, ich weiß nicht, wo die Herren ihre Erkenntnisse herhaben, auf jeden Fall nicht aus der Wirklichkeit. - Reines Märchen."
    Zerstörte Glasscheiben am Zugang zum Hauptbahnhof in Köln. Bei einer Demo gegen Salafisten haben sich Hooligans und Rechtsradikale am Hauptbahnhof massive Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert.
    Nach der Hooligan-Demo gegen Salafisten (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Natürlich geht es Hooligans ums Prügeln, meint Wagner. Aber gleichzeitig hätten sie eine Weltanschauung; und die sei eben oft genug extrem rechts.
    "Das wird immer geklammert durch Rassismus. Wird in dem Fall auch geklammert durch eine völkische Grundgesinnung. Das heißt also, eine Annahme des überwertigen, des so genannten rassisch Weißen oder des so genannten kulturell Deutschen. Also eine Mischung, eine Textur, die ihren Lebensinhalt total durchprägt.
    Über 130.000 mal ist er angeklickt worden, der Videoclip auf Youtube. Der Schriftzug "HoGeSa" erscheint zum Takt der Musik, weiße Lettern auf schwarzem Grund. Anschließend: Ein Mann spricht besorgt in die Kamera, die vollständig tätowierten Arme, verschränkt vor seinem Körper:
    "Liebe Freunde, ich möchte hier ein kleines Statement im Namen der HoGeSa - Hooligans gegen Salafisten abgeben. Es heißt in der Zeitung, dass wir nur Rechtsextreme sind. Und genau davon wollen wir uns distanzieren. Es gibt immer rechte Leute irgendwie, irgendwo da drunter. Ganz klare Sache. Die kann man aber nicht alle da rauswurschteln. Die sind einfach da, die kriegste auch nicht weg. Und wir sagen jetzt öffentlich hier, wir haben damit nichts zu tun. Wir verfolgen nicht deren Ideologie."
    Hooligans und Neonazis sind eng miteinander verknüpft
    Andreas Kraul aus Herne; er fungierte als "Regionalleiter West" der "HoGeSa", den „Hooligans gegen Salafisten". Schnell kommt er zum eigentlichen Thema: Dem Terror der Islamisten in Deutschland. "Den wollen wir jetzt stoppen!", sagt er.
    "Wir sind 'n harter Trupp von mehreren hundert Mann. Und nur mit starken Leuten kann man was erreichen, kann man was antreiben, damit der Rest hinterher kommt. Das ist doch ganz klar. Wir sind aufgestanden. Ich hoffe, dass ihr so langsam wach werdet. Tut was für Deutschland, tut was für die EU. Lasst uns dieses Pack rauswerfen."
    "Wir wollen keine Salafisten-Schweine! / Unser Staat!/ Deutschland, unser Land!"
    Wenn schon die Behauptung nicht stimmt, Hooligans seien unpolitisch: Stimmt dann wenigstens die These: "Bei der Zusammenarbeit zwischen Hooligans und Rechtsextremen handelt es sich um eine neue Formation? - wie NRW-Innenminister Jäger behauptet? EXIT-Gründer Bernd Wagner:
    "Nein, das ist auch falsch."
    Die Zusammenarbeit zwischen Hooligans und Rechtsextremen gibt es laut Wagner schon seit den 70er Jahren. Um sie auf ihre Seite zu ziehen, suchten Rechtsextreme seitdem gezielt den Kontakt zu sogenannten Randgruppen:
    "Das heißt also Leuten, die mit den Verhältnissen in irgendeiner Weise unzufrieden sind. Und viele von den Unzufriedenen sammelten sich immer schon um Fußballstadien herum. Und deshalb werden sie auch bei den Neonazigruppen überall sogenannte Hooligans finden, die als Schlüsselfiguren innerhalb der Netzwerke eine bedeutende Rolle spielen."
    Demonstranten laufen am 26.10.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) während einer Demonstration von Hooligans bei der Aktion "Gemeinsam gegen Salafismus" durch die Innenstadt.
    Hooligan-Demo gegen Salafisten in Köln (Caroline Seidel / dpa)
    Demonstrationen wie die in Köln in Zukunft zu verbieten, hält Wagner für richtig. Verbote allein aber würden nicht helfen. Mit neuen Fan-Projekten werde man die hoch-radikalisierten Rechtsextremen sicher auch nicht erreichen. Gezielte EXIT-Strategien für potenzielle Aussteiger seien deshalb weiter nötig. Ein bundesweites Konzept aber fehle nach wie vor:
    "Natürlich - jeder will jetzt sein eigenes Ausstiegsprojekt haben. Was da inhaltlich passiert, interessiert eigentlich nicht. Hauptsache, man kann ein Etikett aufkleben. Und man tut sich da auch schwer die entsprechenden Zielgruppen zu differenzieren. Also, es gibt viele Probleme in der Richtung. Man greift nicht auf elaborierte Erfahrung zurück. Das ist schon ein Problem."
    Die Förderung von EXIT Deutschland steht übrigens auf der Kippe. Denn ob die Bundesgelder im kommenden Jahr weiterlaufen - das steht - bisher jedenfalls - noch in den Sternen. Wird die Gefahr also weiter unterschätzt? Obwohl vor drei Jahren die Mord-Serie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" aufgedeckt worden ist?
    "Ja, das ist ja ein Markenzeichen der deutschen Innenpolitik, schon seit jeher. Diese Gefahr zu unterschätzen."
    Rechtsextreme Gefahr nicht unterschätzen
    Schon 1990 hätten sich die Sicherheitsbehörden der Erkenntnis, dass Hooligans und Neonazis eng miteinander verknüpft sind, verweigert.
    "Man muss sich einfach vorstellen, dass zum Beispiel im Osten fast alle bedeutenden Neonazigruppierungen aus dem Fußball-Bereich entsprungen sind. Und das hat sich in Nullkommanichts, also innerhalb von wenigen Tagen, Wochen mit den westdeutschen Konstrukten vereinigt, wo die Hooligans auch Schlüsselfiguren gespielt haben. Und das ist komplett unterschätzt worden. Das ging auch weiter so in den 90er Jahren und ist dann auch besonders sichtbar geworden im Zusammenhang mit dem Auffliegen des NSU 2011. Und wenn man da die Täterstruktur mal nachvollzieht, also das Umfeld dieses NSU-Komplexes, wird man überall Schlüsselfiguren finden, die man heute als Hooligan bezeichnen würde. Also, die sind integriert in dieses gesamte Netzwerk."
    Besuch im Bundestag. Paul-Löbe-Haus. Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger sitzt konzentriert auf dem Ledersofa seines Büros. Für ihn ergeben sich aus den Vorgängen in Köln eine Fülle von Fragen - und er zeigt sich zugleich mit der Art und Weise, wie die Behörden in Nordrhein-Westfalen die Ereignisse bisher aufgearbeitet haben, äußerst unzufrieden:
    "Ich glaube, wir brauchen eine bessere Analyse auch der Situation in Köln, wo ich mit der Einsatztaktik und mit der Bewertung des Innenministers nicht übereinstimme. Wer war da jetzt wirklich dabei von amtsbekannten Neonazis? Wer ist unter den Festgenommenen, wer war unter den Rädelsführern? Wer hat im Hintergrund dafür geworben, wo kamen die her? Danach könnte man eine bessere Einschätzung abgeben, wer hier dominiert innerhalb dieser Gruppe. Und egal, wo man es jetzt mehr verortet, entscheidend ist, dass diese Form von Aufzug und Randale eine ernsthafte Herausforderung für unseren Rechtsstaat ist."
    Die SPD-Politikerin Eva Högl warnt davor die rechtsextreme Gefahr zu unterschätzen.
    Die SPD-Politikerin Eva Högl warnt davor die rechtsextreme Gefahr zu unterschätzen. (dpa / picture alliance / Hannibal Hanschke)
    Die SPD-Innenexpertin Eva Högl - sie möchte - nach der Aufdeckung des NSU - niemals mehr erleben, dass die rechtsextreme Gefahr unterschätzt wird, sagt sie. Was aber hält sie dann von der - auch vom eigenen Justizminister - verbreiteten These, Hooligans seien an sich unpolitisch?
    "Wenn man jetzt sagt, Hooligans sind unpolitisch, ist das eine Verharmlosung. Denn sie haben in Köln gezeigt, dass sie bereit und in der Lage sind, sich gemeinsam mit Rechtsextremisten zu Gewalttaten zu verabreden. Und deswegen fordere ich, da genau hinzuschauen und erst mal davon auszugehen, dass auch Hooligans politisch sind."
    Politiker und Sicherheitsbehörden verharmlosen also nach wie vor die Gefahr? Womöglich aus dem Motiv heraus, dass man Randale wie die in Köln leichter bereits im Vorfeld verbieten kann, wenn man politische Absichten in Abrede stellt? Eva Högl hält genau das für gefährlich. Sie nimmt lieber in Kauf, dass ein Verbot vor Gericht scheitert - dafür aber das Kind bei seinem Namen genannt wird. Und: Sie fordert den Verfassungsschutz auf, die Hooligan-Szene intensiver zu beobachten. Mit Fan-Projekten jedenfalls wird man überzeugte Rechtsextreme nicht ansprechen können - das sieht auch Michael Trube von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin" so:
    "Ich glaube, diese 40-, teilweise ja 50-jährigen Hooligans, die da auf der Straße waren in Köln, die erreiche ich ja nicht mehr mit sozialer Arbeit. Da ist dann auch der Staat gefragt, da ist auch teilweise wahrscheinlich Repression gefragt. Aber grundsätzlich muss man jetzt vor allem analysieren, wo gibt es diese Verbindung ins organisierte rechtsextreme Milieu hinein - und mit welchen Möglichkeiten kann ich dann auch dazwischen gehen."
    In Aachen ist das mit dem "Dazwischengehen" im vergangenen Jahr gründlich danebengegangen. Hier war es Rechtsradikalen gelungen, eine anti-rassistische Ultra-Gruppierung aus dem Stadion zu verdrängen. Ohnehin habe man sich in den letzten zehn Jahren viel zu stark auf die sogenannte Ultra-Szene konzentriert, glaubt Trube:
    "Ich glaube, dass im Windschatten dieser Beobachtung der Ultra-Kulturen eine neue Hooligan-Generation herangewachsen ist. Dass in Stadien wie in Aachen beispielsweise es auch diesen rechtsorientierten Hooligans gelungen ist, die gegen Nazis positionierte Ultra-Gruppe aus dem Stadion zu vertreiben. Und das heißt, es muss, glaube ich, sehr schnelle wieder überlegt werden, wie man über Fanprojekte, über Sozialarbeit im und um das Stadion herum an diesen potenziellen Nachwuchs rankommt."
    Ein Verein muss sich klar positionieren
    Tun die Vereine also nach wie vor zu wenig in der Prävention? Dazu der Politikwissenschaftler und Fan-Forscher Jonas Gabler:
    "Also, man kann das nicht pauschal sagen, dass die Vereine zu wenig machen. Weil es eine ganze Reihe von Vereinen gibt, die sehr gut dort positioniert sind, aber es gibt eben auch Vereine, die vor allem in konkreten Konfliktsituationen, wie wir das zum Beispiel in Aachen hatten oder auch an anderen Standorten, sich etwas unglücklich verhalten haben, um es mal moderat zu formulieren. Das heißt, das ist der entscheidende Moment: Es gibt vielleicht eine Gruppierung, die sich gegen Diskriminierung engagiert, die wird dann bedroht von anderen - und dann muss sich der Verein ganz klar positionieren. Da gibt es dann keine Herumlavieren, sondern man muss ganz klar sagen: Hier gibt es eine Gruppierung, die setzen sich gegen Diskriminierung ein, die sind ganz wichtig für uns, um unsere Fankurve zu einem Ort für Jedermann und Jedefrau zu machen. Und es gibt eine andere Gruppierung, die hier ausgrenzen will. Und da gibt es einfach keine zwei Meinungen. Da müssen die einen geschützt werden, und den anderen müssen klare Grenzen aufgezeigt werden."
    Im Vergleich zur Lage von vor 15 Jahren tun die Vereine wesentlich mehr - und das muss man auch erst mal loben, meint Jonas Gabler:
    "Aber, wenn ich mir anschaue, mit welchem Engagement Vereine neue Spieler verpflichten und auch mit welchem Geldeinsatz sie neue Spieler verpflichten, mit welchem Einsatz sie sich um Sponsoren bemühen, mit welchem Einsatz sie ihre ganzen anderen Geschäftsfelder bearbeiten, dann ist generell das Thema Fankultur, Beschäftigung mit den Fans, aber auch Beschäftigung mit den problematischen Dimensionen wie zum Beispiel Diskriminierung, Rechtsextremismus, immer noch unterentwickelt. Es gibt immer noch Luft nach oben, aber ihr Hauptgeschäft ist nun mal was anderes. Und wenn ich's im internationalen Vergleich sehe, muss ich sagen, sind wir in Deutschland schon relativ gut aufgestellt. Da gibt es nur wenige Länder, die noch weiter sind. England ist ein gutes Beispiel, wo die Vereine gerade in Bezug auf Diskriminierung noch einen Schritt weiter sind."
    Unruhen beim Relegationsrückspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC
    Unruhen beim Relegationsrückspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC (dpa / Revierfoto)
    Aber: Immer noch gibt es Vereine in Deutschland, die die Augen vor der Gefahr verschließen - und rechtsextreme Tendenzen in der eigenen Anhängerschaft nicht wahrhaben wollen. Was hält Michael Trube von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin" von solchen Fällen?
    "Ja, das ist schade. Das verkennt das Potenzial, was Sport, Fußball, Fußballvereine in der Bekämpfung von Rassismus, von Rechtsextremismus nämlich haben als Breitensport und auch als Vereine, die eine Vorbildfunktion für Junge und Kinder haben, die Fußball spielen, die in ihrem Verein vielleicht sogar sind. Das ist eine eindeutige Positionierung aus unserer Sicht total hilfreich. Das kann über Aktionstage stattfinden, das kann über ein Statement vor dem Spiel stattfinden, eine Hausordnung, die das Tragen bestimmter Kleidungsmarken verbietet. Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Und ich glaube, dass es richtig und wichtig wäre, dass Fußballvereine da mit gutem Beispiel vorangehen und nicht ihre Verantwortung für gesellschaftliche Problemlagen leugnen. Das hört nicht am Stadiontor auf. Und unserer Erfahrung nach sind die Vereine, die sich dem Problem offensiv stellen und die Auseinandersetzung suchen, langfristig auch die, bei denen diese Probleme weniger vorkommen."
    Müssen wir uns darauf einstellen, Ausschreitungen wie die in Köln öfter erleben zu müssen? Eine Demonstration, die für übermorgen in Hannover angemeldet war, wurde von den Behörden zunächst untersagt, darf aber nun unter Auflagen stattfinden. Wie man in Zukunft mit solchen Aktionen umgeht, muss noch ausgelotet werden. Dazu der CDU-Politiker Clemens Binninger:
    "Was wir zurzeit sowieso auch an anderer Stelle erleben, ist, dass Konflikte in anderen Ländern ausstrahlen auf unser Land und hier in Form von Auseinandersetzungen fortführen. Dass wir erleben, dass sich Gruppen vermischen, dass wir auch im anderen Bereich Islamisten gegen Kurden, gegen Jesiden, dass wir da auch schon Zwischenfälle haben. Dass sich auch Rockermilieus das aneignen. Das ist alles von einer ungeheuren Dynamik. Und in dieser Form dürfte es für nahezu alle, auch für die Experten neu sein. Aber es ist von einigem Potenzial, und man kann das leider nicht ausschließen, dass sich hier Dinge weiterentwickeln, Zulauf bekommen."
    Bei einer Demonstration der Gruppe "Hooligans gegen Salafismus" in Köln wird ein Polizeiauto umgeworfen.
    Bei einer Demonstration der Gruppe "Hooligans gegen Salafismus" in Köln wird ein Polizeiauto umgeworfen. (dpa / Thilo Schmülgen)
    Sie hoffe nicht, dass sich gewalttätige Ausbrüche wie die in Köln wiederholen, meint dazu die SPD-Politikerin Eva Högl. Aber:
    "Das liegt auch an uns, dass wir in der Lage sind, die Szenen zu trennen, die Einzelpersonen auszusondern, auch dann zu bestrafen, wenn sie Straftaten begangen haben. Und ich fordere einfach, dass wir jetzt sehr aufmerksam sind und die Entwicklung beobachten, vor allen Dingen auch in den Sozialen Netzwerken und vor allem auch die internationale Vernetzung. Denn die gibt es sowohl bei Hooligans als auch bei Rechtsextremen."
    Högls Parteifreund Heiko Maas scheint - mit einigem Abstand zu den Ereignissen in Köln - seine Einschätzung der Hooligan-Szene inzwischen korrigiert zu haben. Der Bundesjustizminister in der vergangenen Woche im Bundestag:
    "Wenn Hooligans und Rechtsextreme zukünftig nachhaltig gemeinsame Sache machen, dann werden wir auch überlegen müssen, ob auch Hooligans künftig ein Thema für den Verfassungsschutz werden können. Wir brauchen ein gutes und ein funktionierendes Frühwarnsystem gegen solche Gewalt."
    Thomas de Maizière von der CDU ermutigte an gleicher Stelle die Behörden - auch in Hannover - ähnliche Veranstaltungen wie die in Köln zu untersagen. Ein Verbot allein reiche allerdings nicht, meinte der Bundesinnenminister im Rahmen der Debatte über die Aufdeckung der Mordserie des rechtsextremen NSU. Vielmehr sei gefordert: Eine gesellschaftliche Isolierung von Gewalt als Mittel der innenpolitischen Meinungsbildung.
    "Toleranz und Vielfalt, Freiheit und Menschenwürde bleiben prägend für unser Land. Toleranz endet dort, wo Vielfalt, Freiheit und Menschenwürde gewaltsam angegriffen werden. Und das gemeinsam anzugehen, auch das sind wir den Opfern des NSU schuldig."
    Es wird sich zeigen müssen, wie weit Politik und Gesellschaft ihrer Verpflichtung nachkommen.