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"Hoppla, auf diesem Wahlzettel stehen ja noch andere drauf!"

Der bayerische Kabarettist Christian Springer sagt der CSU bei den kommenden Landtagswahlen Verluste voraus. Die Wahl werde nun einmal in Oberbayern entschieden und "der Beckstein ist Franke". Allerdings würden die Sozialdemokraten von diesen Stimmenverlusten der Christsozialen kaum profitieren. Die SPD sei eine Ein-Mann-Partei in Bayern, erklärte Springer.

Christian Springer im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Berge, Seen und die CSU, der weißblaue Dreiklang, so harmonisch wie das Alpenvorland und die Blasmusik spielt. Seit Jahrzehnten gibt es bei der Landtagswahl im Freistaat nur einen Sieger: die CSU - und zwar mit absoluter Mehrheit. Nun hat sich die Situation geändert. In den letzten Umfragen vor dem Wahlsonntag liegen die Christsozialen konstant bei 50 minus X. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit wankt. Möglicherweise muss die CSU sich nach einem Koalitionspartner umschauen. Der Stuhl von Ministerpräsident Beckstein könnte wackeln. Mit Horst Seehofer steht schon ein möglicher Nachfolger in den Startlöchern. Bayern wählt - eine mögliche Zeitenwende im Freistaat. Darüber möchte ich jetzt reden mit dem bayerischen Kabarettisten und Autoren Christian Springer. Guten Morgen!

    Christian Springer: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: "Mir san mir, CSU gleich Bayern". Warum funktioniert diese Gleichung nicht mehr?

    Springer: Ich wollte mal eines sagen: von wegen Berge. Heute Früh ist der Himmel über Bayern sehr wolkenverhangen. Berge sieht man gar nicht. Es regnet, es ist wahnsinnig kalt und ich glaube, das ist auch im Moment die Stimmung in der CSU. Ich glaube aber, Sie brauchen sich keine Sorgen machen, weil selbst wenn die CSU auf 45 Prozent sinkt oder auf 44, es profitiert gerade die SPD überhaupt nicht davon. Ich glaube, dann am Sonntagabend, wenn die CSU sehr verloren hat, dann sagen sie bei 40 Prozent, jetzt machen wir es doch wieder selber.

    Heinlein: Aber 46 Jahre lang, Herr Springer, war die CSU ja die Partei, die das glückliche Bayern erfunden hat. Hat jetzt die Partei das Gespür für die besondere bajuwarische Lebensart verloren?

    Springer: Was sicher ein großer Stolperstein für diese Wahl war, das war die Kommunalwahl im Frühjahr dieses Jahres. Das Erbe von Stoiber hat sich da gerächt. Diese Diskussion um den Transrapid, wo man uns Bayern erst weiß machen wollte, wir sind die Hinterweltler dieser Erde, wenn wir nicht für den Transrapid stimmen. Dann kommt die Kommunalwahl, die CSU verliert und dann hat es aus der CSU geheißen, na ja, Transrapid, so schnell Zugfahren, das ist ja eh nicht gesund.

    Heinlein: Also hat Stoiber den Niedergang der CSU eingeläutet?

    Springer: Na ja, und jetzt hofft Stoiber wieder insgeheim, dass die CSU unter 50 plus X sinkt, damit er wie der Phönix aus der Wolfratshauser Asche emporsteigt, weil ich glaube, in ihm gärt das noch sehr, dass ihm Beckstein und Huber da ein Bein gelegt haben.

    Heinlein: Aber Edmund Stoiber, Herr Springer, sah doch in einer Lederhose immer aus wie verkleidet und in seinem Maßkrug soll ja Kamillentee gewesen sein. Hat er dennoch besser als Beckstein und Huber die bajuwarische Lebensart verkörpert?

    Springer: Das ist ja gerade die Crux, dass man sich jahrelang, gerade wir Kabarettisten uns über den Stoiber lustig gemacht haben und da auch große Teile des Volkes hinter uns hatten. Jetzt ist man in einer Zeit angelangt, wo man sich den Stoiber fast schon wieder zurücksehnt. So schlimm sind die Verhältnisse im Moment in Bayern, wenn der jetzige Ministerpräsident schon sagt - und das hat ja nichts mit der Wiesn zu tun -, dass man mit zwei Maß Bier intus noch Autofahren darf.

    Heinlein: Dazu kam ja der Dirndl-Streit um seine Frau. Hat dies der CSU geschadet bei den Wählern?

    Springer: Ich glaube schon, weil die Wahl, sagt man immer in Bayern, wird in Oberbayern entschieden und der Beckstein ist Franke, eh schon ein bisschen unbeliebt, und jetzt kommt der auch noch ohne Tracht und ohne irgendwas daher. Das schadet schon ein bisschen. Das kratzt am Image.

    Heinlein: Hat also ein Franke wie Günther Beckstein es schwerer, alle bayerischen Landsmannschaften - es sind, glaube ich, vier - hinter sich zu versammeln?

    Springer: Das auf jeden Fall. Man hat es halt versucht, aber es liegt auch daran, dass man keine einzelne starke Figur an der Spitze hat. Die CSU-Spitze und der Ministerpräsident, das war ja oft eines, Strauß und Stoiber. Jetzt hat man ein Führungstandem und die Bayern sagen, na ja, für was denn zwei Leute, das haben wir ja nie gebraucht.

    Heinlein: Und Stoiber hatte auch ein Arbeitsmotto, einen Spruch: Laptop und Lederhose. Fehlt da ein ähnliches Motto bei Beckstein und Huber?

    Springer: Im Moment sagt man über Beckstein hier am Oktoberfest, "zwei Maß und ohne Dirndl". Viele sagen schon, wenn er jetzt stürzt, der Beckstein, dann darf er vielleicht gerade noch "first Lady" in Bayern machen.

    Heinlein: Die CSU hatte es - Sie sagen es - schwer. Beckstein hatte es schwer, ein zündendes Wahlkampfthema zu finden. Da gab es einiges, was er versucht hat: Pendlerpauschale und so weiter. Geht es denn in Bayern einfach zu gut?

    Springer: Das weiß ich nicht. Wenn Sie mich persönlich fragen: ich bin in der Früh jetzt vielleicht müde und ansonsten geht es uns natürlich schon gut. Aber das Problem ist ja europaweit. Es herrscht ja überall Führungsschwäche: in Italien der Berlusconi, Frankreich Sarkozy, ein korrupter Milliardär und in Frankreich ein sexgeiler Zwerg. Und für uns Bayern hat es halt bloß für ein Tandem gelangt, für ein altes Fahrrad.

    Heinlein: Aber aus Dankbarkeit wählt dann niemand dieses Tandem?

    Springer: Na ja, der bayerische Wähler ist jetzt wie ein trotziges Kind. Er ist böse geworden und er hat gemerkt, hoppla, auf diesem Wahlzettel da stehen ja noch andere drauf, und jetzt ist er unberechenbar geworden. Das ist natürlich für die CSU eine ganz große Gefahr, wenn der am Sonntag plötzlich in der Wahlkabine entscheidet, jetzt mache ich einfach woanders mein Kreuz.

    Heinlein: Gibt es denn eine Wechselstimmung in Bayern, oder eher eine Denkzettelstimmung?

    Springer: Ich glaube beides. Die Denkzettelstimmung werden wir erleben, indem die kleinen Parteien verstärkt in den Landtag gewählt werden. Die Wechselstimmung ist eher innerhalb der CSU zu spüren. Es gab noch nie so viele CSUler, auch Parteimitglieder, die gegen die CSU sind in der Wahl.

    Heinlein: Eine kleine Partei wird wohl auch die SPD bleiben. Sie stagniert bei 20 Prozent. Warum haben die Genossen es so schwer, von der Schwäche der CSU zu profitieren?

    Springer: Na ja, man kennt niemanden. Man ahnt, dass es die SPD in Bayern gibt, aber außer Franz Maget, der ab und zu im Fernsehen erscheint, ist da niemand und man hat ein bisschen das Gefühl, es ist eine Ein-Mann-Partei in Bayern, und der traut man halt es nicht zu, die bayerischen Gebirgsschützen anzuführen.

    Heinlein: Also eines bleibt, Herr Springer: Einen Linksruck wird es in Bayern nicht geben?

    Springer: In Bayern nicht. Da müsste man auswandern, irgendwo anders hin, vielleicht nach Nord-Korea oder irgendwie so.

    Heinlein: Noch mal zurück zur CSU, Herr Springer. Die CSU hat ja derzeit in der Bundespolitik kaum Gewicht. Muss es krachen für den bayerischen Wähler wie bei Strauß seinerzeit, damit die Bayern ihren Landesvater ernst nehmen, damit sie mit ihm zufrieden sind?

    Springer: Ja, natürlich. Das ist dem Stoiber damals als eklatante Schwäche ausgelegt worden, als der den Rückzug gemacht hat und gesagt hat, er geht nicht nach Berlin, weil darauf war man extrem stolz, dass man in München sitzt oder am Tegernsee vor einer Maß Bier und einem Schweinsbraten und sagt, denen in Berlin, denen werden wir es schon zeigen.

    Heinlein: Und das war dann eine Niederlage, als Stoiber nicht nach Berlin ging, eine bayerische Niederlage gegen die Preußen in Berlin, und das hat geschmerzt?

    Springer: Ja, weil der Parteivorsitzende Erwin Huber hat jetzt in Berlin kaum mehr Gewicht und das will der Bayer nicht, dass er schwache Führungspersonen vorn dran hat. Er will schon ein bisschen protzen auch. Die größten Brauereirösser der Welt gibt es halt in Bayern.

    Heinlein: Und ein Verlust der CSU, ein Verlust der Macht ist auch ein Verlust für das bayerische Selbstwertgefühl?

    Springer: Es gibt ja nicht nur das CSU-Selbstwertgefühl. Ich glaube, durch einen Wechsel am Sonntag werden viele andere Bayern ein größeres Selbstwertgefühl bekommen. Man wird, glaube ich, ab Montag ein bisschen ein anderes Bayern erleben, als es die letzten 40 Jahre war.

    Heinlein: Am Sonntag wird in Bayern gewählt. Warten wir ab, wie es ausgeht. Dazu heute Morgen im Deutschlandfunk der bayerische Kabarettist und Autor Christian Springer. Vielen Dank und Servus nach München.