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Horn: Amerikaner werden mit Dollar-Abwertung drohen

Sollten die USA den Dollar abwerten, dann wird auch Deutschland massive Probleme bekommen, prognostiziert Gustav Adolf Horn von der Hans-Böckler-Stiftung. Die USA würden damit ihr eigenes Außenhandelsdefizit reduzieren - und das würde auch zu Exporteinbrüchen in Deutschland führen.

Gustav Adolf Horn im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 16.02.2013
    Jürgen Zurheide: Wir wollen uns mit dem G20-Treffen in Moskau beschäftigen. Währungskrieg, ja oder nein? Den Begriff haben wir gerade schon eingeführt, das ist das eine. Die Nervosität auf der anderen Seite ist außerordentlich hoch, denn wenn wir uns die aktuellen Währungsentwicklungen anschauen, dann sehen wir, dass der Yen schwach wird, daran hat Herr Soros eine Milliarde verdient, wie man hört. Der Goldpreis ist auch gesunken, Herr Soros hat auch da offensichtlich kräftig verdient. Und die Sorgen um die wirtschaftliche Lage der Weltwirtschaft, sie nehmen eigentlich zu.

    - Über all das wollen wir reden und ich begrüße Gustav Horn von der Hans-Böckler-Stiftung hier bei uns am Telefon, guten Morgen, Herr Horn!

    Gustav Adolf Horn: Guten Morgen!

    Zurheide: Der Begriff Währungskrieg: Herr Asmussen meint eher Nein. Wie ist Ihre Wertung heute Morgen?

    Horn: Nun, der Begriff Währungskrieg gefällt mir auch nicht. Aber man darf sich nicht täuschen: Es gibt eine knallharte Auseinandersetzung zwischen den großen Staaten der Weltwirtschaft. Denn tatsächlich gibt es ein Problem, über das zu reden wäre. Nämlich das Problem, dass einige Länder sich nicht an außenwirtschaftliche Stabilitätskriterien halten. Und zu diesen Ländern gehört eben auch insbesondere Deutschland. Und das schafft wirtschaftliche Probleme und hat tatsächlich hervorgerufen, dass es Konflikte einfach gibt zwischen den großen Staaten. Und die werden sicherlich in Moskau adressiert werden.

    Zurheide: Jetzt kommen wir auf der einen Seite mal auf Japan, das wird da immer wieder genannt. Sie bringen jetzt Deutschland ins Spiel, da geht es dann um die Frage, dass die Deutschen natürlich so viel exportieren, dass es bei anderen wieder zu Problemen führt, deshalb wollen die abwerten. Ist das der Mechanismus, den Sie gerade beschrieben haben?

    Horn: Das ist genau das, was hinter diesen Auseinandersetzungen steht. Wir haben insbesondere Deutschland und auch China, die seit Jahren außenwirtschaftlich sich nicht stabil verhalten. Das heißt, sie exportieren weitaus mehr, als sie importieren. Und diese Überschüsse, die für diese Länder tatsächlich einen Vermögenszuwachs im Ausland bedeuten, bedeuten für andere Länder einen Schuldenzuwachs im Ausland. Das geht eine ganze Weile gut und dann schafft das Probleme. Und wie diese Probleme eskalieren können, haben wir innerhalb des Euro-Raums erlebt. Und wir müssen nun feststellen, dass Deutschland zwar innerhalb des Euro-Raums diese Ungleichgewichte abgebaut hat, was ja häufig auch als Beruhigung gewertet wird, dass sie sich aber gleichzeitig auf die Länder außerhalb des Euro-Raums verlagert haben. Unsere Exporte in die USA sind im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen, also in eine Wirtschaft, die selbst noch nicht boomt und sehr viel Nachfrage entwickelt hat. Und das hat zu einem bedeutenden Ungleichgewicht geführt und das kann den USA nicht gelegen kommen!

    Zurheide: Auf der anderen Seite heißt es dann immer, na ja, wenn die Deutschen so konkurrenzfähig sind, dann müssen die anderen eben mehr tun. Das ist ja die herrschende Lehre hier bei uns. Stimmt das nicht?

    Horn: Nein, das stimmt nicht. Denn was sich daran zeigt, ist ja nicht, dass man nur besonders wettbewerbsfähig ist, sondern es zeigt sich daran, dass man diese hohe Wettbewerbsfähigkeit nicht umzuwandeln versteht in Erträge für die Menschen im Inland. Es ist ja nicht so, dass so viel exportiert wird, es wird nur zu wenig importiert, das ist das Problem. Denn wenn man diese Erträge aus den Exporten, die Erlöse, das, was man dort tatsächlich erzielt, nicht nur in Gewinnen belässt, sondern auch beispielsweise in Löhne transferiert, sodass die Menschen in dem Land sich aus diesen Exporterlösen etwas kaufen können, darunter auch eben Importgüter, dann kommt die Weltwirtschaft automatisch wieder ins Gleichgewicht. Aber dieser Prozess funktioniert weder in Japan, noch in Deutschland, noch in China.

    Zurheide: Und jetzt hören wir dann auf dieser Weltwirtschaftskonferenz, auf der G20-Konferenz der Finanzminister, dass Sparen im Mittelpunkt steht. Das ist zumindest die Ansage des deutschen Finanzministers. Aus Ihrer Sicht dann völlig falsch?

    Horn: Nun, wenn alle gleichzeitig sparen, bedeutet dies einen Belastung für die Weltwirtschaft, darüber muss man sich im Klaren sein. Sparen heißt ganz klar, man gibt weniger aus. Was für den Einzelnen in schwierigen Situationen durchaus vernünftig ist, ist, wenn alle es tun, ein gesamtwirtschaftliches Problem. Und deshalb einfach zu sagen, es müssen nur alle sparen und alles wird gut, das ist genau so sinnvoll zu sagen, wie alle müssen gleichzeitig zu einem Ausgang rennen. Und das geht schief! Deshalb fehlt mir völlig das Argument, wie denn diese Weltwirtschaft in Gang kommen soll, wieder besser in Gang kommen soll, als es ist, wie denn diese gesamtwirtschaftliche Nachfrage entstehen soll, die Absatzmöglichkeiten für alle Länder schafft, sodass alle ihren Wohlstand erhöhen können, und nicht nur Einzelne!

    Zurheide: Nun kommt an diesem Punkt immer die schwäbische Hausfrau ins Spiel. Da sagen Sie, na ja, das zieht nicht, Sie hätten gerne etwas mehr volkswirtschaftlichen Sachverstand. Aber zu viel Schulden geht auch nicht, oder?

    Horn: Das ist richtig, genau deshalb brauchen wir ja eine funktionierende und blühende Weltwirtschaft! Denn nur mit Wachstum und dann einem zurückhaltenden Staat können wir diese Schulden auch tatsächlich abbauen. Ohne Wachstum, ohne dass die Weltwirtschaft prosperiert, ohne dass Ausgaben getätigt werden, kann man auch Schulden nicht abbauen. Dann werden Schulden sogar problematisch. Wenn nämlich keine Einkommen erzielt werden, wie soll man dann die Schulden bedienen? Und dann entsteht Panik, dass die Schulden nicht bedient werden können. Und dann ziehen sich Anleger zurück. Und dann haben wir die Turbulenzen, die wir unter allen Umständen vermeiden wollen.

    Zurheide: Sie haben jetzt gerade wahrscheinlich über die Länder in der südlichen Hemisphäre in Europa gesprochen, wenn wir sehen, was in Griechenland passiert, in Italien, Spanien. Dort steigen die Zinsen unter anderem deshalb wieder, weil die Wirtschaft nicht läuft. Ist der Befund dann richtig?

    Horn: Dieser Befund ist absolut richtig! Denn Anleger werden dann nervös, wenn sie das Gefühl haben, dass der Schuldner tatsächlich seine Schulden nicht bedienen kann, wenn er keine Einnahmen mehr erzielt. Das kann Ihnen jede Bank erzählen. Wenn sie einen Hypothekarkredit haben und Sie verlieren Ihre Stelle oder Sie nehmen weniger ein als Unternehmen, dann wird die Bank nervös. Weil, sie hat zu Recht die Sorge, dass die Schulden nicht bedient werden können aus einem schrumpfenden oder stagnierenden Einkommen. Und genau das ist auch ein Prozess, der sich weltwirtschaftlich immer wieder abzeichnet, wenn Länder in solche Schwierigkeiten geraten.

    Zurheide: Nun, was wir jetzt gerade bei G20 beobachten, ist ja dann interessant: Auf der einen Seite die Amerikaner, aber auch die Briten, die durchaus noch höhere Defizite haben. Und in Europa die deutsche Dominanz, die das alles anders machen will. Was erwarten Sie jetzt von G20?

    Horn: Ich erwarte eben genau darüber einen Konflikt. Ich erwarte darüber tatsächlich auch Drohungen sicherlich vonseiten der Amerikaner, dass sie ihre Währung tatsächlich versuchen zumindest, herunterzureden. Das ist eine Drohung, die gerade eben Deutschland, vor allen Dingen eben auch Japan trifft. Denn wenn tatsächlich die Amerikaner es schaffen würden, den Dollar massiv abzuwerten, dann könnten diese beiden Länder ihre Überschüsse tatsächlich nicht mehr erzielen. Und da das sozusagen der einzige Wachstumspfeiler ist, der insbesondere in Japan im Moment funktioniert, würde das diese Wirtschaften in große Schwierigkeiten bringen. Diese Drohung ist also durchaus ernst zu nehmen in diesen Ländern. Aber besser wäre es, man bringt erst mal die Stabilität vor der eigenen Haustür in Ordnung. Stability begins at home, wie Schiller schon sagte. Das heißt, man muss es schaffen, dass Exporterlöse auch zu Erlösen in den Taschen der Menschen werden, damit auch genügend importiert werden kann und damit auch ein Beitrag zur Stabilität der Weltwirtschaft geleistet wird!

    Zurheide: Das war jetzt das Plädoyer des gewerkschaftsnahen Gustav Horn für mehr Lohnerhöhungen in Deutschland?

    Horn: Nein, das war das Plädoyer des Volkswirtes Gustav Horn für mehr Stabilität in der Weltwirtschaft. In den Ländern wie Deutschland und Japan ist dies gerade die richtige Strategie. In den Ländern, die Wettbewerbsprobleme haben, dort ist in der Tat eher Zurückhaltung bei den Löhnen angesagt, um wieder auf die Beine zu kommen, um mehr zu exportieren. Aber das ist das Problem, das sich gerade in Deutschland oder auch in Japan eben nicht stellt.

    Zurheide: Das war Gustav Horn zu G20 und den Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Herr Horn, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Horn: Gerne!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.