Silvia Engels: Auch in der 6. Verhandlungsrunde haben sich IG Metall und Arbeitgeber gestern nicht darauf einigen können, wie eine betrieblich organisierte Altersteilzeit-Lösung aussehen könnte, wenn Ende kommenden Jahres die staatliche Förderung ausläuft. Die Forderungen liegen nach wie vor weit auseinander. Die Arbeitgeber wollen nur noch Ausnahmefälle zulassen, in denen Mitarbeiter vor dem gesetzlichen Rentenalter abgefedert aus dem Berufsleben scheiden sollen; die IG Metall will dagegen die Altersteilzeit noch attraktiver machen. Nun hat es offenbar Annäherungen gegeben, doch noch keinen Durchbruch. Am Freitag soll weiter verhandelt werden. - Am Telefon ist der Vorsitzende der IG Metall Berthold Huber. Guten Morgen!
Berthold Huber: Guten Morgen Frau Engels!
Engels: Wo klemmt es denn noch?
Huber: Sie haben es ja richtig genannt: die Frage: Wer kann in Altersteilzeit gehen, wer ist besonders belastet? Da sind wir strittig mit den Arbeitgebern. Die Arbeitgeber sagen, nur diejenigen - ich mache das an einem Beispiel deutlich -, die in einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel die letzten zehn Jahre, Drei-Schicht-Arbeit gemacht haben, gearbeitet haben. Wir sind der Meinung, dass Wechselschicht auch schon für besondere Belastungen herangezogen werden muss. Dann wollen wir, dass die unteren Entgelte eine höhere Aufstockung bekommen. Das hat damit zu tun, weil ansonsten können die Leute gar nicht gehen, weil sie zu hohe Rentenabschläge haben. Das sind Punkte, wo wir gestern Abend spät Abends im Moment gescheitert sind. Jetzt müssen wir noch mal rechnen und die nächsten Tage sind sicherlich mit vielen Gesprächen verbunden.
Engels: Nun haben ja auch die Arbeitgeber betont, immer betont, dass diejenigen, die unter besonderen Belastungen gearbeitet hätten, auch künftig früher gehen können sollen, eben mit Unterstützung dann des Betriebes finanzieller Natur. Aber man ist sich da noch über Details im Unklaren.
Huber: Wir sind da schon noch ganz nett auseinander, Frau Engels, ganz einfach deswegen, weil die Arbeitgeber zwar sagen, besonders Belastete ja, die sollen verbindlich in Altersteilzeit gehen können, haben einen Anspruch darauf, aber nach der Definition der Arbeitgeber sind wir im Promillebereich und das ist keine Lösung. Wir haben sehr viele Belastete.
Engels: Sie sagen Promillebereich und Sie bleiben bei Ihrer Forderung, wonach immer fünf Prozent aller Beschäftigten in den Betrieben Altersteilzeit beantragen können.
Huber: Ja. Wir hatten ja bisher dieses Altersteilzeitgesetz, das auch weitere Fortgeltung hat. Da sind die fünf Prozent drin und die haben wir bisher ausgeschöpft, dort wo es notwendig war. Wo es nicht notwendig war, haben wir die fünf Prozent nicht ausgeschöpft. Darum geht auch die Debatte: Sind es fünf Prozent, sind es vier Prozent? Wir glauben, dass wir größere Spielräume nach oben brauchen.
Engels: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, geht es jetzt nicht um die Zahl. Das heißt, dass diese fünf Prozent nachher im Ergebnis nicht mehr stehen, wäre in Ordnung? Hauptsache die Menschen können sie nutzen, wenn sie sie brauchen.
Huber: Ja, darum geht es im Kern. Wir wollen doch auch, dass junge Leute eine Chance haben, in die Betriebe reinzukommen. Die geförderte Altersteilzeit hat ja nur dann eine Förderung ausgesprochen, wenn dafür junge Leute oder arbeitslose Kolleginnen und Kollegen reingekommen sind. Das ist doch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll. Wir haben doch über 900.000 junge Leute, die noch nie einen Betrieb von innen gesehen haben. Die müssen doch eine Chance bekommen!
Engels: Wird das denn gekoppelt in Ihrem Forderungskatalog?
Huber: Natürlich! Die staatliche Förderung war immer geknüpft an die Wiederbesetzung. Ansonsten hat es keine Förderung gegeben.
Engels: Und das wird auch so bleiben in der betrieblichen Vereinbarung?
Huber: Das ist unsere Vorstellung, ja!
Engels: Sind denn da die Arbeitgeber bei Ihnen?
Huber: Na gut, die Arbeitgeber sagen, wir wollen überhaupt keine Förderung. Deswegen wird das entsprechend teurer für die Betriebe und deswegen wollen wir die Anspruchsberechtigten entsprechend nach unten drücken. Die Arbeitgeber haben sich ja bis dato geweigert, mit uns zur Politik zu gehen, obwohl die Praktiker auf Arbeitgeberseite uns sagen, selbstverständlich brauchen wir auch in Zukunft Altersteilzeit, damit wir die Mannschaften verjüngen können.
Engels: Das klingt ja erst mal ein wenig wie ein Widerspruch, wenn natürlich die Verjüngung nicht kommt. Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf aus den Wirtschaftsreihen speziell der CDU, die angesichts steigender Lebenserwartung sagen, es sei ohnehin verantwortungslos, Arbeitnehmer in eine betrieblich subventionierte Frührente zu schicken?
Huber: Also ich weiß nicht. Da wird auch sehr viel ideologisch argumentiert. Diejenigen, die 20, 30 oder noch mehr Jahre an den Fließbändern beispielsweise gearbeitet haben, lösen doch nicht den Fachkräftemangel, den es punktuell gibt. Im Übrigen haben wir wie gesagt über 900.000 junge Leute bis 27, die auf der Straße stehen, und wir sehen unsere Verpflichtung sehr wohl darin, wenn Ältere rausgehen, Jüngere reinzunehmen, damit die auch eine zukünftige Arbeits- und damit auch Entwicklungschance haben. Was ist daran so schwierig? Da ist doch nichts schwierig! Es liegt ja auf der Hand.
Engels: Herr Huber, Sie haben jetzt mehrfach erwähnt, man müsse sich da noch über die Kosten einigen. Können Sie denn ungefähr benennen, wie teuer dieses betriebliche Modell werden würde, das Ihnen vorschwebt für die Betriebe?
Huber: Am Sonntag ist ein ursprünglich angedachtes Modell gebrochen - die Arbeitgeber haben sich dazu nicht in der Lage gesehen -, das den Betrieben größere Flexibilitäten und Spielräume gegeben hätte. Ich kann nur sagen ich verstehe es nicht. Das entzieht sich total meinen normalen Gedankengängen. Jetzt müssen wir erneut rechnen, weil Sie müssen ja sehen: Wir haben sehr unterschiedliche Belastungen, die auf die Betriebe zukommen, je nachdem wie hoch die Quote ist oder wie gering sie ist.
Engels: Haben Sie denn ungefähr einen Mittelwert?
Huber: Nein, das kann ich so nicht sagen. Das können sie nur auf Betriebsebene sagen. Wenn sie keine Altersteilzeit haben, weil sie sie nicht brauchen, dann haben sie null Belastung. Wenn sie die fünf Prozent ausnutzen, dann haben sie wahrscheinlich, wenn ich mal in den Topf greife, 0,4, 0,5, 0,6 oder 0,8.
Engels: In welcher Größe ausgedrückt?
Huber: Immer an der betrieblichen Lohnsumme ausgedrückt. Das hängt ja immer von der Struktur des jeweiligen Betriebes ab. Wir haben ja alle möglichen Gutachten machen lassen, um die Auswirkungen in den Griff zu kriegen. Wissen Sie, wenn wir einen Tarifvertrag machen, dann müssen wir den Menschen sagen können: Wenn du in Altersteilzeit gehst, bedeutet das für dich dieses und jenes. Insofern ist Akribie und Genauigkeit erforderlich, denn wir sprechen ja über Leistungen, die jeden einzelnen Menschen betreffen, der in diese Altersteilzeit reingeht.
Engels: Der Verhandler der Arbeitgeber Stefan Roell hat gestern Abend gesagt, wenn es am Freitag - das ist ja der nächste Verhandlungstermin - nicht klappen würde, dann glaubt er nicht, dass es in Baden-Württemberg überhaupt noch klappt. Sind Sie auch so skeptisch?
Huber: Da könnte man dann den Satz von Herrn Roell weiter machen. Wenn es dann in Baden-Württemberg nicht klappt, was heißt das dann? Dann heißt das, dass das Thema überläuft in die nächste Tarifrunde. Und davor kann ich die Arbeitgeber nur warnen! Dann haben wir gleich ein explosives Szenario. Deswegen war immer unsere Absicht, Altersteilzeit und die Entgeltrunde beim Lohn und Gehalt voneinander getrennt zu halten. Die Logik heißt dann ja nicht, in Baden-Württemberg findet man bei Altersteilzeit keine Lösung, sondern die Logik - und das ist den Satz von Herrn Dr. Roell zu Ende gedacht - bedeutet, dass wir schon eine sehr zugespitzte Situation haben, bevor wir Mitte Oktober überhaupt in Lohntarifverhandlungen sind, Frau Engels.
Engels: Der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Ich bedanke mich für das Gespräch!
Berthold Huber: Guten Morgen Frau Engels!
Engels: Wo klemmt es denn noch?
Huber: Sie haben es ja richtig genannt: die Frage: Wer kann in Altersteilzeit gehen, wer ist besonders belastet? Da sind wir strittig mit den Arbeitgebern. Die Arbeitgeber sagen, nur diejenigen - ich mache das an einem Beispiel deutlich -, die in einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel die letzten zehn Jahre, Drei-Schicht-Arbeit gemacht haben, gearbeitet haben. Wir sind der Meinung, dass Wechselschicht auch schon für besondere Belastungen herangezogen werden muss. Dann wollen wir, dass die unteren Entgelte eine höhere Aufstockung bekommen. Das hat damit zu tun, weil ansonsten können die Leute gar nicht gehen, weil sie zu hohe Rentenabschläge haben. Das sind Punkte, wo wir gestern Abend spät Abends im Moment gescheitert sind. Jetzt müssen wir noch mal rechnen und die nächsten Tage sind sicherlich mit vielen Gesprächen verbunden.
Engels: Nun haben ja auch die Arbeitgeber betont, immer betont, dass diejenigen, die unter besonderen Belastungen gearbeitet hätten, auch künftig früher gehen können sollen, eben mit Unterstützung dann des Betriebes finanzieller Natur. Aber man ist sich da noch über Details im Unklaren.
Huber: Wir sind da schon noch ganz nett auseinander, Frau Engels, ganz einfach deswegen, weil die Arbeitgeber zwar sagen, besonders Belastete ja, die sollen verbindlich in Altersteilzeit gehen können, haben einen Anspruch darauf, aber nach der Definition der Arbeitgeber sind wir im Promillebereich und das ist keine Lösung. Wir haben sehr viele Belastete.
Engels: Sie sagen Promillebereich und Sie bleiben bei Ihrer Forderung, wonach immer fünf Prozent aller Beschäftigten in den Betrieben Altersteilzeit beantragen können.
Huber: Ja. Wir hatten ja bisher dieses Altersteilzeitgesetz, das auch weitere Fortgeltung hat. Da sind die fünf Prozent drin und die haben wir bisher ausgeschöpft, dort wo es notwendig war. Wo es nicht notwendig war, haben wir die fünf Prozent nicht ausgeschöpft. Darum geht auch die Debatte: Sind es fünf Prozent, sind es vier Prozent? Wir glauben, dass wir größere Spielräume nach oben brauchen.
Engels: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, geht es jetzt nicht um die Zahl. Das heißt, dass diese fünf Prozent nachher im Ergebnis nicht mehr stehen, wäre in Ordnung? Hauptsache die Menschen können sie nutzen, wenn sie sie brauchen.
Huber: Ja, darum geht es im Kern. Wir wollen doch auch, dass junge Leute eine Chance haben, in die Betriebe reinzukommen. Die geförderte Altersteilzeit hat ja nur dann eine Förderung ausgesprochen, wenn dafür junge Leute oder arbeitslose Kolleginnen und Kollegen reingekommen sind. Das ist doch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll. Wir haben doch über 900.000 junge Leute, die noch nie einen Betrieb von innen gesehen haben. Die müssen doch eine Chance bekommen!
Engels: Wird das denn gekoppelt in Ihrem Forderungskatalog?
Huber: Natürlich! Die staatliche Förderung war immer geknüpft an die Wiederbesetzung. Ansonsten hat es keine Förderung gegeben.
Engels: Und das wird auch so bleiben in der betrieblichen Vereinbarung?
Huber: Das ist unsere Vorstellung, ja!
Engels: Sind denn da die Arbeitgeber bei Ihnen?
Huber: Na gut, die Arbeitgeber sagen, wir wollen überhaupt keine Förderung. Deswegen wird das entsprechend teurer für die Betriebe und deswegen wollen wir die Anspruchsberechtigten entsprechend nach unten drücken. Die Arbeitgeber haben sich ja bis dato geweigert, mit uns zur Politik zu gehen, obwohl die Praktiker auf Arbeitgeberseite uns sagen, selbstverständlich brauchen wir auch in Zukunft Altersteilzeit, damit wir die Mannschaften verjüngen können.
Engels: Das klingt ja erst mal ein wenig wie ein Widerspruch, wenn natürlich die Verjüngung nicht kommt. Was sagen Sie denn zu dem Vorwurf aus den Wirtschaftsreihen speziell der CDU, die angesichts steigender Lebenserwartung sagen, es sei ohnehin verantwortungslos, Arbeitnehmer in eine betrieblich subventionierte Frührente zu schicken?
Huber: Also ich weiß nicht. Da wird auch sehr viel ideologisch argumentiert. Diejenigen, die 20, 30 oder noch mehr Jahre an den Fließbändern beispielsweise gearbeitet haben, lösen doch nicht den Fachkräftemangel, den es punktuell gibt. Im Übrigen haben wir wie gesagt über 900.000 junge Leute bis 27, die auf der Straße stehen, und wir sehen unsere Verpflichtung sehr wohl darin, wenn Ältere rausgehen, Jüngere reinzunehmen, damit die auch eine zukünftige Arbeits- und damit auch Entwicklungschance haben. Was ist daran so schwierig? Da ist doch nichts schwierig! Es liegt ja auf der Hand.
Engels: Herr Huber, Sie haben jetzt mehrfach erwähnt, man müsse sich da noch über die Kosten einigen. Können Sie denn ungefähr benennen, wie teuer dieses betriebliche Modell werden würde, das Ihnen vorschwebt für die Betriebe?
Huber: Am Sonntag ist ein ursprünglich angedachtes Modell gebrochen - die Arbeitgeber haben sich dazu nicht in der Lage gesehen -, das den Betrieben größere Flexibilitäten und Spielräume gegeben hätte. Ich kann nur sagen ich verstehe es nicht. Das entzieht sich total meinen normalen Gedankengängen. Jetzt müssen wir erneut rechnen, weil Sie müssen ja sehen: Wir haben sehr unterschiedliche Belastungen, die auf die Betriebe zukommen, je nachdem wie hoch die Quote ist oder wie gering sie ist.
Engels: Haben Sie denn ungefähr einen Mittelwert?
Huber: Nein, das kann ich so nicht sagen. Das können sie nur auf Betriebsebene sagen. Wenn sie keine Altersteilzeit haben, weil sie sie nicht brauchen, dann haben sie null Belastung. Wenn sie die fünf Prozent ausnutzen, dann haben sie wahrscheinlich, wenn ich mal in den Topf greife, 0,4, 0,5, 0,6 oder 0,8.
Engels: In welcher Größe ausgedrückt?
Huber: Immer an der betrieblichen Lohnsumme ausgedrückt. Das hängt ja immer von der Struktur des jeweiligen Betriebes ab. Wir haben ja alle möglichen Gutachten machen lassen, um die Auswirkungen in den Griff zu kriegen. Wissen Sie, wenn wir einen Tarifvertrag machen, dann müssen wir den Menschen sagen können: Wenn du in Altersteilzeit gehst, bedeutet das für dich dieses und jenes. Insofern ist Akribie und Genauigkeit erforderlich, denn wir sprechen ja über Leistungen, die jeden einzelnen Menschen betreffen, der in diese Altersteilzeit reingeht.
Engels: Der Verhandler der Arbeitgeber Stefan Roell hat gestern Abend gesagt, wenn es am Freitag - das ist ja der nächste Verhandlungstermin - nicht klappen würde, dann glaubt er nicht, dass es in Baden-Württemberg überhaupt noch klappt. Sind Sie auch so skeptisch?
Huber: Da könnte man dann den Satz von Herrn Roell weiter machen. Wenn es dann in Baden-Württemberg nicht klappt, was heißt das dann? Dann heißt das, dass das Thema überläuft in die nächste Tarifrunde. Und davor kann ich die Arbeitgeber nur warnen! Dann haben wir gleich ein explosives Szenario. Deswegen war immer unsere Absicht, Altersteilzeit und die Entgeltrunde beim Lohn und Gehalt voneinander getrennt zu halten. Die Logik heißt dann ja nicht, in Baden-Württemberg findet man bei Altersteilzeit keine Lösung, sondern die Logik - und das ist den Satz von Herrn Dr. Roell zu Ende gedacht - bedeutet, dass wir schon eine sehr zugespitzte Situation haben, bevor wir Mitte Oktober überhaupt in Lohntarifverhandlungen sind, Frau Engels.
Engels: Der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Ich bedanke mich für das Gespräch!