Christiane Kaess: 100.000 Besucher werden erwartet beim 31. Evangelischen Kirchentag, der in Köln stattfindet. Die Evangelische Kirche steht seit längerem in einem Reformprozess, der nicht unumstritten ist. Das zentrale Impulspapier "Kirche der Freiheit" formuliert langfristige Ziele. Auf den sinkenden Mitgliederschwund will man mit ausstrahlungsstarken, so heißt es, Begegnungsorten reagieren. Der Verschlankungsprozess sieht auch weniger Landeskirchen vor und will zugleich nach neuen Einnahmequellen suchen. Am Telefon ist jetzt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Guten Morgen.
Wolfgang Huber: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Herr Huber, "lebendig, kräftig und schärfer", so heißt die Überschrift des Kirchentages, das Symboltier ist ein Haifisch. Was steckt dahinter?
Huber: Dahinter steckt, dass im Neuen Testament im Hebräerbrief eine wunderbare Stelle ist, über die gestern auch gepredigt worden ist, dass das Wort Gottes lebendig und kräftig und schärfer ist, also ein Impuls aus dem Wort Gottes, aus dem Evangelium, das Christen dazu befähigt, selbstbewusst ihre Kirche zu gestalten und in die Gesellschaft hineinzuwirken. Das verbindet sich mit einem der Grundsymbole des christlichen Glaubens. Der Fisch steht für die Abkürzung des Namens Jesus Christus, der Sohn Gottes und Retter. Wenn man diese Buchstaben zusammennimmt, dann ergibt es genau das griechische Wort Fisch. Und um einen Widerhaken da hinein zu tun, hat man eine Haifischflosse hinzugefügt. Nun war es ja gestern Abend wunderbar, den Fisch über dem Rhein zu sehen als ein großartiges Symbol für die Eröffnung dieses Kirchentages.
Kaess: Geht es mit dieser Symbolik auf dem Kirchentag auch um eine Richtungsbestimmung vor dem Hintergrund des Reformprozesses?
Huber: Der Reformprozess wird ganz bestimmt auch in den Diskussionen dieses Kirchentages eine Rolle spielen. Und es ist ja schon immer so gewesen, dass der Kirchentag eine Bewegung in der Evangelischen Kirche ist, eine von Laien, von Christen im Alltag ihres Lebens getragene und geprägte Bewegung. Gerade hier in Köln ist vor 42 Jahren eine große Kirchenreformbewegung ausgegangen. Ich freue mich darüber, dass wir daran anknüpfen.
Aber der Kirchentag wird nicht eine Kirche zeigen, die nach innen gewandt und nur mit sich selber beschäftigt ist. Es geht darum, in dieser Gesellschaft Position zu beziehen und zu den großen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft aus dem christlichen Glauben heraus Leitlinien zu entwickeln.
Kaess: Das umstrittene Papier "Kirche der Freiheit" fordert ja von den Mitarbeitern und den Mitgliedern einen Mentalitätswechsel. Es gehe künftig um "geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität", so heißt es. Nun sind auf dem Kirchentag 3.000 Veranstaltungen, die dort stattfinden. Viele davon haben so etwas wie einen Eventcharakter. Widerspricht das denn der geistlichen Profilierung?
Huber: Der Kirchentag ist eine Veranstaltung, die ganz auf aktive Beteiligung gesetzt ist. Und wenn von 3.000 Veranstaltungen die Rede ist, dann sind darunter viele Veranstaltungen, bei denen Gruppen, die zum Kirchentag kommen, Initiativbewegungen, selber ihre Ziele und Vorhaben vorstellen. Das gehört ganz und gar in den Kern des Kirchentags. Sicher gibt es auch, wie Sie sagen, Eventveranstaltungen. Es gibt Veranstaltungen, die auch am Rande dessen sind, was ich für das Zentrum des Kirchentags ansehen würde. Aber die Gottesdienste, die Bibelarbeiten, die großen Foren werden das Bild dieses Kirchentages prägen und bestimmen. Und die werden ganz und gar vom Zentrum der Losung ,des Themas, der Aufgaben hier gedacht sein.
Kaess: Noch einmal zu dem Kern des Reformprozesses: Sie haben selbst viel Kritik dafür erfahren, für Ihre Rolle in diesem Reformprozess. Der spreche die Sprache der Betriebswirte, sei ungerecht zu den Pfarrern und zu den kleinen Landeskirchen, so die Vorwürfe. Können Sie diese Kritik verstehen?
Huber: Ich glaube, wenn man einen solchen Vorstoß macht, dann kommt der überhaupt nur bei den Menschen an, wenn er auch kontrovers diskutiert wird. Wenn das ein zahnloses Papier wäre, dann hätte es keine Wirkung. Aber wenn Sie sich daran erinnern, mit welchem Nachdruck der Reformaufgabe zugestimmt worden ist, vor allem auf dem großen Zukunftskongress, den wir Ende Januar in Wittenberg durchgeführt haben, in der Stadt der Reformation, dann ist ganz deutlich: die Aufgabe nun, Reformen in Gang zu bringen, wird im deutschen Protestantismus bejaht.
Das aufregende Ereignis des Jahres 2007 besteht darin, dass viele Landeskirchen diese Reformaufgabe übernommen und sich zu eigen gemacht haben. Einzelne Landeskirchen bilden jetzt bestimmte Schwerpunke, wo sie Pilotprojekte entwickeln wollen, die dann stellvertretend für alle Landeskirchen durchgeführt und in andere Landeskirchen übertragen werden. Das ist das, was jetzt in Gang kommt.
Und dass man sich daran gestört hat, dass für einzelne Reformprozesse auch quantitative Ziele angegeben worden sind, das ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, denn quantitative Ziele sind anstrengend, denen kann man nicht ausweichen. Und dass wir eine klärende Diskussion darüber gehabt haben, wie wir mit den Landeskirchen weitergehen, dass es da Korrekturen an den Vorgaben des Reformpapiers gegeben hat, das bejahe ich ganz und gar, denn das war wirklich ein Impulspapier. Das war nicht ein Blueprint, ein Masterplan, der nun umgesetzt werden soll, sondern ein Anstoß, der von den verschiedenen Landeskirchen auf unterschiedliche Weise aufgegriffen wird.
Kaess: Rechnen Sie denn für den Kirchentag noch mal mit Konflikten in dieser Richtung?
Huber: Es wird sicher Konflikte zu einzelnen Themen geben, aber ich rechne nicht damit, dass irgendjemand auftreten wird und sagen wird, dieser Reformprozess muss gestoppt werden. Im Gegenteil, ich rechne damit, dass Köln eine weitere Verstärkung dieser Entwicklung mit sich bringen wird.
Kaess: Der Ort Köln, an dem der Kirchentag stattfindet, da drängt sich ja ganz schnell der Vergleich mit dem Weltjugendtag und dem Papstbesuch auf. Haben Sie bedenken, dass der Evangelische Kirchentag da nicht mithalten könnte?
Huber: Diese Bedenken hatte ich nie, und seit gestern Abend sind sie ganz bestimmt zerstreut.
Kaess: Warum?
Huber: Der Kirchentag ist ein großes Ereignis, das eine ungeheure Anziehungskraft hat. Unübersehbar war die Menschenmenge auf beiden Seiten des Rheins, unübersehbar war die Menschenmenge bei dem Eröffnungsgottesdienst auf den Rheinwiesen. Das ist ein großes Ereignis, mit auch einer großen Symbolkraft. Der Unterschied ist: Die Katholische Kirche konzentriert sich ganz auf eine Person, den Papst. Die Evangelische Kirche ist vielgestaltig und konzentriert sich ganz auf das eine Evangelium und sagt nicht, dass ein einzelner Mensch der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden ist. Wir alle sind Stellvertreter.
Kaess: Aber hat es die Katholische Kirche leichter, für eindeutige Grundsätze zu stehen, so wie Sie jetzt im Reformprozess für die Evangelische Kirche anstreben?
Huber: Ja, aber wir wollen möglichst viele Menschen mitnehmen. Deswegen nehmen wir auch die Mühe auf uns, zu überzeugen und möglichst viele Diskussionsprozesse in Gang zu setzen, damit die Bewegung tatsächlich die Basis der Gemeinden erreicht.
Kaess: Sie haben mal gesagt, es sollte nicht länger als typisch protestantisch gelten, dass die spirituelle Leidenschaft vernachlässigt wird. Ist das ein Zugeständnis an den Zeitgeist, der ja offensichtlich wieder mehr Spiritualität sucht?
Huber: Nicht alles, was zu einem bestimmten Zeitpunkt nach vorne drängt, ist einfach Ausdruck des Zeitgeistes. Spiritualität ist ein Grundmerkmal des christlichen Glaubens von Anfang an, also über 2.000 Jahre. Und wenn in einer sehr auf gesellschaftliche Verantwortung drängenden Phase des Protestantismus dieser Aspekt etwas in den Hintergrund getreten ist, dann ist es gut, es wieder deutlicher bewusst zu machen. Der Kirchentag übrigens war immer ein Ort von Spiritualität. Frömmigkeit und Weltverantwortung waren im Kirchentag über die ganzen Jahre immer eng miteinander verbunden. Deswegen ist auch der Kirchentag der richtige Ort, um über Spiritualität zu reden.
Kaess: Köln ist ja auch traditionell katholisch. Wie sind Sie denn empfangen worden, und was lässt das für die Ökumene schließen?
Huber: Ich würde sagen, Köln ist traditionell ökumenisch. Evangelische Christen haben hier schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Die besondere Präsenz des Islam in der Stadt Köln spielt eine Rolle. All das spüren wir jetzt. Ein gutes ökumenisches Miteinander prägt den Kirchentag. Dieses gute Miteinander ist getragen von den Gemeinden. Gestern Abend hat Kardinal Meisner sich zum Sprecher dieses guten Miteinanders gemacht. Das war sehr erfreulich und ermutigend.
Kaess: Ein Thema wird auch sein der Dialog mit dem Islam. Da ist das Verhältnis gerade etwas belastet. Es gibt auf dem Kirchentag ein Begegnungszentrum und Gespräche mit Vertretern der Muslime. Was erwarten Sie da?
Huber: Ich erwarte Klarheit und gute Nachbarschaft. So heißt der Titel der Handreichung, die wir als Evangelische Kirche in Deutschland vor einem halben Jahr zu dem Thema veröffentlich haben.
Kaess: Und die sehr kritisiert wurde.
Huber: Ja, das versuchen wir jetzt Schritt für Schritt umzusetzen. Klarheit und gute Nachbarschaft heißt zunächst einmal, gute gemeinsame Erfahrungen deutlich in Erinnerung zu rufen, aber dann auch um die großen Fragen und Herausforderungen zu ringen. Ich werde heute Morgen im Rahmen dieser Diskussion zur Religionsfreiheit zu reden haben. Und dann muss natürlich auch zur Sprache kommen, dass wir uns wünschen, dass wir darauf drängen, dass auch in muslimisch, in islamisch geprägten Ländern die Religionsfreiheit von Christen besser geachtet und gewürdigt wird als das gegenwärtig der Fall ist, wo wir mit Morden an Christen zu tun haben, denen verwehrt wird, dass sie ihren christlichen Glauben bekennen und bezeugen.
Wolfgang Huber: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Herr Huber, "lebendig, kräftig und schärfer", so heißt die Überschrift des Kirchentages, das Symboltier ist ein Haifisch. Was steckt dahinter?
Huber: Dahinter steckt, dass im Neuen Testament im Hebräerbrief eine wunderbare Stelle ist, über die gestern auch gepredigt worden ist, dass das Wort Gottes lebendig und kräftig und schärfer ist, also ein Impuls aus dem Wort Gottes, aus dem Evangelium, das Christen dazu befähigt, selbstbewusst ihre Kirche zu gestalten und in die Gesellschaft hineinzuwirken. Das verbindet sich mit einem der Grundsymbole des christlichen Glaubens. Der Fisch steht für die Abkürzung des Namens Jesus Christus, der Sohn Gottes und Retter. Wenn man diese Buchstaben zusammennimmt, dann ergibt es genau das griechische Wort Fisch. Und um einen Widerhaken da hinein zu tun, hat man eine Haifischflosse hinzugefügt. Nun war es ja gestern Abend wunderbar, den Fisch über dem Rhein zu sehen als ein großartiges Symbol für die Eröffnung dieses Kirchentages.
Kaess: Geht es mit dieser Symbolik auf dem Kirchentag auch um eine Richtungsbestimmung vor dem Hintergrund des Reformprozesses?
Huber: Der Reformprozess wird ganz bestimmt auch in den Diskussionen dieses Kirchentages eine Rolle spielen. Und es ist ja schon immer so gewesen, dass der Kirchentag eine Bewegung in der Evangelischen Kirche ist, eine von Laien, von Christen im Alltag ihres Lebens getragene und geprägte Bewegung. Gerade hier in Köln ist vor 42 Jahren eine große Kirchenreformbewegung ausgegangen. Ich freue mich darüber, dass wir daran anknüpfen.
Aber der Kirchentag wird nicht eine Kirche zeigen, die nach innen gewandt und nur mit sich selber beschäftigt ist. Es geht darum, in dieser Gesellschaft Position zu beziehen und zu den großen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft aus dem christlichen Glauben heraus Leitlinien zu entwickeln.
Kaess: Das umstrittene Papier "Kirche der Freiheit" fordert ja von den Mitarbeitern und den Mitgliedern einen Mentalitätswechsel. Es gehe künftig um "geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität", so heißt es. Nun sind auf dem Kirchentag 3.000 Veranstaltungen, die dort stattfinden. Viele davon haben so etwas wie einen Eventcharakter. Widerspricht das denn der geistlichen Profilierung?
Huber: Der Kirchentag ist eine Veranstaltung, die ganz auf aktive Beteiligung gesetzt ist. Und wenn von 3.000 Veranstaltungen die Rede ist, dann sind darunter viele Veranstaltungen, bei denen Gruppen, die zum Kirchentag kommen, Initiativbewegungen, selber ihre Ziele und Vorhaben vorstellen. Das gehört ganz und gar in den Kern des Kirchentags. Sicher gibt es auch, wie Sie sagen, Eventveranstaltungen. Es gibt Veranstaltungen, die auch am Rande dessen sind, was ich für das Zentrum des Kirchentags ansehen würde. Aber die Gottesdienste, die Bibelarbeiten, die großen Foren werden das Bild dieses Kirchentages prägen und bestimmen. Und die werden ganz und gar vom Zentrum der Losung ,des Themas, der Aufgaben hier gedacht sein.
Kaess: Noch einmal zu dem Kern des Reformprozesses: Sie haben selbst viel Kritik dafür erfahren, für Ihre Rolle in diesem Reformprozess. Der spreche die Sprache der Betriebswirte, sei ungerecht zu den Pfarrern und zu den kleinen Landeskirchen, so die Vorwürfe. Können Sie diese Kritik verstehen?
Huber: Ich glaube, wenn man einen solchen Vorstoß macht, dann kommt der überhaupt nur bei den Menschen an, wenn er auch kontrovers diskutiert wird. Wenn das ein zahnloses Papier wäre, dann hätte es keine Wirkung. Aber wenn Sie sich daran erinnern, mit welchem Nachdruck der Reformaufgabe zugestimmt worden ist, vor allem auf dem großen Zukunftskongress, den wir Ende Januar in Wittenberg durchgeführt haben, in der Stadt der Reformation, dann ist ganz deutlich: die Aufgabe nun, Reformen in Gang zu bringen, wird im deutschen Protestantismus bejaht.
Das aufregende Ereignis des Jahres 2007 besteht darin, dass viele Landeskirchen diese Reformaufgabe übernommen und sich zu eigen gemacht haben. Einzelne Landeskirchen bilden jetzt bestimmte Schwerpunke, wo sie Pilotprojekte entwickeln wollen, die dann stellvertretend für alle Landeskirchen durchgeführt und in andere Landeskirchen übertragen werden. Das ist das, was jetzt in Gang kommt.
Und dass man sich daran gestört hat, dass für einzelne Reformprozesse auch quantitative Ziele angegeben worden sind, das ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, denn quantitative Ziele sind anstrengend, denen kann man nicht ausweichen. Und dass wir eine klärende Diskussion darüber gehabt haben, wie wir mit den Landeskirchen weitergehen, dass es da Korrekturen an den Vorgaben des Reformpapiers gegeben hat, das bejahe ich ganz und gar, denn das war wirklich ein Impulspapier. Das war nicht ein Blueprint, ein Masterplan, der nun umgesetzt werden soll, sondern ein Anstoß, der von den verschiedenen Landeskirchen auf unterschiedliche Weise aufgegriffen wird.
Kaess: Rechnen Sie denn für den Kirchentag noch mal mit Konflikten in dieser Richtung?
Huber: Es wird sicher Konflikte zu einzelnen Themen geben, aber ich rechne nicht damit, dass irgendjemand auftreten wird und sagen wird, dieser Reformprozess muss gestoppt werden. Im Gegenteil, ich rechne damit, dass Köln eine weitere Verstärkung dieser Entwicklung mit sich bringen wird.
Kaess: Der Ort Köln, an dem der Kirchentag stattfindet, da drängt sich ja ganz schnell der Vergleich mit dem Weltjugendtag und dem Papstbesuch auf. Haben Sie bedenken, dass der Evangelische Kirchentag da nicht mithalten könnte?
Huber: Diese Bedenken hatte ich nie, und seit gestern Abend sind sie ganz bestimmt zerstreut.
Kaess: Warum?
Huber: Der Kirchentag ist ein großes Ereignis, das eine ungeheure Anziehungskraft hat. Unübersehbar war die Menschenmenge auf beiden Seiten des Rheins, unübersehbar war die Menschenmenge bei dem Eröffnungsgottesdienst auf den Rheinwiesen. Das ist ein großes Ereignis, mit auch einer großen Symbolkraft. Der Unterschied ist: Die Katholische Kirche konzentriert sich ganz auf eine Person, den Papst. Die Evangelische Kirche ist vielgestaltig und konzentriert sich ganz auf das eine Evangelium und sagt nicht, dass ein einzelner Mensch der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden ist. Wir alle sind Stellvertreter.
Kaess: Aber hat es die Katholische Kirche leichter, für eindeutige Grundsätze zu stehen, so wie Sie jetzt im Reformprozess für die Evangelische Kirche anstreben?
Huber: Ja, aber wir wollen möglichst viele Menschen mitnehmen. Deswegen nehmen wir auch die Mühe auf uns, zu überzeugen und möglichst viele Diskussionsprozesse in Gang zu setzen, damit die Bewegung tatsächlich die Basis der Gemeinden erreicht.
Kaess: Sie haben mal gesagt, es sollte nicht länger als typisch protestantisch gelten, dass die spirituelle Leidenschaft vernachlässigt wird. Ist das ein Zugeständnis an den Zeitgeist, der ja offensichtlich wieder mehr Spiritualität sucht?
Huber: Nicht alles, was zu einem bestimmten Zeitpunkt nach vorne drängt, ist einfach Ausdruck des Zeitgeistes. Spiritualität ist ein Grundmerkmal des christlichen Glaubens von Anfang an, also über 2.000 Jahre. Und wenn in einer sehr auf gesellschaftliche Verantwortung drängenden Phase des Protestantismus dieser Aspekt etwas in den Hintergrund getreten ist, dann ist es gut, es wieder deutlicher bewusst zu machen. Der Kirchentag übrigens war immer ein Ort von Spiritualität. Frömmigkeit und Weltverantwortung waren im Kirchentag über die ganzen Jahre immer eng miteinander verbunden. Deswegen ist auch der Kirchentag der richtige Ort, um über Spiritualität zu reden.
Kaess: Köln ist ja auch traditionell katholisch. Wie sind Sie denn empfangen worden, und was lässt das für die Ökumene schließen?
Huber: Ich würde sagen, Köln ist traditionell ökumenisch. Evangelische Christen haben hier schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Die besondere Präsenz des Islam in der Stadt Köln spielt eine Rolle. All das spüren wir jetzt. Ein gutes ökumenisches Miteinander prägt den Kirchentag. Dieses gute Miteinander ist getragen von den Gemeinden. Gestern Abend hat Kardinal Meisner sich zum Sprecher dieses guten Miteinanders gemacht. Das war sehr erfreulich und ermutigend.
Kaess: Ein Thema wird auch sein der Dialog mit dem Islam. Da ist das Verhältnis gerade etwas belastet. Es gibt auf dem Kirchentag ein Begegnungszentrum und Gespräche mit Vertretern der Muslime. Was erwarten Sie da?
Huber: Ich erwarte Klarheit und gute Nachbarschaft. So heißt der Titel der Handreichung, die wir als Evangelische Kirche in Deutschland vor einem halben Jahr zu dem Thema veröffentlich haben.
Kaess: Und die sehr kritisiert wurde.
Huber: Ja, das versuchen wir jetzt Schritt für Schritt umzusetzen. Klarheit und gute Nachbarschaft heißt zunächst einmal, gute gemeinsame Erfahrungen deutlich in Erinnerung zu rufen, aber dann auch um die großen Fragen und Herausforderungen zu ringen. Ich werde heute Morgen im Rahmen dieser Diskussion zur Religionsfreiheit zu reden haben. Und dann muss natürlich auch zur Sprache kommen, dass wir uns wünschen, dass wir darauf drängen, dass auch in muslimisch, in islamisch geprägten Ländern die Religionsfreiheit von Christen besser geachtet und gewürdigt wird als das gegenwärtig der Fall ist, wo wir mit Morden an Christen zu tun haben, denen verwehrt wird, dass sie ihren christlichen Glauben bekennen und bezeugen.