Archiv


Huberty: Charakter der Sportschau ist geblieben

Die "Sportschau" sei auch nach 50 Jahren auf Spielberichte konzentriert, sagt Ernst Huberty, langjähriger Moderator und Redaktionschef der Sendung. Das Drumherum spiele, anders als bei Liveübertragungen, fast gar keine Rolle.

Ernst Huberty im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Heute genau vor 50 Jahren, am 4. Juni 1961 um 18:00 Uhr, da hat alles begonnen, da hat die "Sportschau" begonnen, und seither heißt es samstags, 18:00 Uhr, das ist "Sportschau"-Zeit. Denn die Bundesliga, die Fußballbundesliga, wurde erst zwei Jahre später begründet, und das beides hängt natürlich eng zusammen, die "Sportschau" und der Fußball, ganz besonders der Fußball natürlich in dieser "Sportschau". Wir wollen mal zurückblicken und wir wollen mit demjenigen reden, der bis heute Mister Sportschau überhaupt ist: Ernst Huberty, langjähriger Moderator, Redaktionschef, jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Huberty!

    Ernst Huberty: Guten Morgen!

    Zurheide: Herr Huberty, "Sportschau" war das früher, zu der Zeit, als Sie Verantwortung getragen haben, Sport und Schau, das beides ist im Wort. Wenn wir uns das heute anschauen, egal wo, sowohl in der ARD, aber auch anderswo, hat man den Eindruck, die Show steht etwas im Vordergrund. Ist das eine Beobachtung, die Sie auch machen?

    Huberty: Also sie ist natürlich gewachsen, die Show, das ist ganz klar. Wir konnten gar keine Show machen, wir waren überhaupt froh, wenn wir ein paar Bilder hatten, denn die Zeit war ja eine Schwarz-Weiß-Zeit. Wir mussten mit Film arbeiten, der Film hatte nicht mal eine Tonspur, wir mussten also eine Tonschleife noch zudem fahren. Wir hatten eine Kamera im Stadion, und das war ein Experiment, jeweils das Material wieder ins Studio zu bekommen. Also das waren Pionierzeiten.

    Zurheide: In der Tat, man erinnert sich: Damals waren Motorradfahrer unterwegs, ich erinnere mich, als junger Journalist habe ich so was auch hin und wieder gemacht, das haben Sie gar nicht mitgekriegt, dann habe ich auch mal gehört, Helikopter wurden eingesetzt, damit man überhaupt das Material im Studio hatte. Das heißt, die technischen Rahmenbedingungen haben alles andere überlagert. Ist das lange so gewesen?

    Huberty: Ja, die Technik ist also mit uns gewachsen, so möchte ich mal sagen. Wir haben ja – ich sagte es schon – schwarz-weiß begonnen, und der DFB hat uns nur Ausschnitte aus zwei Spielen erlaubt. Und als die Bundesliga kam, dann zwei Jahre später, blieb es bei zwei Spielausschnitten. Trotzdem – und darauf sind wir ganz stolz – haben wir jedes mal zwischen 10 und 15 Millionen Zuschauer gehabt, das heißt also, die "Sportschau" hat sich ihre Sympathien erarbeiten müssen.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal zurück auf den Aspekt, den ich gerade schon mal angesprochen habe: Natürlich mit der technischen Entwicklung hat es dann auch eine Entwicklung oder Veränderungen der Inhalte gegeben. Ist es so falsch, wenn ich heute beobachte, dass sozusagen das Drumherum fast manchmal im Vordergrund steht? Wir haben die Spiele und die Spielszenen, aber wir haben dann unendlich viele Gespräche, Kommentare, Vorher-Nachher ... Wie beobachten Sie das eigentlich, brauchen wir das?

    Huberty: Ja, da muss man unterscheiden, also die "Sportschau" hat das mit Sicherheit nicht, weil die "Sportschau" ganz wie in alten Zeiten konzentriert ist auf den Spielbericht, und das Drumherum spielt fast gar keine Rolle. Was anderes ist bei Liveübertragungen, da haben Sie natürlich recht, da wird stundenlang vor- und nachgearbeitet. Aber in der "Sportschau" selbst, die Jubiläum feiert, ist der Charakter geblieben.

    Zurheide: Aber insgesamt, wenn man sich den Fußball auch anschaut, auch die Berichterstattung: Ist nicht da eine Veränderung sozusagen, das Berichten ist das eine ... Ich habe gestern noch mal mit einem der Reporter gesprochen – ich lasse mal den Namen jetzt weg –, der sagt, na ja heute verkauft man fast ein Produkt, weil, wenn ein Spiel zum Beispiel schlecht ist, dann heißt es, na ja, musstest du denn sagen, dass es ganz so schlecht war, wenn dann Bochum gegen Cottbus – ohne die beiden jetzt besonders hervorheben zu wollen – eben nicht so doll war, dann sagt man das eben nicht, also da ist das Glas immer halb voll und nie halb leer. Beobachten Sie so was?

    Huberty: Also ich kann ja nur für die "Sportschau" sprechen, ich will die anderen Kollegen nicht nur kritisieren oder irgendetwas. Nur, ich glaube, dass wir schon in der Wahrheitsfindung recht vorne liegen. Also ich kenne keinen Kollegen, der ein Spiel verschönt. Natürlich wird jedes Spiel, das zusammengeschnitten wird, interessanter und spannender, als wenn man 90 Minuten zeigt, wenn es schwach ist. Aber fünf, sechs Minuten gibt es immer, die man ansehen kann.

    Zurheide: Jetzt ist das natürlich im Fernsehen noch etwas zurückhaltender. Aber im Radio bei den Kollegen beobachtet man so eine größere Begeisterung, da wird dann jedes Tor zu einem ganz besonderen Ereignis – ich sage es jetzt bewusst – hochstilisiert. Sie galten ja und gelten bis heute eigentlich als jemand, der zwar Emotionen zeigt, aber ich sag mal gebremst. Richtige Beobachtung?

    Huberty: Also für mich gilt, dass ich im Hörfunk also sehr gebremst war, da haben Sie recht. Ich habe die Zuschauer jubeln lassen. Meine Aufgabe ist weder zu schreien, noch zu jubeln, denn jemandem tut man immer weh, wenn es so ist. Nein, also die Hörfunkleute müssen natürlich Emotion zeigen, denn sie müssen das Bild ja aufbauen, das wir Fernsehleute haben, und das ist ja gar nicht so einfach. Und der Zuschauer nimmt ja auch immer die Schaltkonferenz beim Fußball ganz ordentlich an.

    Zurheide: Früher war es undenkbar, dass man sich auf dem Sender geduzt hat, heute ist das normal geworden. Haben Sie es je bedauert, dass Sie jemanden, den Sie eigentlich gut kannten, dann siezen mussten?

    Huberty: Also ich muss eigentlich sagen, ich bin also auch kein Duzfreund, ich bin ein Duzgegner. Nur, wenn man jemand sehr, sehr gut kennt, dann sage ich immer noch Sie und den Vornamen, das reicht dann.

    Zurheide: Was geben Sie jungen Kollegen mit? Sie haben ja lange Zeit auch sich um die Ausbildung gekümmert übrigens, als der Privatfunk dann kam, haben Sie eine Zeit lang da ausgebildet. Was geben Sie jungen Kollegen heute mit?

    Huberty: Ich gebe ihnen mit – übrigens coache ich heute noch –, ich gebe ihnen mit, dass sie an die Zuschauer denken sollen und kein Blindenfernsehen machen. Die Zuschauer sehen alles aus einer anderen Perspektive, und was sie nicht sehen, muss ich ergänzen. Ich darf sie aber nicht zuschütten mit Ergebnissen, mit irgendwelchen Bemerkungen, die mit dem Spiel nichts zu tun haben. Ich sage also, seid sparsam im Kommentar, lasst die Zuschauer selbst atmen.

    Zurheide: Und die Begeisterung für den Fußball bei Ihnen ist immer noch da? Wofür schlägt Ihr Herz, verraten Sie uns das?

    Huberty: Für welche Mannschaft, meinen Sie?

    Zurheide: Zum Beispiel!

    Huberty: Ach, ich habe ... Wir Reporter sind häufig Opportunisten. Also ich habe ja viele Spiele mit deutschen Mannschaften übertragen, später mit Bundesligamannschaften, die also in internationalen Wettbewerben waren ... Also wenn Köln – ich wohne ja in Köln – also gewonnen hat, dann haben die Zuschauer schon geschrieben, aha, wir haben gesehen, Huberty lächelt, da muss der FC gewonnen haben! Oder das galt auch für Schalke, das galt für Dortmund, deren ersten Europacup-Triumph ich übertragen habe. Nein, ich entwickle immer große Sympathien für Mannschaften, die gut Fußball spielen, in diesem Jahr zum Beispiel für Dortmund. Mich entzückt so etwas, wie eine junge Mannschaft so herauskommen kann. Natürlich die Bayern, die so viel geleistet haben für den deutschen Fußball. Und natürlich die Kölner, ich wohne zwei Kilometer vom Stadion und gehe da hin und freue mich, wenn sie nicht absteigen!

    Zurheide: Da müssen wir die Daumen drücken in der kommenden Saison, dass es besser läuft als in der vergangenen. Herr Huberty, ich bedanke mich für das Gespräch, danke schön!

    Huberty: Bitte schön!