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Hüllrohrwerkstoffe: Pro und Kontra

Kein deutsches Atomkraftwerk würde einem Flugzeugabsturz standhalten - ein Ergebnis der Reaktor-Sicherheitskommission. Dennoch: Das Atomforum und die Gesellschaft für Kerntechnik zeigen sich überzeugt, dass die deutschen Kernkraftwerke sicher sind.

Von Dieter Nürnberger |
    In diesem Jahr – nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima – wollen die Veranstalter so wenig wie möglich über Politik reden. Nicht etwa, weil es nichts zu diskutieren gebe, sondern, weil sich ohne konkrete politische Entscheidungen oder formulierte Rahmenbedingungen eigentlich nur spekulieren lasse. Und politisch spekulieren wolle man nicht, diese Vorgabe gab Ralf Güldner, der Präsident des Deutschen Atomforums gleich zu Beginn der Tagung aus. Noch seien keine konkreten Entscheidungen der Bundesregierung hinsichtlich einen Ausstiegs gefallen, noch gebe es keine zeitlichen Vorgaben und auch noch keine konkrete Entscheidung darüber, wie viele Atomkraftwerke, die jetzt vorübergehend stillgelegt wurden, wieder angefahren werden.

    Kurz gesagt: Auf der Jahrestagung Kerntechnik 2011 geht es überwiegend um technische Fragen. Beispielsweise um Hüllrohrwerkstoffe für Hochabbrandbrennstoffe oder auch um den neuen französischen Reaktorprototypen der vierten Generation. Doch natürlich geht es auch um Fukushima – immerhin wurde eine aktuelle Stunde gleich am Eröffnungstag dafür im Programm verankert. "Fukushima – technisch betrachtet" – so die Überschrift. Und recht schnell wird deutlich, dass technisch noch viele Fragen offen sind. Der Klärungsprozess, was genau passiert ist, wird noch dauern, sagt Uwe Stoll vom Unternehmen "Areva", er ist auch Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission.

    "Wir sind noch weit davon entfernt, alles verstanden zu haben, was in Japan passiert ist. Das wird auch noch ein halbes oder ein ganzes Jahr dauern, bis wir alles sortiert haben, was die Hauptgründe gewesen waren. Wir wissen noch zu wenig, auch die Kollegen in Japan wissen noch zu wenig. Das ist einfach so."

    Allerdings weis man, dass in Japan viele Fehler gemacht wurden. Allein der Standort von Fukushima sei nicht ideal gewesen. So haben Statistiker ausgerechnet, dass durchschnittlich alle 15 Jahre Tsunamis mit Wellenhöhen von über 10 Metern hier auf die Küste treffen. In Deutschland wäre deshalb ein solcher Standort nicht genehmigt worden. Eine solche Liste lässt sich fortführen – wo waren eigentlich die Notstromaggregate, die die Stromversorgung nach dem Auftreffen der Wellen garantieren sollten? Uwe Stoll kennt die Antwort:

    "Heute wissen wir: Die beiden Notstrom-Diesel-Anlagen befanden sich praktisch in einem Raum nebeneinander, im Keller des Maschinenhauses. So etwas wäre in Deutschland nicht genehmigungsfähig, und auch niemals genehmigungsfähig gewesen. Beispielsweise, wenn ich es mit dem deutschen AKW Obrigheim vergleiche."

    Die Veranstalter sind bemüht, den gegenwärtig oft zitierten Spruch der Kernkraftgegner "Fukushima ist überall" zu widerlegen. Allein von der Anlagensicherheit betrachtet sei Fukushima in Japan – und nicht in Deutschland. Gelernt aus der Katastrophe habe man aber auch einiges: Wolfgang Raskob ist Leiter der Arbeitsgruppe Unfallfolgen am Institut für Kern- und Energietechnik in Karlsruhe. Er hat sich das Notfall- und Katastrophenmanagement in Japan genauer angeschaut.

    "Wir in Deutschland – aber wohl auch generell – haben immer eher mit kurzfristigen Freisetzungen gerechnet. Unsere Simulationsmodelle gingen bislang immer von kurzen Störfällen aus, wir rechneten mit einer Dauer des Störfalls von ein oder zwei Tagen. Und entsprechend haben wir auch in den Notfallzentralen mögliche Ernstfälle geprobt. Und das müssen wir jetzt lernen, wir müssen verstehen, dass wir Szenarien auch über Wochen planen müssen. Eine Freisetzung kann Wochen dauern – das haben wir aus Fukushima definitiv gelernt."

    Und schließlich gab es zum Abschluss des ersten Tages der Jahrestagung Kerntechnik auch noch ein Grußwort der neuen Vorsitzenden der Kerntechnischen Gesellschaft. Mit Astrid Petersen wurde erstmals eine Frau an die Spitze gewählt. Sie will die Belange der deutschen Kernkraftindustrie künftig wieder verstärkt nach außen tragen – auch wenn dies im Jahr einer Reaktorkatastrophe natürlich leicht werden wird. Astrid Petersen ist zumindest eine Anhängerin klarer und verständlicher Worte.

    "Das ist nicht immer einfach, es erfordert Rückgrat und Ausdauer, eben einen Arsch in der Hose. Die Erde ist eine Scheibe – die Erde wäre auch heute noch eine Scheibe, wenn es seinerzeit nach den politisch-religiös Verantwortlichen gegangen wäre."