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Huis Doorn in den Niederlanden
Einst kaiserliche Residenz, heute Museum

Kaiser Wilhelm II. flüchtete nach der Niederlage der Deutschen in die Niederlande auf ein Landgut in der Nähe von Utrecht. Aus seiner luxuriösen Residenz "Huis Doorn" ist inzwischen ein Museum geworden. Zwischenzeitlich von der Schließung bedroht, wird es jetzt wieder eröffnet.

Von Kerstin Schweighöfer |
    "Hören Sie die Glocken? Die hat Wilhelm II. von seiner zweiten Frau Hermine bekommen, zu seinem 70. Geburtstag! Die klingen genauso wie die vom Big Ben in London! Weil die englische Queen Victoria Wilhelms Großmutter war!"
    Im europäischen Hochadel kennt sich Letty Corbijn inzwischen genauso gut aus wie auf dem 60 Hektar großen Landgut von Huis Doorn südöstlich von Utrecht - der letzten Residenz des letzten deutschen Kaisers. Seit mehr als 14 Jahren führt die niederländische Rentnerin Besucher durch den Park und den kleinen Palast, in dem Wilhelm fast 20 Jahre im Exil gelebt hat und auch gestorben ist. Nach seinem Sturz im November 1918 hatte er in den Niederlanden um Asyl gebeten, erklärt Letty:
    "Wir waren neutral, und deshalb mussten wir es ihm gewähren, so verlangt es unser Grundgesetz. Obwohl die Alliierten mehrmals seine Auslieferung forderten. Wirklich erfreut war die niederländische Regierung über den kaiserlichen Asylbewerber nicht. Er musste sein Exil auch selbst finanzieren und zwei seiner Privatjachten verkaufen. Mit dem Geld konnte er Huis Doorn dann anschaffen. Es gehörte der Baronesse von Heemstra, das war die Urgroßmutter von Hollywoodschauspielerin Audrey Hepburn."
    "Huis Doorn dokumentiert niederländische Neutralität im Ersten Weltkrieg"
    Beim kaiserlichen Einzug rückten 40 Lakaien an - und 58 Eisenbahnwagons aus Berlin mit Möbelstücken, Porzellan, Gemälden, Silber und der Schnupftabakdosensammlung von Friedrich dem Großen. Noch heute sieht alles so aus wie bei Wilhelms Tod 1941.
    Auf Wilhelms Schreibtisch steht noch immer sein Briefpapier samt Feder und Brille, neben seinem Bett die Pantoffeln und sein Morgenmantel. Und im Speisezimmer, dem Prunksaal mit seinem riesigen Kronleuchter, ist der Tisch festlich gedeckt, als würde gleich ein Galadiner stattfinden.
    "Dieser Saal beeindruckt die Besucher immer am meisten. Ein Glück, dass wir das der Öffentlichkeit weiterhin zeigen können! Dass nicht alles unter weißen Tüchern verschwunden ist!"
    Genau dieses Schicksal, die Schließung, hatte Huis Doorn gedroht: Im Rahmen der drastischen Einsparungen, die Den Haag auf dem Kultursektor durchgeführt hat, wurden die Subventionen halbiert von 400.000 Euro pro Jahr auf 200.000. Begründung: Huis Doorn sei zu wenig niederländisch und zu deutsch. "Unsinn!" schnaubt Letty Corbijn:
    "Es geht um einen Teil unseres europäischen Kulturerbes, das muss für künftige Generationen zugänglich bleiben. Huis Doorn dokumentiert die niederländische Neutralität im Ersten Weltkrieg. Und das Leben eines Mannes, der einer der Hauptakteure dieses Krieges war."
    Aber ehrenamtlichen Helfern gelang es, alternative Geldquellen aufzutun und von der Regierung in Den Haag einen einmaligen Zuschuss von 250.000 Euro zu bekommen. Mit dem Geld wurde in der ehemaligen kaiserlichen Garage eine permanente Ausstellung über den Ersten Weltkrieg eingerichtet.
    "Es geht um ganz Europa!"
    Darüber hinaus tun die ehrenamtlichen Helfer alles, damit Huis Doorn weiterhin Besucher empfangen kann. Sie bringen Blumen aus dem eigenen Garten mit, um Kosten zu sparen, organisieren so wie Letty Corbijn Führungen, wischen auf und stauben ab.
    Auch die Aquarelle mit Wilhelms Sommerresidenz auf Korfu, Achilleoin, die er einst Sissi von Österreich abgekauft hat.
    Und die vielen Fotos seiner Enkel und Urenkel. Darunter die spanische Königin Sophia und Griechenlands Ex-König Konstantin. "Was heißt hier 'zu deutsch'", schimpft Letty, "es geht um ganz Europa!"
    Beim Verlassen des Hauses wirft sie einen Blick aus dem Fenster auf die große Adlerskulptur im Garten mit den fünf Steinplatten.
    Da hat Wilhelm seine fünf Dackel begraben. Selbst liegt er ein paar Meter weiter in seinem Mausoleum. Nach Berlin, so hat er testamentarisch festlegen lassen, wollte er erst zurückkehren, wenn Deutschland wieder eine Monarchie geworden war. "Das dürfte noch etwas dauern", meint Letty. "Vorläufig bleibt er bei uns."