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Hund statt Maus

Biologie. - Für Studien zu Morbus Alzheimer müssen in der Regel Mäuse herhalten. Doch die Standardversuchstiere spiegeln die Krankheit nur unzureichend wider. Leipziger Forscher erhoffen sich von alzheimerkranken Hunden neue Erkenntnisse, um so die Krankheit besser zu verstehen.

Von Marieke Degen |
    Alte Hunde werden manchmal wunderlich. Sie verstecken sich grundlos unterm Sofa, bellen einfach los, hören nicht, manche erkennen sogar ihre Besitzer nicht mehr. Denn auch Hunde können an einer Art Alzheimer erkranken.

    "Die alten Hunde, die haben erst mal andere Probleme, insbesondere mit den Gelenken oder mit dem Laufen. Und diese alzheimerähnliche Erkrankung - die kennen die Leute einfach nicht."

    Die Tierärztin Franziska Schmidt forscht am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. Sie untersucht, inwieweit sich der Hund als Tiermodell für Alzheimer eignet.

    "Der Vorteil vom Hund ist einfach, dass er am ehesten dem Menschen gleicht. und wenn man nach einem natürlichen Modell sucht, dann müsste man den Hund nehmen."

    Bei alzheimerkranken Menschen und Hunden gibt es einige Parallelen im Gehirn. Bei beiden finden sich Amyloid-Plaques – das sind Ablagerungen von fehlgefalteten Amyloid-Proteinen. Und: Bei beiden sammelt sich das Tau-Protein in den Nervenzellen an. Bei Hunden muss das aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass ihre geistigen Fähigkeiten nachlassen. Um die Krankheit besser zu verstehen, haben Franziska Schmidt und ihre Kollegen die Gehirne von 30 verstorbenen Vierbeinern seziert.

    "Die Hunde waren unterschiedlich alt, unterschiedlich groß, und wir haben die Gehirne halt isoliert, wir haben davon Schnitte genommen, und haben uns das angeschaut. Haben eben dort gesehen, dass alle alten Hunde diese Amyloid-Plaques aufweisen. Was man auch beim Menschen sehen kann. Das war ein bisschen überraschend, also so viele hätte ich nicht erwartet."

    Die Amyloid-Plaques im Hundehirn sehen aus wie Wolken, sie sind nicht klar abgegrenzt.

    "Dieses diffuse Amyloid, das wir beim Hund sehen, kommt beim Menschen eher in den früheren Stadien vor. Mit den späteren Stadien entwickelt sich dann eine andere Form von Ablagerungen, die haben wir beim Hund nicht so gesehen. Deshalb ist es eher ein Modell für den frühen Alzheimerstatus."

    Der Hund spiegelt das komplexe Bild einer Alzheimer-Erkrankung zumindest ansatzweise wider. Das kann das Standardversuchstier in der Alzheimerforschung, die Alzheimer-Maus, nicht.

    "Bisher sind das sogenannte transgene Modelle. Das heißt, dass also in Mäuse Gene vom Menschen injiziert werden, die würden das auf natürliche Weise gar nicht entwickeln, und durch diese Gene entwickeln die zum Beispiel das Amyloid oder das Tau. Es gibt jetzt nicht eine Maus, die die ganze Symptomatik zeigt, sondern das sind unterschiedliche Mausmodelle, die immer wieder Teilaspekte des Alzheimers zeigen, und das ist jetzt auch so ein bisschen der Nachteil. Weil man hat nicht eine einzige Maus, mit der man studieren kann, man braucht immer wieder mehrere."

    Manche Dinge lassen sich an der Maus überhaupt nicht erforschen – zum Beispiel, welche Rolle sogenannte Mikrogliazellen bei der Entstehung von Alzheimer spielen. Mikrogliazellen sind Immunzellen, die Zellreste oder krankmachende Stoffe im Gehirn beseitigen.

    "Die Mikrogliazellen sind eigentlich dazu da, die Amyloid-Plaques zu vernichten, genau wie das TAU. Und aus irgendeinem Grund, wahrscheinlich, weil sie dem Alterungsprozess unterliegen, sind sie dazu nicht mehr in der Lage. Das sieht man aber bei der Maus nicht. Das sieht man eben beim Menschen und beim Hund auch."

    Franziska Schmidt kann sich gut vorstellen, in Zukunft auch mit lebendigen Hunden zu arbeiten. Mit ganz normale Haustieren, die sie über einen längeren Zeitraum immer mal wieder beobachtet, um herauszufinden, unter welchen Umständen Hunde erkranken.

    "Also beim Menschen zum Beispiel ist gezeigt worden, dass besonders sportliche Menschen, oder Menschen, die sich ein Leben lang bilden, dass die ein bisschen besser geschützt sind vor der Erkrankung. Und ich denke mal, beim Hund würde das auch einen Einfluss machen, ob das jetzt eine Couch-Potato ist oder ob das ein Hund ist, der regelmäßig zum Agility-Training geht."