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Husumer Festival
Klaviermusik abseits des Mainstreams

Im Schloss vor Husum erklang an acht Tagen Klaviermusik, die selten aufgeführt wird. Mit Werken von Gabriel Dupont, Emmanuel Chabrier oder Felix Blumenfeld hat Festival-Leiter Peter Froundjian auch beim 32. Jahrgang ein handverlesenes Programm zusammengestellt. Zudem gab es junge Pianisten zu entdecken.

Von Elisabeth Richter | 27.08.2018
    Blick auf das Schloss von Husum
    Acht Tage lang konnten Festivalbesucher Klaviermusik auf dem Schloss vor Husum genießen (picture alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    Musik: Gabriel Dupont, "Le soleil se joue dans les vagues" aus "La maison dans les dunes" (1910)
    Es glitzert und blitzt, keck schießen Lichtstrahlen hervor. "Die Sonne spielt in Wellen" heißt dieses Stück von Gabriel Dupont aus seinem Zyklus "Das Haus in den Dünen" von 1910.
    Musik, Gabriel Dupont, "Le soleil se joue dans les vagues" aus "La maison dans les dunes" (1910)
    Entdeckungen beim Festival in Husum
    Die Anklänge an Debussy hört man sofort, aber genauso schnell weiß man: Das ist kein Debussy. Dupont, 1878 geboren, 1914 an Tuberkulose gestorben, fand seine eigene Sprache. Der Schüler Jules Massenets blieb der romantischen Tradition verbunden und seinen Prägungen durch Organisten wie Louis Vierne und Charles Widor. Für den Pianisten Severin von Eckardstein, der einen der eindrücklichsten und hochklassigsten Abende beim Festival Raritäten der Klaviermusik in Husum gab, ist die Musik Gabriel Duponts eine seiner größten Entdeckungen der letzten Jahre.
    "Das ist ein Komponist, der sehr früh starb, wo man auch spürt, dass er sein ganzes Leid in den letzten Jahren in dieses Stück hineingelegt hat. 'La maison dans les dunes' ist eine sehr interessante Komposition. Es sind ja zehn Stücke, die alle auf wenigen Themen aufbauen, die immer wieder hervorleuchten in den verschiedenen Stücken, und trotzdem haben sie ganz eigene Stimmungen. Also das ist ein Zyklus, der für mich sehr reif ist und schlüssig und abgerundet."
    Die französischen Werke - neben Gabriel Dupont erklangen etwa zwei geistreiche Charakterstücke von Emmanuel Chabrier - kontrastierte Severin von Eckardstein mit russischen Kompositionen, drei Stücken aus dem Zyklus "Cloches" (Glocken) von Felix Blumenfeld, dem Lehrer von Vladimir Horowitz, sowie der Sonate b-Moll von Mili Balakirew. Von dem durch seine virtuos hämmernde orientalische Fantasie "Islamey" bekannten Komponisten lernt man hier in seiner Sonate eine ganz andere Facette kennen. Balakirew bindet volksmusikartige Elemente subtil in originelle Klänge und Formen ein.
    Musik: Balakirew, Sonate b-Moll, Finale (1905)
    Severin von Eckardstein faszinierte mit einem wunderbar ausgereiften Sinn für feinste Klangabstufungen. Und: Er befand sich während der achttägigen Raritäten-Woche im Schloss vor Husum in bester Gesellschaft. Der Brite Simon Callaghan wartete etwa mit atemberaubenden Piano-Abstufungen bei dem extrem komplexen, verschachtelten "Le Jardin parfumé" von Kaikhosru Sorabji auf. Außerdem stellte Callaghan die selbst manchem Klavier-Raritäten-Spezialisten unbekannten Romantiker John Francis Barnett und Jean Louis Nicodé vor.
    Musik: Jean Louis Nicodé, "Frisch und kräftig, sehr markiert" aus "Sechs Fantasiestücke" Op. 6 (1876)
    "Nicodé ist eigentlich deutscher Komponist, in Posen geboren, in Dresden gelebt, und es ist ein Nachfahre von Schumann, Brahms, das ist diese Schule. Das ist auch so ein Name, den man vielleicht mal liest, aber dessen Werke man nie hört."
    Handverlesenes Programm mit Klaviermusik
    Peter Froundjian, Gründer und Leiter der Raritäten der Klaviermusik, ist es auch im 32. Festival-Jahrgang gelungen ein handverlesenes Programm zusammenzustellen. Jedes Recital entsteht in Absprache mit den Pianisten. Mittlerweile bewerben sich in Husum weit mehr interessierte Pianisten, als eingeladen werden können. Doch Peter Froundjian "probiert" gewissermaßen immer wieder neue Künstler aus. Im letzten Jahr beeindruckte etwa der Italiener Antonio Pompa-Baldi bei seinem Husum-Debüt mit seiner profilierten Anschlagskunst so stark, dass er in diesem Jahr wieder eingeladen wurde. Pompa-Baldi hatte die ungeheuer intelligent arrangierten neapolitanischen Canzonen von Roberto Piana im Programm.
    Musik: "Funiculì Funiculà" aus Neapolitanische Canzonen (Arrangement Roberto Piana)
    "Das hat für mich nicht nur etwas mit der Musik zu tun, sondern mit einem gesamten Kunstverständnis, dass man sich schon für Dinge interessieren sollte, die man vielleicht nicht unbedingt kennt, die nicht so alltäglich sind, ich denke, es ist sehr wichtig", sagt die 30-jährige Sina Kloke aus Detmold.
    Forum für junge Künstler
    Sie debütierte bei den Husumer Raritäten in der von Festivalleiter Peter Froundjian von einigen Jahren kreierten Reihe "Young Explorers". Viel versprechende angehende Künstler, die über den Tellerrand der Mainstream-Literatur hinausblicken, erhalten hier in einstündigen Konzerten ein Forum. Sina Kloke agierte bei ihrem Recital ein wenig vorsichtig und fast ängstlich, am überzeugendsten präsentierte sie die eigenwilligen Werke des Rumänen Georg Enescu. Ganz anders der zweite "junge Entdecker", der 31-jährige Fabian Müller aus Bonn, 2017 Zweitplatzierter beim ARD-Wettbewerb. Er moderierte nicht nur sympathisch und originell, sondern empfahl sich durch besonders klare interpretatorische Vorstellungen. Man spürt bei Fabian Müller, wie sehr er um jede Note ringt, zum Beispiel bei dem Zyklus Révélation des russischen symbolistischen Komponisten Nikolaj Obuchow.
    Musik: Nikolaj Obuchow, "Néant" aus "Révélation" (1915)
    "Alles, was hier auf dem Programm steht, ist praktisch an Hochschulen kein Stoff, der vermittelt wird. Aber schließlich ist es eine künstlerische Realität im Bereich der Klaviermusik. Davon sollten die angehenden Pianisten doch wissen, und das fanden wir, dass es angebracht ist, die Studenten einzuladen."
    Erstmals wurden in diesem Jahr an fünf Studenten aus norddeutschen Musikhochschulen Stipendien zu vergeben. Sie wurden einerseits zum Festival eingeladen, und sie werden andererseits selbst Ende dieses Jahres Konzerte mit seltener Klaviermusik spielen, in Rostock, Berlin, Lübeck und Hannover, wo die Raritäten der Klaviermusik ihre Wanderausstellung "Klavierwelten" präsentieren.
    Die Studenten Onute Grazinyte aus Litauen und Kenji Miura aus Japan formulieren quasi stellvertretend, was sie an der unbekannten Literatur interessiert.
    "Es inspiriert einfach, wie viel wir noch nicht kennen, und noch nicht entdeckt ist."
    "Jeder Komponist hat seine Sprache entwickelt, und eine neue Sprache zu lernen ist immer extrem wichtig für uns Musiker, weil wir dadurch noch einen anderen Aspekt und Dimension entdecken können von uns selbst."