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Hybrid War
Der nicht erklärte Krieg

Der Konflikt in der Ostukraine folgt schon lange nicht mehr den Regeln der klassischen Kriegsführung. Der Westen wirft Russland vor, mit subtileren Methoden den Konflikt anzuheizen. In einem sogenannten "hybriden Krieg" kämpfen Soldaten ohne nationale Hoheitsabzeichen, und es gibt Cyberattacken und gezielte Desinformation. Das war auch Thema beim Treffen der EU-Außenminister in Riga.

Von Annette Riedel | 07.03.2015
    Zwei Soldaten in Tarnkleidung ohne Hoheitsabzeichen stehen bei einem Mann mit einer russischen Flagge.
    Im März 2014 hielten sich Soldaten ohne Hoheitsabzeichen auf der ukrainischen Halbinsel Krim auf. Der Westen vermutet, es handelte sich um Soldaten der russischen Armee. (picture alliance / dpa / Stanislav Krasilnikov)
    Viel ist im Zusammenhang mit Russlands Handeln auf der Krim und jetzt in der Ost-Ukraine von "Hybrid War" die Rede, von "Hybridem Krieg". Gemeint ist einer Art diffuse, nicht erklärte, unter bestimmten Bedingungen sehr effektive Form des Krieges. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, versucht sich an der schwierigen Definition:
    "Hybrid War ist, dass man den Eindruck erweckt, als sei es ein innerer Konflikt, dem man von außen unterstützt mit Waffen, Minderheiten benutzt als wären die in einer Bürgerkriegssituation."
    Ein wichtiges Element der hybriden Kriegsführung - Bundesaußenminister Steinmeier benennt es: gezielte Propaganda.
    "Wenn sie auf der einen Seite russisches Fernsehen, auf der anderen Seite deutsches oder europäisches Fernsehen schauen, dann haben sie ja doch den Eindruck, dass wir in zwei völlig verschiedenen Welten leben. Dennoch, glaube ich, wäre der falsche Schluss, mit manipulativer Berichterstattung darauf zu reagieren."
    Baltische Länder haben Angst vor Destabilisierung
    Die Ziele eines hybriden Krieges sind die gleichen wie die eines erklärten: dem betreffenden Land nachhaltig zu schaden, es in den Grundfesten zu erschüttern, den eigenen Einfluss zu erweitern. All das trifft nach allgemeiner Erkenntnis in der EU und in der Nato auf Moskaus Aktionen in der Ukraine zu. Könnte Schule machen.
    "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass das zur Zukunft von Konflikten stärker gehören wird als in der Vergangenheit."
    Das fürchten andere noch wesentlich mehr und wesentlich konkreter als der deutsche Außenminister. In den baltischen Ländern gibt es sehr konkrete Ängste, ebenfalls ins Visier von Putins Destabilisierungsstrategie zu geraten - in Lettland, mit einer fast 30 Prozent starken russischsprachigen Minderheit ganz besonders. Elmar Brok schätzt, dass Russland im Falle des Falles mit einer entsprechenden Strategie leichteres Spiel noch haben könnte als in der Ukraine - sollte es denn wollen, was wirklich einschätzen zu können, momentan niemand in der EU mehr vorgibt.
    "Wenn sie das in diesen kleinen Ländern, wo sie 20, 30, 40 Prozent russische Bevölkerung haben, wo in den Grenzgebieten die russische Bevölkerung Mehrheit ist, dann brauchen sie nur hundert Leute in bestimmten Städten, um so ein Ding in Gang zu setzen. So ist es in der Ostukraine ja auch losgegangen."
    CDU-Politiker Brok setzt auf mehr Nato-Präsenz
    Einen wirksamen Schutz, eine abschreckende Wirkung auf den Kreml, solches gar nicht erst zu versuchen, kann nur verstärkte Nato-Präsenz bieten, glaubt Brok. Glaubt die Nato selbst und hat entsprechend reagiert. Aber vielleicht reicht das noch nicht.
    "Ich glaube, dass wenn das in der Ukraine nicht zur Ruhe kommt, dass man über die Beschlüsse des Nato-Gipfels hinausgehen wird, was die Frage der Stationierung von Truppen angeht."
    Das allerdings wäre gleichbedeutend mit der Aufkündigung des Nato-Partnerschaftsvertrages mit Russland. Der liegt zwar wegen Russlands Intervention in der Ukraine momentan im Dornröschenschlaf, aber ihn aufzukündigen, hatte man aufseiten des Verteidigungsbündnisses bisher vermieden. Vor allem wird die Diskussion lauter werden, ob der Verteidigungsfall, in dem alle Nato-Mitglieder dem einen angegriffenen zu Hilfe kämen, im Falle eines hybriden Krieges ebenfalls ausgerufen werden sollte. Einen Präzedenzfall dafür gäbe es schon, sagt der litauische Außenminister Linkevicius: der Terror-Angriff auf das World Trade Center, der diesen Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages auslöste.
    "9/11 war kein militärischer Angriff auf militärische Ziele. Es kommt also auf die Umstände an. Auch ein Cyber-Angriff kann ein Artikel-5-Fall sein, wenn es die strategische Kommunikation oder die Sicherheitsstrukturen eines Landes zerstören soll."
    Neue Definition für Nato-Verteidigungsfall
    Wenn ein hybrider Krieg zu einem Verteidigungsfall der Nato werden kann und wenn zu den Elementen des hybriden Krieges neben der Initiierung bürgerkriegsähnlicher Zustände und verdecktem militärischen Engagement von außen auch die Propaganda gehört, dann lässt sich leicht vorstellen, zu welchen Diskussionen das führen könnte. Die Nato muss sie führen, findet Elmar Brok - und:
    "Dass wir eine klare Definition hinbekommen, dass Hybrid War auch Krieg ist, was für die Glaubwürdigkeit der Nato wichtig ist."