Freitag, 29. März 2024

Archiv


"Ich bin das Gegenteil eines Rechtsradikalen"

Der designierte Thüringer Kultusminister Peter Krause setzt sich gegen Kritik wegen seiner Vergangenheit bei der rechtsgerichteten Wochenzeitung "Junge Freiheit" zur Wehr. "Ich bin das Gegenteil eines Rechtsradikalen. Und jeder, der mich kennt, weiß das", sagte der CDU-Politiker. Er bedauere das Schreiben für die Zeitung, habe nie Zweifel daran gelassen, dass er Irrtümer begangen habe.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 02.05.2008
    Dirk-Oliver Heckmann: Guten Morgen!

    Peter Krause: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Krause, sind Sie ein designierter Minister mit rechtsradikaler Vergangenheit?

    Krause: Auf keinen Fall. Ich bin das Gegenteil eines Rechtsradikalen. Und jeder, der mich kennt, weiß das.

    Heckmann: Wieso haben Sie dann für die "Junge Freiheit" geschrieben und für sie gearbeitet als Redakteur?

    Krause: Das ist aus dem Lebensweg erklärbar. Ich habe mich auch politisch mittlerweile distanziert. Ich bin ein 89er. Ich komme aus der DDR, aus der Erfahrung von Unfreiheit, aus der Erfahrung, dass Freiheit erstreitbar, erkämpfbar ist und dass die Nation durchaus der Schutzraum der Freiheit ist. Und ich komme aus der Oppositionsbewegung, habe das Neue Forum in Jena mitgegründet und dann im Westen gelebt und gehöre schon zu denen, die gegen alle Form von Ideologie und auch Totalitarismus im Denken angehen und hatte vor, so etwas wie eine freie Debattenkultur mitzuentwickeln.

    Heckmann: Die Nation ist der Schutzraum für die Freiheit? Ist nicht die Verfassung der Schutzraum?

    Krause: Das auch. Aber wissen Sie, ich bin gerade über den Deutschlandfunk gebildet worden, aus Ostberliner Zeitschriften zitiert. Für uns war damals die Einheit und Freiheit, das waren die Schlagworte. Und das war 89.

    Heckmann: Das heißt, das Ganze war ein Irrtum?

    Krause: Ich habe mich zu meinen Irrtümern immer bekannt. Ich habe einen sehr ungeraden Lebensweg. Ich habe daran nie Zweifel gelassen, dass ich Irrtümer begangen habe, dass ich Brüche in meinem Leben habe. Das war alles bekannt.

    Heckmann: Aber ist es nicht auch ein Irrtum, wenn Sie heute noch sagen, die "Junge Freiheit" sei ein anerkanntes Medium?

    Krause: Ich habe das bedauert, weil das unpräzise formuliert war.

    Heckmann: Was heißt unpräzise?

    Krause: Ich habe mich noch mal ausdrücklich politisch distanziert.

    Heckmann: Was ist daran unpräzise an dem Ausdruck "anerkanntes Medium"? Das ist doch eigentlich sehr präzise?

    Krause: Nein, das ist nicht präzise, weil ich es auf die Verfassungsfeindlichkeit und Verfassungswidrigkeit bezogen habe, nicht auf die politische Richtung.

    Heckmann: Das habe ich nicht verstanden.

    Krause: Ja, über die Verfassungswidrigkeit, das müssen andere entscheiden, das müssen Richter machen.

    Heckmann: Ist die "Junge Freiheit" jetzt ein anerkanntes Medium, oder nicht?

    Krause: Sie ist nicht verboten. Politisch würde ich für sie nicht schreiben und habe das Schreiben auch bedauert. Warum denn immer diese Kontextanalyse? Warum liest denn niemand mal meine Texte, die darin geschrieben sind? Die Opposition arbeitet sich seit einer Woche daran ab und findet nicht eine Bemerkung, die auch nur annähernd anstößig wäre, sondern man dreht sie vollständig um.

    Heckmann: Na ja, es gab ja zum Beispiel den Fall, dass in der auch als rechts eingestuften Zeitschrift "Etappe" das Horst-Wessel-Lied, und zwar auf Lateinisch, abgedruckt worden sei. Welchen Sinn macht denn das?

    Krause: Ja, das müssen Sie die Redakteure fragen. Die "Etappe" ist an mehreren deutschen Universitäten gelistet als Publikation. Es waren Zweitverwertungsaufsätze von mir über Panajotis Kondylis etwa. Und es war schon interessant für mich, mit dem Carl-Schmitt-Lager in Kontakt zu treten. Also geistige Diskurse müssen ja wohl noch möglich sein.

    Heckmann: Das heißt, Sie hatten mit dem Abdruck dieses Horst-Wessel-Lieds überhaupt nichts zu tun?

    Krause: Überhaupt nicht. Ich bin doch kein Redakteur. Ich habe da zwei Aufsätze veröffentlicht. Das ist eine Zeitschrift, die, wie gesagt, gelistet ist, für die ich nicht verantwortlich bin.

    Heckmann: Sie haben eben gerade moniert, dass Ihre politischen Gegner, ihre Kritiker sich eben nicht die Mühe machen würden, ihre Artikel und Rezensionen sich durchzulesen. In der Tat ist es aber offenbar doch geschehen, und da ist eine Formulierung aufgetaucht. Sie haben gesprochen von der Schuldmetaphysik im Zusammenhang mit dem Holocaust. Das heißt, die Deutschen seien belastet durch eine Schuldmetaphysik? Was, um Himmels willen, soll das bedeuten?

    Krause: Das stimmt doch überhaupt nicht. Verzeihung, das ist wirklich Unsinn. Es ist doch auch nun geklärt, es gibt andere Pressemitteilungen, die sprechen von Schuldmetaphorik. Das wird dann übernommen. Ich habe ein Interview geführt mit einem Nachkommen der Attentäter vom 20. Juli, von Witzleben. Und da geht es genau um die Verantwortung der Jugend für die Schuld, das heißt für die Zeit, wenn die Erlebnisgeneration nicht mehr da ist. Und das wird sich nun mal in Formen, metaphysischen Formen, Gesten, Symbolen, Stilen entwickeln. Das ist das Thema. Und der junge Mann bekennt sich nach dieser Frage ganz deutlich. Wir als Junge müssen die Verantwortung für diese Vergangenheit übernehmen. Der Kontext ist vollkommen eindeutig.

    Heckmann: Ist das positiv oder negativ, dass wir in Deutschland so etwas wie eine Schuldmetaphorik haben?

    Krause: Metaphysik. Sehen Sie, das ist genau das Problem. Keiner liest es, und jeder erzählt irgendetwas. Natürlich ist die Erinnerungskultur etwas ganz Entscheidendes. Ich komme aus einer Diktatur. Ich weiß, wie wichtig es ist, sich zur Schuld zu bekennen. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Wer meine Texte liest, weiß, dass es um nichts anderes geht als um Formen der Freiheit in der Gesellschaft, um nichts anderes. Es wird nicht nur ein Zerrbild, sondern gerade das Gegenteil wird konstruiert von mir, von meinem Schreiben, von meiner Person. Und das finde ich außerordentlich bedauerlich.

    Heckmann: Sie haben in einer Stellungnahme geschrieben, der Grundimpuls Ihres politischen Handelns sei der Glaube an die Freiheit des Menschen, an die erkämpfte freiheitlich-demokratische Grundordnung und an die unteilbaren Bürger- und universalen Menschenrechte. Da versteht der Leser nicht so ganz, was das mit Ihrer Tätigkeit bei der "Jungen Freiheit" zu tun haben kann.

    Krause: Erstens ist es zehn Jahre her. Ich habe mich damals ausprobiert.

    Heckmann: 2001 war es.

    Krause: Ich habe das bedauert. Ich kann das auch noch zigmal wiederholen. Ich habe mich davon distanziert. Sie finden keinen einzigen Text, auch in der "Jungen Freiheit", von mir, der sich nicht klar von extremistischen, gerade rechtsextremistischen Positionen distanziert.

    Heckmann: Weshalb, abschließend gefragt, fühlen Sie sich denn ausgerechnet berufen, sich dem Thema Vergangenheitspolitik zu widmen als Minister, als Kultusminister Thüringens?

    Krause: Weil ich Historiker bin, weil ich viel mit Jugendlichen zu tun habe, weil ich merke, wie das Wissen um Vergangenheit schwindet. Und weil ich glaube, dass es für die Existenz eines Staates, eines Gemeinwesens außerordentlich wichtig ist, sich zu seiner Vergangenheit wissend zu bekennen.

    Heckmann: Glauben Sie, dass Sie die Diskussion um Ihre Person noch loswerden, und glauben Sie nicht, dass es vielleicht besser wäre, das Amt gar nicht erst anzutreten?

    Krause: Nein, ich glaube, dass sie sachlicher wird, weil sie zu Großteilen, es gibt begründete Skepsis, es gibt auch kampagnenartige Dinge im Moment. Wenn ich es nicht machen würde, würden sich Rechtsextremisten und Linksextremisten auf die Schenkel klatschen.

    Heckmann: Und Sie glauben, dass der Ministerpräsident Dieter Althaus zu Ihnen stehen wird, weiterhin?

    Krause: Denke ich, ja. Denn wenn eine Opposition, in der Stasi-IMs sitzen im Landtag, sich umdreht, wenn ich vereidigt wäre, dann wäre das das Scheitern von 89.

    Heckmann: Der designierte Kultusminister Thüringens, Peter Krause, war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Es ging um die Vorwürfe um seine Person.