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"Ich bin ganz besonders stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter"

"Auch ein Ingenieur und Stahlmann ist nicht emotionslos," sagt Ekkehard "eiserner Ekki" Schulz über seinen Abschied nach vier Jahrzehnten im größten deutschen Stahlunternehmen - und einer nicht einfachen Fusion zweier Firmen.

21.01.2011
    Jasper Barenberg: Der Einbruch der Weltwirtschaft im Gefolge der Finanzkrise 2008, er traf Deutschlands größtes Stahlunternehmen Thyssen-Krupp wie eine eiskalte Dusche. Viel Geld hatte der Konzern gerade in neue Werke in Amerika investiert, da folgte auf ein Rekordergebnis in der Krise ein Rekordverlust. Das Blatt seither wieder gewendet zu haben, auch das hält sich Ekkehard Schulz zugute, der Vorstandschef. Heute wird er nach 12 Jahren an der Spitze auf der Hauptversammlung in Bochum seinen Abschied nehmen, das Ende einer langen Karriere, wie es sie heute wohl kaum mehr gibt. – Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit Ekkehard Schulz zu sprechen, auch darüber, was es für ihn bedeutet, Abschied zu nehmen von der Verantwortung für knapp 180.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von sage und schreibe 42 Milliarden Euro im Jahr.

    Ekkehard Schulz: Natürlich ist das mit Emotionen verbunden, auch ein Ingenieur und Stahlmann ist nicht emotionslos. Wenn man diesem Unternehmen über fast 40 Jahre verbunden war und die letzten 12 Jahre an der Spitze des Konzerns gestanden hat, geht das nicht ohne Gefühle ab. Aber was mir wichtig ist – und darauf bin ich auch ein bisschen stolz -, was wir mit der Fusion der beiden Altkonzerne Thyssen und Krupp erreicht haben, das kann man, glaube ich, heute nach einer solchen Zeit von über zehn Jahren sagen, das ist eine Erfolgsgeschichte. Ich bin ganz besonders stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das ja im Wesentlichen geleistet und geschafft haben. Dafür möchte ich mich auch ganz, ganz herzlich bedanken.
    Thyssen-Krupp ist auch für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Wir haben gerade in dieser schwierigen Zeit nach der Weltwirtschaftskrise hier ein sehr schweres Jahr 2008/2009 hinter uns gebracht und haben innerhalb von 12 Monaten einen doch beeindruckenden turnaround geschafft, und das hat auch die Mannschaft geschafft und dafür auch ein Dankeschön an die Mannschaft für das, was erreicht wurde.

    Barenberg: Herr Schulz, Sie sind vor 39 Jahren als junger Ingenieur zu Thyssen gekommen. Sie haben – Sie haben es selber erwähnt – die Fusion mit Krupp mitgestaltet. Sie sind also rund 40 Jahre lang für die Stahlbranche unterwegs und Sie haben immer betont, mit Herzblut seien Sie unterwegs. Sie gelten als letzter Stahlbaron an Rhein und Ruhr. Sie haben den Spitznamen "eiserner Ekki", aufgrund Ihrer Verlässlichkeit und Ihrer Geradlinigkeit, so ist es jedenfalls zu lesen. Haben Sie selber den Eindruck, dass mit Ihnen auch ein bestimmter Typ von Manager von Bord geht?

    Schulz: Also Stahlbaron bin ich sicher nicht und als solchen habe ich mich auch nie gesehen. Das mit dem "eisernen Ekki", das gefällt mir schon sehr viel besser. Das zeigt, dass ich einer der Mannschaft bin, denn wenn man als Student des Eisenhüttenwesens, auch schon als Praktikant mit den Kumpels vor Ort Nachtschicht gearbeitet hat, dann ist man einer von ihnen. Als solcher fühle ich mich auch und so hat mich auch die Belegschaft gesehen und ich glaube, das ist auch bis heute so geblieben.

    Barenberg: Ihnen nachfolgen wird Heinrich Hiesinger an der Spitze. Er kommt ursprünglich vom Siemens-Konzern. Zum ersten Mal tritt also jemand an die Spitze, der von außen kommt und nicht entweder von Krupp, oder von Thyssen, wo man bisher ja immer fein unterschieden hat. Wie wird sich das auswirken? Ich habe eben schon gefragt, ob ein bestimmter Typ von Manager auch von Bord geht mit Ihrer Person. Welche Auswirkungen hat das auf die Kultur des Unternehmens?

    Schulz: Die Kultur des Unternehmens ist sicher nach der Fusion eine Kultur geworden, die sich jetzt auch verfestigt hat. Das alte ehemalige Lagerdenken, was uns immer wieder vorgehalten wird, oder worüber geschrieben und berichtet wird, das ist ja längst hinter uns. Es hat sich hier jetzt doch eine Identifikation der Mannschaft mit dem fusionierten Unternehmen ergeben. Und was für mich auch erfreulich ist, dass als mein Nachfolger nun mit Herrn Hiesinger wieder ein Ingenieur an die Spitze des Unternehmens tritt und den Stachelstab übernimmt, und das ist ganz wichtig für einen Technologiekonzern wie Thyssen-Krupp, dass hier auch wieder mit technischem und Ingenieurverständnis das Unternehmen geführt wird. Das halte ich für eine sehr gute Entscheidung.

    Barenberg: Ein Finanzmanager wäre also keine gute Wahl gewesen?

    Schulz: Das will ich nicht sagen. Es gibt auch viele Finanzmanager und Finanzfachleute, die sich sehr gut in technische Zusammenhänge einarbeiten können, aber sie tun sich schwerer. Ingenieure lernen in aller Regel das, was sie für die Führung eines Unternehmens auf juristischer, finanztechnischer Seite benötigen, schneller als umgekehrt ein Jurist oder ein Finanzmann sich in die technischen Details hineinfindet.

    Barenberg: Sie haben davon gesprochen, dass der Konzern für die Zukunft gut aufgestellt ist. Unter Ihrer Verantwortung wurde der Schwerpunkt ja auf das Geschäft mit Stahl vor allem gelegt. Sie haben Milliarden in neue Werke in Brasilien und in den USA investiert und darüber das übrige Geschäft eher ein wenig an den Rand gedrängt, also den Aufzugbau, den Anlagenbau und Automobilzulieferung. Und Sie wurden ja deswegen auch umso härter von der Wirtschaftskrise getroffen. Haben Sie im Rückblick den Eindruck, dass da die Gewichte etwas falsch verteilt waren?

    Schulz: Diese Kausalität, dass wir deshalb von der Wirtschaftskrise stärker getroffen worden sind, weil wir zu stahllastig sind, entspricht nicht den Fakten. Wenn Sie sich den Verlust, den wir in 2008/2009 erlitten haben, zuordnen auf die Stahlseite und die Nichtstahlgeschäfte, dann haben die Stahlgeschäfte einen kleineren Verlust beigetragen, und deshalb ist diese Zuordnung nicht richtig. Aber richtig ist, dass wir uns mit den beiden Großprojekten in Brasilien und in Alabama im Rahmen einer Gesamtstrategie zunächst einmal auf der Werkstoffseite gestärkt haben, Internationalisierung mit der Atlantikstrategie den Schritt nach vorne gemacht haben, dem Aufsichtsrat aber bei Genehmigung der Stahlprojekte in Brasilien und Alabama auch gleichzeitig vorgelegt haben, wie der Nichtstahlbereich, der Technologiebereich in den kommenden Jahren wachsen soll. Das konnten wir leider in der Form so schnell nicht realisieren, da kam die Weltwirtschaftskrise dazwischen, sodass wir dann diese Investitionen in den Technologiebereich zurückstellen mussten, und das werden wir jetzt in den kommenden Jahren nachholen.

    Barenberg: Die Stahlproduktion gilt als besonders konjunkturanfällig, aber das sehen Sie offensichtlich ganz anders. Welche Bedeutung wird der Stahl denn in der Zukunft haben?

    Schulz: Konjunkturanfällig ist er. Stahl ist zyklisch, ein zyklisches Geschäft. Das war in der Vergangenheit so, das hat einige Jahre mal etwas abgenommen, diese Zyklizität. Aber ich sehe für den Stahlbereich in Zukunft eine sehr positive Entwicklung. Stahl wird der zentrale industrielle Werkstoff auch in Zukunft bleiben. Mit 1,3 Milliarden Tonnen Weltstahlproduktion, die auch in den kommenden Jahren weiter wachsen wird, wird er der zentrale industrielle Werkstoff bleiben, zugegeben immer mal wieder mit zyklischen Elementen.

    Barenberg: Sie haben die Investitionen in Brasilien und in den USA angesprochen, die neuen Werke dort. Gleichzeitig wird ein Werk in Düsseldorf geschlossen, Sie verkaufen die Werften in Hamburg. Sie investieren also in anderen Teilen der Welt und reduzieren in Deutschland. Ist das sozusagen die Strategie, um international weiter in der ersten Liga zu spielen?

    Schulz: Das gilt nicht generell. Wir investieren auch am Standort Deutschland. Aber wir müssen uns natürlich schon sehr stark mit der Produktion in die Wachstumsregionen begeben, und das tun wir auch, wie Sie sehen, jetzt mit der Atlantikstrategie im stahl. Aber wir wachsen auch im Technologiebereich in Indien und in China und in Brasilien. Aber es ist gar keine Frage, dass auch mit den Stahlinvestitionen in Brasilien Arbeitsplätze am Standort Duisburg, also an den deutschen Stahlstandorten, gesichert werden, denn wir verarbeiten ja dieses Halbzeug, was aus Brasilien kommt in Form von Brammen, an den Stahlstandorten in Duisburg und in Bochum.

    Barenberg: Wir reden, Herr Schulz, in den letzten Tagen sehr viel über die Überschwemmungen beispielsweise gerade in Australien, ein aktuelles Beispiel dafür, dass auch Rohstoffknappheit und Rohstoffe insgesamt ein Thema sind. Thyssen-Krupp benötigt ja Millionen von Tonnen Kohle jedes Jahr. Sie haben die Politiker aufgefordert, sich besser für die Rohstoffversorgung in der Wirtschaft einzusetzen. Legt Ihnen die Bundesregierung da Steine in den Weg?

    Schulz: Nein, das ist nicht der Fall. Ich erlebe jetzt mehr und mehr Verständnis in der Bundesregierung für diese Situation und es wird auch an Konzepten gearbeitet, wie hier nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Rohstoffkonzept in den nächsten Jahren entwickelt werden kann, und ich weiß, dass auf dem nächsten Weltwirtschaftsgipfel im Sommer in Paris, auf dem G-20-Gipfel, das Thema Rohstoffe eine wichtige Rolle spielen wird.

    Barenberg: Welche Punkte sind da aus Ihrer Sicht besonders dringlich?

    Schulz: Dringlich ist, dass wir einen fairen Zugang zu Rohstoffen haben, dass der Welthandel hier offen bleibt und wir faire Handelsbedingungen haben - das ist ganz wichtig dabei -, und dass hier keine Diskriminierungen entstehen.

    Barenberg: Und die empfinden Sie schon so?

    Schulz: Wir empfinden schon eine Situation, dass es in bestimmten Regionen dieser Welt eine Dominanz gibt einer Nation ...

    Barenberg: China?

    Schulz: China – Sie sprechen es aus. ... , der in irgendeiner Weise doch ich will nicht sagen Einhalt geboten werden muss, aber die unter Kontrolle gehalten werden muss.

    Barenberg: Der scheidende Vorstandschef von Thyssen-Krupp im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, Ekkehard Schulz. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schulz.

    Schulz: Danke Ihnen!