Franz Müntefering: Opposition gehört zur Demokratie dazu, aber Opposition ist Mist, lasst das die anderen machen, wir wollen regieren!
Gerwald Herter: SPD-Chef Franz Müntefering vor fünf Jahren, und doch ist der Satz so aktuell wie nie. Zwei Monate sind es noch bis zur Bundestagswahl, die SPD hat inzwischen beschlossen, in den Wahlkampf zu ziehen, doch der findet erstmal hinter verschlossenen Türen statt. Heute werden sich in Hannover der Parteivorsitzende Müntefering, der Spitzenkandidat Frank- Walter Steinmeier und die anderen SPD-Kandidaten für die Bundestagswahl treffen, morgen und am Donnerstag folgt eine Klausur der Parteispitze in Potsdam, dann will Vizekanzler Steinmeier sein Kompetenzteam vorstellen. Nun bin ich in Berlin mit Kajo Wasserhövel verbunden, er ist der Macher der SPD im Hintergrund, er organisiert den Wahlkampf der Sozialdemokraten, diesmal eine besonders schwierige Aufgabe. Guten Morgen, Herr Wasserhövel!
Kajo Wasserhövel: Guten Morgen, Herr Herter!
Herter: Herr Wasserhövel, kennen Sie irgendjemanden, der Sie um Ihren Job beneidet?
Wasserhövel: Weiß ich nicht, aber ich beschäftige mich im Moment wenig mit der Frage, sondern konzentriere mich auf den Wahlkampf.
Herter: Ja, aufzudrängen scheint sich das ja nun nicht, es gibt Leute, die inzwischen Mitleid mit der SPD empfinden. Ist Mitleid immer noch besser als überhaupt keine Zuwendung?
Wasserhövel: Es geht jetzt darum, dass wir uns auf den Wahlkampf konzentrieren. Wir haben jetzt gut acht Wochen Zeit bis zur Bundestagswahl, bis zum 27.9., und wir haben in verschiedenen Wahlkämpfen die Erfahrung gemacht, dass die Bürgerinnen und Bürger genau hingucken, lange abwarten, bevor sie sich festlegen. Ich glaube, das wird auch in diesem Jahr der Fall sein. Wir haben eine Distanz, die wir überholen müssen oder sozusagen überwinden müssen und wir müssen jetzt über die Inhalte sprechen, die am 27.9. zur Entscheidung stehen.
Herter: Aber einige ihrer Genossen sprechen auch über Ziele, so sagt der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf, 30 Prozent sei ein wunderbares Ergebnis, wenn die SPD es erreiche. Sind Ihre Erwartungen einfach unrealistisch?
Wasserhövel: Nein, unsere Erwartungen sind nicht unrealistisch, es geht auch jetzt nicht darum, welche Erwartungen wir als Partei alleine haben, sondern es geht um die Richtungsentscheidung, die am 27.9. ansteht und das ist keine Kleinigkeit, um die es da geht. Es wird Politik da festgelegt für die kommenden Jahre, für einen längeren Zeitraum, und die Grundsatzfrage ist die: Werden eigentlich Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen oder folgt man sozusagen dem Prinzip, nach der Krise ist vor der Krise, und will da nichts verändern, so wie es die Frau Bundeskanzlerin vor kurzem mal wieder formuliert hat? Es geht um die Frage, ob wir eine Politik machen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt und sozusagen den Mindestlohn auch durchsetzt. Das sind alles Dinge, die die Menschen bewegen und mit denen sie sich beschäftigen. Darüber sprechen wir in diesem Wahlkampf, und deswegen glauben wir, dass wir da viel auch gewinnen können.
Herter: Sie liegen in den Umfragen bei 23 bis 25 Prozent, das hieße, sie könnten Schwarz-Gelb nicht verhindern - wie wollen Sie denn dann Ihre Inhalte umsetzen?
Wasserhövel: Wir haben bei der letzten Bundestagswahl mit gleichem zeitlichen Abstand zur Bundestagswahl weiter zurückgelegen auf die Union als dieses Mal, und das ist eine Distanz, ich sage Ihnen das, Herr Herter, die man überwinden kann durch einen engagierten Wahlkampf. Wir starten heute mit unserer Wahlkampfkonferenz, Frank-Walter Steinmeier wird da den Aufschlag machen, Franz Müntefering wird sprechen, die Wahlkampfleiterinnen und -leiter, die Kandidatinnen und Kadidaten aus der ganzen Republik sind da. Ich werde die Kampagne vorstellen und dann werden wir acht Wochen sozusagen da in die Diskussion einsteigen und die Union wird es nicht schaffen, dem Wahlkampf in den nächsten acht Wochen auszuweichen. Sie versuchen das ja, das ist ja erkennbar. Wenn ich mir das Wahlprogramm der Union anschaue, da ist da kein konkreter Punkt drin, das ist eine einzige ewige Präambel.
Herter: Haben Sie das bisher schon ausgenutzt, zum Beispiel, wenn es um den Europastreit zwischen CDU und CSU ging? Da hatte man den Eindruck, das ist eine unionsinterne Sache.
Wasserhövel: Ja, manchmal ist es taktisch auch klüger, die untereinander streiten zu lassen und es geht nicht darum, dass man die Zwistigkeiten alle fünf Minuten kommentiert. Wenn man das machen würde, hätten wir ja sonst auch nichts mehr zu tun, das ist ja nicht nur bei der Europapolitik so, sondern es war ja auch bei der Steuerfrage so, ist an anderen Punkten auch so. Nein, wir müssen über die Dinge sprechen, die wir vorschlagen als Kurs für die kommenden Jahre, aber natürlich auch den Gegenschnitt machen, was wäre die Alternative, nämlich Schwarz-Gelb, und was würde das bedeuten?
Herter: Herr Wasserhövel, lassen Sie uns mal kurz hören, was Richard Hilmer von Infratest dimap gestern im Deutschlandfunk gesagt hat.
Richard Hilmer: Ganz offensichtlich wird innerhalb der Großen Koalition die Meriten, die ihr durchaus zugeschrieben werden, gerade auch was die Krisenbekämpfung anbetrifft, da sind die Bürger durchaus zufrieden, aber von diesen Meriten profitiert eben in erster Linie die Union und vor allen Dingen die Kanzlerin und die SPD tut sich da schwer, ihren Anteil deutlich zu machen.
Herter: Ist die große Koalition zur Falle für die SPD geworden, Herr Wasserhövel?
Wasserhövel: Wir haben die Große Koalition, wenn man sich recht erinnert, ja nicht gesucht und die Union auch nicht, das Wahlergebnis war damals so, wir waren knapp aneinander, der Unterschied war ja jetzt nicht so groß. Wir haben in den vergangenen Jahren gute Politik auch durchsetzen können in der Großen Koalition, der Koalitionsvertrag trägt unsere sozialdemokratische Handschrift. Es geht nicht darum, sich davon zu distanzieren, sondern man kann die Erfolge schon selbstbewusst für sich reklamieren. Aber jetzt geht es darum: Welche Politik soll in den kommenden Jahren gemacht werden? Darüber entscheiden die Bürgerinnen und Bürger am 27.9. und man entscheidet darüber, wenn man eine Partei wählt, aber man entscheidet auch, wenn man sozusagen meint, man könnte zu Hause bleiben. Das ist ein gravierender Tag da am 27.9., und der Wahlkampf ist dafür da, jetzt die Unterschiede deutlich zu machen und Bürgerinnen und Bürgern Alternativen zu bieten.
Herter: Es geht also auch um Mobilisierung Ihrer Stammwähler, aber der Wert Ihres Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier verharrt seit Monaten im Umfragekeller. Ist Steinmeier beratungsresistent, Herr Wasserhövel?
Wasserhövel: Frank-Walter Steinmeier ist ein hochkompetenter Politiker, er genießt hohes Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern und die Neugierde auf ihn ist groß und ich freue mich auf das, was heute kommt mit unserer Wahlkampfkonferenz, aber auch auf die nächsten Tage, wo er sein Team auch vorstellen wird. Er wird in der nächsten Woche auf Tour gehen und es wird eine Vielzahl von Wahlkampfveranstaltungen geben, hin auf den 27.9., und ich weiß und bin mir sicher, dass er die Bürgerinnen und Bürger gewinnen kann.
Herter: Geben Sie ihm die falschen Ratschläge, weil, an seinen Umfrageergebnissen ändert sich ja wenig an der Beliebtheitsskala?
Wasserhövel: Wir sind hier nicht sozusagen im Beauty-Contest, um es auch mal so zu formulieren, Frank-Walter Steinmeier hat auch gesagt, Politik ist keine Castingshow, es geht nicht darum, dass man in jedem Augenblick im Grunde genommen immer der Publikumsliebling ist, sondern man muss als jemand, der sich für das Amt des Bundeskanzlers bewirbt – und das ist ja keine Kleinigkeit –, auch in der Lage sein, sich in den Wind zu stellen, die eigene Linie da auch zu fahren, die Dinge zu beschreiben, die einem wichtig sind, die einen antreiben. Das macht er. Das wird er jetzt auch in diesem Bundestagswahlkampf tun.
Herter: Ist das "schrödern", Herr Wasserhövel, muss er mehr "schrödern"?
Wasserhövel: Es gibt unterschiedliche Wege nach oben, lassen Sie mich das mal so formulieren, und Frank-Walter Steinmeier hat seine eigene Art, die Menschen auch anzusprechen, er genießt, wie gesagt, hohes Vertrauen. Aber Sie wissen auch: Das ist jemand, der nicht nur zuhört, der nicht nur moderieren kann, sondern vor allen Dingen auch entscheiden kann und auch führen kann, und das wird auch deutlich werden.
Herter: Sie haben schon verschiedene Male die Dramaturgie Ihres Wahlkampfauftaktes erwähnt. Wäre es da nicht besser gewesen, SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wäre zu Hause geblieben oder höchstens, sagen wir mal, nach Holland gefahren und nicht nach Spanien?
Wasserhövel: Na ja, das sind so Geschichten, die dann manchmal auch da reinkommen, aber wichtig ist ja, dass sie klargemacht hat - und da wird sie auch noch dem Deutschen Bundestag Rede und Antwort stehen, wenn da der Bedarf besteht -, dass sie sich da korrekt verhält. Dass der Dienstwagenklau nicht bei uns in der Terminliste mit drinstand, das können Sie mal unterstellen.
Herter: Was halten Sie denn von Politikern, die sich ausgerechnet einen S-Klasse Mercedes als Dienstwagen genehmigen? Ende der 80er-Jahre galten Sie als linker Juso.
Wasserhövel: Das sind ja verschiedene Fahrzeuge bei der Bundesregierung, die da genutzt werden, das gilt für alle Ministerien so, das sind die gängigen deutschen Automarken, damit kann ich aber auch umgehen.
Herter: Wird Frau Schmidt auch zum Kompetenzteam von Frank-Walter Steinmeier gehören?
Wasserhövel: Diese ganzen Fragen wird Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag auf einer Pressekonferenz beantworten.
Herter: Frau Schmidt will auch zukünftig regieren, hat sie spät entschieden, aber das ist kein Geheimnis. Sie dürfte also zum Schattenkabinett gehören.
Wasserhövel: Es ist so, dass wir eine erfolgreiche und gute Regierungsmannschaft haben, gute Ministerinnen und Minister. Das ist auch der starke Teil des Kabinetts, um mal sehr deutlich zu sagen, und Ulla Schmidt ist jemand, die eine erfolgreiche Gesundheitspolitik macht in einem ganz schwierigen Gelände, da macht man sich nicht nur Freunde, das muss man halt auch wissen. Aber zu den ganzen Fragen des Teams werden Sie von mir heute Morgen sonst keinen Mucks hören, das wird alles Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag machen.
Herter: Geht es Steinmeier nicht im Grunde darum, mit der Aufstellung eines Schattenkabinetts - denn noch ist die SPD ja an der Regierung beteiligt - die Verantwortung für die Niederlage auf viele Schultern zu verteilen?
Wasserhövel: Ach, das ist, also … Es geht darum, dass Politik verschiedene Themenbereiche natürlich auch umfasst und mit dem Team wird auch deutlich sein: Wir haben da eine erfahrene Gruppe von Leuten, wir haben frische Kräfte, die auch mithelfen, mit einsteigen in diesen Wahlkampf und sozusagen eine Reihe von neuen Ideen, die da auch eine Rolle spielen werden. Und das ist jetzt die nächste Stufe, der Einstieg in die eigentlich heiße Phase des Bundestagswahlkampfes, wie gesagt, heute mit der Wahlkampfkonferenz, dann mit der Klausur, mit der Teampräsentation, aber dann auch mit einer Reihe von weiteren Punkten, die in den nächsten Tagen kommen.
Herter: Ist es Strategie, das zu veranstalten, solange die Kanzlerin im Urlaub ist und die Union vielleicht noch nicht ganz wief? (Bayerisch für "agil", Anmerkung der Online-Redaktion)
Wasserhövel: Wir haben eine größere Distanz zu überwinden, das ist ja gar keine Frage, und wir haben ein Interesse daran, dass ein Wahlkampf stattfindet, dass die Alternativen klar werden, und damit fangen wir jetzt an.
Herter: War es ein Fehler, nicht schon früher auf Konfrontationskurs zu gehen, zum Beispiel beim Wahlrecht?
Wasserhövel: Es geht nicht um Konfrontation um der Konfrontation willen, es geht immer darum, die eigene Linie zu beschreiben, aber die Unterschiede deutlich zu machen, und es geht nicht darum, dass man bei jeder Gelegenheit anfängt, sich gegenseitig da vor die Knie zu treten. Ich glaube, das würden die Bürgerinnen und Bürger auch nicht gut finden. Und es gibt nun mal in einer Koalition Verabredungen, wie man im Parlament vorgeht. Wir hätten eine Veränderung des Wahlrechts gut gefunden, weil das Verfassungsgericht das ja auch klar markiert hat, wir finden die Blockadehaltung der Union an der Stelle falsch. Aber trotzdem gibt es Regeln, wie man in einer Koalition sich verhält, auch im Parlament, und an die halten wir uns.
Herter: Herr Wasserhövel, glauben Sie eigentlich an Wunder?
Wasserhövel: Ich glaube daran, dass man durch einen engagierten Wahlkampf einen Wahlkampf gewinnen kann, ja.
Herter: Kajo Wasserhövel, Bundesgeschäftsführer der SPD, über den schwierigen Wahlkampfstart der Sozialdemokraten in dieser Woche. Danke für das Gespräch!
Wasserhövel: Ich danke Ihnen!
Gerwald Herter: SPD-Chef Franz Müntefering vor fünf Jahren, und doch ist der Satz so aktuell wie nie. Zwei Monate sind es noch bis zur Bundestagswahl, die SPD hat inzwischen beschlossen, in den Wahlkampf zu ziehen, doch der findet erstmal hinter verschlossenen Türen statt. Heute werden sich in Hannover der Parteivorsitzende Müntefering, der Spitzenkandidat Frank- Walter Steinmeier und die anderen SPD-Kandidaten für die Bundestagswahl treffen, morgen und am Donnerstag folgt eine Klausur der Parteispitze in Potsdam, dann will Vizekanzler Steinmeier sein Kompetenzteam vorstellen. Nun bin ich in Berlin mit Kajo Wasserhövel verbunden, er ist der Macher der SPD im Hintergrund, er organisiert den Wahlkampf der Sozialdemokraten, diesmal eine besonders schwierige Aufgabe. Guten Morgen, Herr Wasserhövel!
Kajo Wasserhövel: Guten Morgen, Herr Herter!
Herter: Herr Wasserhövel, kennen Sie irgendjemanden, der Sie um Ihren Job beneidet?
Wasserhövel: Weiß ich nicht, aber ich beschäftige mich im Moment wenig mit der Frage, sondern konzentriere mich auf den Wahlkampf.
Herter: Ja, aufzudrängen scheint sich das ja nun nicht, es gibt Leute, die inzwischen Mitleid mit der SPD empfinden. Ist Mitleid immer noch besser als überhaupt keine Zuwendung?
Wasserhövel: Es geht jetzt darum, dass wir uns auf den Wahlkampf konzentrieren. Wir haben jetzt gut acht Wochen Zeit bis zur Bundestagswahl, bis zum 27.9., und wir haben in verschiedenen Wahlkämpfen die Erfahrung gemacht, dass die Bürgerinnen und Bürger genau hingucken, lange abwarten, bevor sie sich festlegen. Ich glaube, das wird auch in diesem Jahr der Fall sein. Wir haben eine Distanz, die wir überholen müssen oder sozusagen überwinden müssen und wir müssen jetzt über die Inhalte sprechen, die am 27.9. zur Entscheidung stehen.
Herter: Aber einige ihrer Genossen sprechen auch über Ziele, so sagt der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf, 30 Prozent sei ein wunderbares Ergebnis, wenn die SPD es erreiche. Sind Ihre Erwartungen einfach unrealistisch?
Wasserhövel: Nein, unsere Erwartungen sind nicht unrealistisch, es geht auch jetzt nicht darum, welche Erwartungen wir als Partei alleine haben, sondern es geht um die Richtungsentscheidung, die am 27.9. ansteht und das ist keine Kleinigkeit, um die es da geht. Es wird Politik da festgelegt für die kommenden Jahre, für einen längeren Zeitraum, und die Grundsatzfrage ist die: Werden eigentlich Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise gezogen oder folgt man sozusagen dem Prinzip, nach der Krise ist vor der Krise, und will da nichts verändern, so wie es die Frau Bundeskanzlerin vor kurzem mal wieder formuliert hat? Es geht um die Frage, ob wir eine Politik machen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt und sozusagen den Mindestlohn auch durchsetzt. Das sind alles Dinge, die die Menschen bewegen und mit denen sie sich beschäftigen. Darüber sprechen wir in diesem Wahlkampf, und deswegen glauben wir, dass wir da viel auch gewinnen können.
Herter: Sie liegen in den Umfragen bei 23 bis 25 Prozent, das hieße, sie könnten Schwarz-Gelb nicht verhindern - wie wollen Sie denn dann Ihre Inhalte umsetzen?
Wasserhövel: Wir haben bei der letzten Bundestagswahl mit gleichem zeitlichen Abstand zur Bundestagswahl weiter zurückgelegen auf die Union als dieses Mal, und das ist eine Distanz, ich sage Ihnen das, Herr Herter, die man überwinden kann durch einen engagierten Wahlkampf. Wir starten heute mit unserer Wahlkampfkonferenz, Frank-Walter Steinmeier wird da den Aufschlag machen, Franz Müntefering wird sprechen, die Wahlkampfleiterinnen und -leiter, die Kandidatinnen und Kadidaten aus der ganzen Republik sind da. Ich werde die Kampagne vorstellen und dann werden wir acht Wochen sozusagen da in die Diskussion einsteigen und die Union wird es nicht schaffen, dem Wahlkampf in den nächsten acht Wochen auszuweichen. Sie versuchen das ja, das ist ja erkennbar. Wenn ich mir das Wahlprogramm der Union anschaue, da ist da kein konkreter Punkt drin, das ist eine einzige ewige Präambel.
Herter: Haben Sie das bisher schon ausgenutzt, zum Beispiel, wenn es um den Europastreit zwischen CDU und CSU ging? Da hatte man den Eindruck, das ist eine unionsinterne Sache.
Wasserhövel: Ja, manchmal ist es taktisch auch klüger, die untereinander streiten zu lassen und es geht nicht darum, dass man die Zwistigkeiten alle fünf Minuten kommentiert. Wenn man das machen würde, hätten wir ja sonst auch nichts mehr zu tun, das ist ja nicht nur bei der Europapolitik so, sondern es war ja auch bei der Steuerfrage so, ist an anderen Punkten auch so. Nein, wir müssen über die Dinge sprechen, die wir vorschlagen als Kurs für die kommenden Jahre, aber natürlich auch den Gegenschnitt machen, was wäre die Alternative, nämlich Schwarz-Gelb, und was würde das bedeuten?
Herter: Herr Wasserhövel, lassen Sie uns mal kurz hören, was Richard Hilmer von Infratest dimap gestern im Deutschlandfunk gesagt hat.
Richard Hilmer: Ganz offensichtlich wird innerhalb der Großen Koalition die Meriten, die ihr durchaus zugeschrieben werden, gerade auch was die Krisenbekämpfung anbetrifft, da sind die Bürger durchaus zufrieden, aber von diesen Meriten profitiert eben in erster Linie die Union und vor allen Dingen die Kanzlerin und die SPD tut sich da schwer, ihren Anteil deutlich zu machen.
Herter: Ist die große Koalition zur Falle für die SPD geworden, Herr Wasserhövel?
Wasserhövel: Wir haben die Große Koalition, wenn man sich recht erinnert, ja nicht gesucht und die Union auch nicht, das Wahlergebnis war damals so, wir waren knapp aneinander, der Unterschied war ja jetzt nicht so groß. Wir haben in den vergangenen Jahren gute Politik auch durchsetzen können in der Großen Koalition, der Koalitionsvertrag trägt unsere sozialdemokratische Handschrift. Es geht nicht darum, sich davon zu distanzieren, sondern man kann die Erfolge schon selbstbewusst für sich reklamieren. Aber jetzt geht es darum: Welche Politik soll in den kommenden Jahren gemacht werden? Darüber entscheiden die Bürgerinnen und Bürger am 27.9. und man entscheidet darüber, wenn man eine Partei wählt, aber man entscheidet auch, wenn man sozusagen meint, man könnte zu Hause bleiben. Das ist ein gravierender Tag da am 27.9., und der Wahlkampf ist dafür da, jetzt die Unterschiede deutlich zu machen und Bürgerinnen und Bürgern Alternativen zu bieten.
Herter: Es geht also auch um Mobilisierung Ihrer Stammwähler, aber der Wert Ihres Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier verharrt seit Monaten im Umfragekeller. Ist Steinmeier beratungsresistent, Herr Wasserhövel?
Wasserhövel: Frank-Walter Steinmeier ist ein hochkompetenter Politiker, er genießt hohes Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern und die Neugierde auf ihn ist groß und ich freue mich auf das, was heute kommt mit unserer Wahlkampfkonferenz, aber auch auf die nächsten Tage, wo er sein Team auch vorstellen wird. Er wird in der nächsten Woche auf Tour gehen und es wird eine Vielzahl von Wahlkampfveranstaltungen geben, hin auf den 27.9., und ich weiß und bin mir sicher, dass er die Bürgerinnen und Bürger gewinnen kann.
Herter: Geben Sie ihm die falschen Ratschläge, weil, an seinen Umfrageergebnissen ändert sich ja wenig an der Beliebtheitsskala?
Wasserhövel: Wir sind hier nicht sozusagen im Beauty-Contest, um es auch mal so zu formulieren, Frank-Walter Steinmeier hat auch gesagt, Politik ist keine Castingshow, es geht nicht darum, dass man in jedem Augenblick im Grunde genommen immer der Publikumsliebling ist, sondern man muss als jemand, der sich für das Amt des Bundeskanzlers bewirbt – und das ist ja keine Kleinigkeit –, auch in der Lage sein, sich in den Wind zu stellen, die eigene Linie da auch zu fahren, die Dinge zu beschreiben, die einem wichtig sind, die einen antreiben. Das macht er. Das wird er jetzt auch in diesem Bundestagswahlkampf tun.
Herter: Ist das "schrödern", Herr Wasserhövel, muss er mehr "schrödern"?
Wasserhövel: Es gibt unterschiedliche Wege nach oben, lassen Sie mich das mal so formulieren, und Frank-Walter Steinmeier hat seine eigene Art, die Menschen auch anzusprechen, er genießt, wie gesagt, hohes Vertrauen. Aber Sie wissen auch: Das ist jemand, der nicht nur zuhört, der nicht nur moderieren kann, sondern vor allen Dingen auch entscheiden kann und auch führen kann, und das wird auch deutlich werden.
Herter: Sie haben schon verschiedene Male die Dramaturgie Ihres Wahlkampfauftaktes erwähnt. Wäre es da nicht besser gewesen, SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wäre zu Hause geblieben oder höchstens, sagen wir mal, nach Holland gefahren und nicht nach Spanien?
Wasserhövel: Na ja, das sind so Geschichten, die dann manchmal auch da reinkommen, aber wichtig ist ja, dass sie klargemacht hat - und da wird sie auch noch dem Deutschen Bundestag Rede und Antwort stehen, wenn da der Bedarf besteht -, dass sie sich da korrekt verhält. Dass der Dienstwagenklau nicht bei uns in der Terminliste mit drinstand, das können Sie mal unterstellen.
Herter: Was halten Sie denn von Politikern, die sich ausgerechnet einen S-Klasse Mercedes als Dienstwagen genehmigen? Ende der 80er-Jahre galten Sie als linker Juso.
Wasserhövel: Das sind ja verschiedene Fahrzeuge bei der Bundesregierung, die da genutzt werden, das gilt für alle Ministerien so, das sind die gängigen deutschen Automarken, damit kann ich aber auch umgehen.
Herter: Wird Frau Schmidt auch zum Kompetenzteam von Frank-Walter Steinmeier gehören?
Wasserhövel: Diese ganzen Fragen wird Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag auf einer Pressekonferenz beantworten.
Herter: Frau Schmidt will auch zukünftig regieren, hat sie spät entschieden, aber das ist kein Geheimnis. Sie dürfte also zum Schattenkabinett gehören.
Wasserhövel: Es ist so, dass wir eine erfolgreiche und gute Regierungsmannschaft haben, gute Ministerinnen und Minister. Das ist auch der starke Teil des Kabinetts, um mal sehr deutlich zu sagen, und Ulla Schmidt ist jemand, die eine erfolgreiche Gesundheitspolitik macht in einem ganz schwierigen Gelände, da macht man sich nicht nur Freunde, das muss man halt auch wissen. Aber zu den ganzen Fragen des Teams werden Sie von mir heute Morgen sonst keinen Mucks hören, das wird alles Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag machen.
Herter: Geht es Steinmeier nicht im Grunde darum, mit der Aufstellung eines Schattenkabinetts - denn noch ist die SPD ja an der Regierung beteiligt - die Verantwortung für die Niederlage auf viele Schultern zu verteilen?
Wasserhövel: Ach, das ist, also … Es geht darum, dass Politik verschiedene Themenbereiche natürlich auch umfasst und mit dem Team wird auch deutlich sein: Wir haben da eine erfahrene Gruppe von Leuten, wir haben frische Kräfte, die auch mithelfen, mit einsteigen in diesen Wahlkampf und sozusagen eine Reihe von neuen Ideen, die da auch eine Rolle spielen werden. Und das ist jetzt die nächste Stufe, der Einstieg in die eigentlich heiße Phase des Bundestagswahlkampfes, wie gesagt, heute mit der Wahlkampfkonferenz, dann mit der Klausur, mit der Teampräsentation, aber dann auch mit einer Reihe von weiteren Punkten, die in den nächsten Tagen kommen.
Herter: Ist es Strategie, das zu veranstalten, solange die Kanzlerin im Urlaub ist und die Union vielleicht noch nicht ganz wief? (Bayerisch für "agil", Anmerkung der Online-Redaktion)
Wasserhövel: Wir haben eine größere Distanz zu überwinden, das ist ja gar keine Frage, und wir haben ein Interesse daran, dass ein Wahlkampf stattfindet, dass die Alternativen klar werden, und damit fangen wir jetzt an.
Herter: War es ein Fehler, nicht schon früher auf Konfrontationskurs zu gehen, zum Beispiel beim Wahlrecht?
Wasserhövel: Es geht nicht um Konfrontation um der Konfrontation willen, es geht immer darum, die eigene Linie zu beschreiben, aber die Unterschiede deutlich zu machen, und es geht nicht darum, dass man bei jeder Gelegenheit anfängt, sich gegenseitig da vor die Knie zu treten. Ich glaube, das würden die Bürgerinnen und Bürger auch nicht gut finden. Und es gibt nun mal in einer Koalition Verabredungen, wie man im Parlament vorgeht. Wir hätten eine Veränderung des Wahlrechts gut gefunden, weil das Verfassungsgericht das ja auch klar markiert hat, wir finden die Blockadehaltung der Union an der Stelle falsch. Aber trotzdem gibt es Regeln, wie man in einer Koalition sich verhält, auch im Parlament, und an die halten wir uns.
Herter: Herr Wasserhövel, glauben Sie eigentlich an Wunder?
Wasserhövel: Ich glaube daran, dass man durch einen engagierten Wahlkampf einen Wahlkampf gewinnen kann, ja.
Herter: Kajo Wasserhövel, Bundesgeschäftsführer der SPD, über den schwierigen Wahlkampfstart der Sozialdemokraten in dieser Woche. Danke für das Gespräch!
Wasserhövel: Ich danke Ihnen!