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"Ich bin sehr froh über dieses Wahlergebnis"

Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, hat sich zufrieden über den Ausgang der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl geäußert. Es sei gut für die EU, dass drei Pro-Europäer drei Viertel der Stimmen erhalten hätten, sagte Pöttering. Zudem sei die hohe Wahlbeteiligung von über 85 Prozent phänomenal gewesen. Pöttering fügte hinzu, er sei erleichtert darüber, dass der rechtsextreme Politiker Le Pen abgeschlagen sei. Dies sei ein wunderbares Signal für Frankreich und die EU.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: So elektrisiert hat unsere französischen Nachbarn offenbar noch keine Präsidentschaftswahl in der fünften Republik. Die Wahlbeteiligung bildet mit etwa 85 Prozent einen Rekord im ersten Wahlgang. In zwei Wochen also der zweite Wahlgang und für den haben sich wie gesagt qualifiziert Nicolas Sarkozy, der frühere Innenminister von den Konservativen, und die Sozialistin Ségolène Royal. Wer Präsident wird, die Entscheidung fällt wie erwähnt in 14 Tagen.

    Am Telefon begrüße ich nun Hans-Gert Pöttering von der EVP. Er ist Präsident des Europaparlamentes. Guten Morgen Herr Pöttering!

    Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen Herr Meurer!

    Meurer: Wie sehr entspricht das Ergebnis dem, was Sie erwartet haben?

    Pöttering: Es ist doch etwas deutlicher als ich gedacht hatte. Der Abstand zwischen Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal, diese fünf Punkte sind doch etwas mehr als ich dachte. Ich hatte geglaubt, sie liegen etwas näher beieinander. Aber generell muss man sagen, die Wahlbeteiligung war phänomenal in Frankreich und dass drei Pro-Europäer, sowohl Nicolas Sarkozy wie Ségolène Royal als auch Francois Bayrou, drei Viertel der Stimmen auf sich vereinigt haben, das ist gut für Frankreich und das ist auch gut für Europa. Ich bin sehr froh über dieses Wahlergebnis.

    Meurer: Sie kennen Sarkozy ja aus seiner Zeit im Europaparlament. Er war mal in Ihrer Fraktion, der EVP. Fast halb Frankreich hat große Probleme mit ihm, hält ihn für zu konservativ, für zu rechts. Wie finden Sie ihn?

    Pöttering: Ja, das ist natürlich immer eine Einstellung oder ein Bild, das man einem Kandidaten gibt. Ich glaube, dass jetzt gestern Abend schon deutlich geworden ist, dass er versucht, sich zur Mitte hin zu orientieren in seinen Äußerungen, die ja sehr gemäßigt waren. Ich glaube, dass er ein Mann ist, der auf der einen Seite versuchen will, Frankreich mehr innere Sicherheit zu geben, der aber andererseits auch offen ist nicht nur für die weitere Einigung Europas, sondern auch offen ist in der Welt. Er ist ja kein Anti-Amerikaner, sondern hat eher eine positive Einstellung zu Amerika bei allen Differenzen, die es natürlich mit Amerika gibt. Also das Bild ist nicht so schwarz-weiß, wie es manche glauben.

    Was Ségolène Royal angeht: Sie hat es geschafft, die Linke doch wieder zu einen. Das ist auch gut für Europa, dass es nicht eine Zersplitterung gibt. Francois Bayrou als ein Mann der Mitte ist sehr pro-europäisch. Das alles zusammen genommen ist ein sehr positives Ergebnis für Frankreich und für Europa.

    Meurer: Ist Ségolène Royal deutschland-freundlicher als Sarkozy?

    Pöttering: Nicolas Sarkozy kenne ich als jemand, der immer auf Deutschland gesetzt hat in einem Sinne, dass es eine gute Zusammenarbeit geben muss zwischen Frankreich und Deutschland. Allerdings sagt er auch - und das halte ich im Kern für richtig -, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht dominant, nicht dominierend sein darf. Sie darf nicht die anderen bevormunden. Man braucht andere Partner. Wir müssen das gemeinschaftliche Europa, also alle in den Blick nehmen. Dafür stehen eigentlich sowohl Nicolas Sarkozy wie Ségolène Royal. Insofern sind beide Bewerber jetzt für den zweiten Wahlgang und wer es dann am Ende wird aus deutscher Sicht sehr akzeptable Persönlichkeiten.

    Meurer: Auf wen hoffen Sie?

    Pöttering: Ich möchte als Parlamentspräsident da nicht eingreifen. Ich bin gewählt worden mit den Stimmen sowohl der einen wie der anderen. Die französischen Sozialisten haben vielleicht bei der Parlamentspräsidentenwahl sich etwas zurückhaltender gegenüber dem Kandidaten der Europäischen Volkspartei verhalten. Ich bin jetzt aber der Präsident im Parlament für alle. Ich kenne Nicolas Sarkozy natürlich durch diese Zusammenarbeit über die Jahre sehr gut. Sollte er es werden, wird er pro-europäisch handeln. Sollte es Ségolène Royal werden, erwarte ich im Kern das gleiche.

    Meurer: Jean-Marie Le Pen hat für seine Verhältnisse recht schwach abgeschnitten, etwas mehr als 10 Prozent. Sie machen ja als Parlamentspräsident in Straßburg recht unerfreuliche Erfahrungen in der letzten Zeit mit den Rechtsradikalen. Sind Sie erleichtert über das Ergebnis für Le Pen?

    Pöttering: Ja, ich bin sehr erleichtert über dieses Wahlergebnis. Er ist ja mächtig abgeschlagen. Vor fünf Jahren war es ja so, dass er in den zweiten Wahlgang kam, was dann zu diesem phänomenalen Ergebnis für Jacques Chirac führte. Das ist eigentlich die ganz große und gute Botschaft in Frankreich, dass der Rechtsradikalismus sich jetzt nicht so durchgesetzt hat und die Wählerinnen und Wähler sich doch mehr zur Mitte hin orientieren. Nicolas Sarkozy ist ein Mann von der Mitte-Rechts, Ségolène Royal von Mitte-Links, Francois Bayrou von der Mitte, aber es geht doch alles zur Mitte hin. Das ist ein wunderbares Signal für Frankreich und für die Europäische Union.

    Meurer: Wie sehr, Herr Pöttering, hat der Wahlkampf in Frankreich, der ja zusammen fällt und zusammen fiel mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die noch bis Ende Juni dauern wird, die Entwicklung in der EU bisher gebremst?

    Pöttering: Er hat überhaupt nicht die Entwicklung gebremst. Frankreich hat einen handlungsfähigen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Jacques Chirac war bei dem Gipfeltreffen dabei und hat auch die Berliner Erklärung, die ja eine gemeinsame Erklärung des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission war, mitgetragen. Der 25. März in Berlin war ein gutes Signal für Europa und ich erwarte jetzt auf dem Gipfel am 21. und 22. Juni, dass es möglich wird, dass wir in der Führung von Angela Merkel, unserer Bundeskanzlerin, mit einer sehr starken Unterstützung des Europäischen Parlaments Entscheidungen treffen, wie es jetzt mit dem Verfassungsvertrag weitergeht. Nach dem Wahlergebnis jetzt in Paris, in Frankreich bin ich sehr zuversichtlich.

    Meurer: Frau Royal will ja, wenn sie Präsidentin wird, im Jahr 2009 noch einmal eine Volksabstimmung über die Verfassung abhalten. Das war ja der Schock gewesen vor einigen Jahren, dass die Franzosen Nein gesagt haben. Ist Frau Royal da gut beraten, oder wiederholt sie den Fehler von Jacques Chirac?

    Pöttering: Ich möchte da keine Ratschläge geben. Das ist die Entscheidung Frankreichs, wie man dort prozedural vorgeht. Nicolas Sarkozy hat immer gesagt wenn er gewählt wird, dann hat er auch ein Mandat für den Inhalt des Verfassungsvertrages, den er ein wenig reduzieren möchte. Es ist aber aus unserer Sicht des Parlaments entscheidend, dass die Substanz gewahrt wird. Er möchte dann den Vertrag dem Parlament vorlegen und er sagt wenn er der Präsident Frankreichs ist, hat er dafür ein Mandat. Ich finde das ein sehr vernünftiges Verfahren.

    Meurer: Er will ja nur einen einfachen Änderungsvertrag haben. Ist es das, was Sie sich von französischer Seite erhoffen?

    Pöttering: Niemand, Herr Meurer, entscheidet in Europa alleine. Hier gibt es 27 Länder, größere und kleinere. Alle haben ihre Bedeutung. Es gibt das Europäische Parlament. Es gibt die Kommission. Am Ende wird man sich im Sinne eines Kompromisses einigen müssen und da können weder die Minimalisten noch die Maximalisten am Ende sich durchsetzen, sondern es muss einen Kompromiss geben, der die Substanz, den wirklichen notwendigen weiterführenden Inhalt des Vertrages in die Zukunft führt. Dazu gehören die notwendigen Reformen. Dazu gehören aber auch ganz ausdrücklich die Werte, die die Europäer verbinden. Dafür wird das Europäische Parlament kämpfen. Wer immer in Europa und in den Mitgliedsstaaten Verantwortung trägt, muss kompromissbereit sein und das erwarte ich auch vom zukünftigen französischen Präsidenten oder der Präsidentin.

    Meurer: Sind die Chancen dafür insgesamt gestiegen, auch, Herr Pöttering, wenn man blickt auf London? Tony Blair hat gesagt, er will auf eine Volksabstimmung verzichten.

    Pöttering: Die Chancen sind sehr gestiegen und vor allem sind die Chancen sehr gestiegen, dass es ein Mandat gibt noch unter deutscher Präsidentschaft. Alle bewegen sich, auch die Polen bewegen sich. Wir sind ja mit allen im guten Kontakt. Ich habe eine Einladung aus Anlass des polnischen Nationaltages am 2. Mai in einer großen Veranstaltung im polnischen Parlament zu diskutieren über die Einigung Europas. Das alles sind sehr positive Signale aus Warschau, aus Paris, aus London. Ich bin zuversichtlich, aber wir sind noch nicht am Ziel. Man darf nicht den Tag vor dem Abend loben. Alles in allem entwickelt sich Europa aber in die richtige Richtung.

    Meurer: Schönen Dank! - Das war Hans-Gert Pöttering, der Präsident des Europaparlamentes. Danke Ihnen und auf Wiederhören!

    Pöttering: Auf Wiederhören Herr Meurer.