Meurer: In Hessen schlägt vielleicht in dieser Woche schon die Stunde der Wahrheit. Die SPD-Landtagsfraktion kommt zu einer Sitzung zusammen und sie wird ja eine ganz entscheidende Rolle spielen am 5. April, wenn der neue Landtag zusammenkommt. Roland Koch will sich dann zur Wahl stellen, wenn er über eine eigene Mehrheit verfügt. Das gleiche wird dann wohl auch Andrea Ypsilanti tun. Parteichef Kurt Beck hatte vor der Hamburg-Wahl das mögliche und heftig umstrittene Szenario abgesegnet, bei dem die Linken Frau Ypsilanti wählen würden. Und am Sonntag hat Kurt Beck dann am Abend sich im Willy-Brandt-Haus für diesen Zeitpunkt seiner Äußerung entschuldigt.
O-Ton Beck: Ich will darauf hinweisen, dass es in den letzten Tagen eine Diskussion gegeben hat, die zu Irritationen geführt hat. Wenn ich selber einen Beitrag dazu geleistet habe, dann bedauere ich dies. Aber ich will auch deutlich sagen, dass ich kein Anzeichen dafür sehe, dass in diesem Wahlergebnis ein merkbarer Effekt enthalten ist.
Meurer: Kurt Beck entschuldigte sich also für die Irritationen letzte Woche, aber in der Sache lässt die Bundes-SPD der hessischen SPD freie Hand bei der Regierungsbildung. So der Beschluss gestern der SPD-Spitzengremien. - Ich habe Jürgen Walter gefragt, den stellvertretenden SPD-Fraktionschef in Wiesbaden, wie er diese Entscheidung aus Berlin findet.
Walter: Ich bin sehr unzufrieden mit dieser Entscheidung gestern aus Berlin. In diesem Beschluss des Bundesvorstandes wurde meines Erachtens völlig zu Recht festgehalten, dass die Linke in zentralen Fragen der Politik unüberbrückbare Gegensätze zur SPD aufweist. Es heißt in dem Beschluss auch, dass diese Partei ohne Programm sei, also unberechenbar. Es heißt weiter, dass die Mitgliederstruktur eine verantwortliche Regierungsarbeit unmöglich mache. Es heißt es wären DKP-Mitglieder Mitglied bei der Linkspartei. Und dann der zentrale Satz: "Damit ist die unabdingbare Verbindung von Demokratie und Freiheit nicht geklärt". Wer solche Sätze beschließt, der muss sich fragen lassen, wieso dann eine Zusammenarbeit auf der Länderebene jedenfalls möglich sein soll. Ich habe das nicht ganz verstanden.
Meurer: Eigentlich müssten Sie ja froh sein, wenn Berlin sagt, das sollen die in Hessen regeln wie sie wollen. Was stört Sie trotzdem?
Walter: Es war bisher immer schon gute Tradition innerhalb der SPD gewesen, dass die Länder über die Frage von Koalitionen entscheiden. Allerdings ist der Umgang mit der Partei Die Linke natürlich ein völlig neuer Vorgang. Das ist etwas, in dem die Linie der Bundesebene und auch der hessischen SPD bislang anders war. Man muss allerdings auch feststellen, dass die Situation in Hessen völlig verfahren ist. Bislang weigert sich die FDP, sich auch nur mit uns an den Tisch zu setzen, und ich denke deshalb hat Andrea Ypsilanti, die als unsere Partei- und Fraktionsvorsitzende das Pre in dieser Entscheidung hat, letztlich gar keine andere Wahl, als auch diese Möglichkeit jedenfalls nicht von Vornherein auszuschließen.
Meurer: Dass Kurt Beck das schon eine Woche vor der Wahl gesagt hat, hat Sie das geärgert?
Walter: Das war nicht die Hessen-Wahl; das war die Hamburg-Wahl. Wenn ich Hamburger Genosse wäre, hätte mich das sehr gestört.
Meurer: Natürlich, die Hamburg-Wahl!
Walter: Dann hätte mich das deutlich mehr geärgert. Ich glaube jedenfalls es war nicht hilfreich für die Hamburg-Wahl, so wie dies auch für andere Wahlen in Zukunft nicht hilfreich sein wird.
Kurt Beck hat vor der Landtagswahl in Hessen - wie andere auch - gesagt, Dass wir uns auch nicht mit den Stimmen der Linken wählen lassen werden. Das Problem wird sein, wenn er dies nun vor der Bundestagswahl sagen wird, dass er oder andere sich nicht mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler oder zur Bundeskanzlerin wählen lassen wird, haben wir ein hohes Glaubwürdigkeitsproblem. Dieser Satz wäre dann im Bereich des politischen Kabaretts. Deshalb befürchte ich, dass wir mit diesem Beschluss gestern eine völlige Neujustierung der Grundlinie der SPD haben, dass damit letztlich auch der Weg für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit dieser Linkspartei auf der Bundesebene eröffnet ist, und ich kann Ihnen sagen, dass ich persönlich der Auffassung bin, eine Zusammenarbeit mit Leuten wie Lafontaine zu eröffnen halte ich für katastrophal für die SPD.
Meurer: Sie drücken Ihre großen Bauchschmerzen aus, Herr Walter, aber trotzdem, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, ganz hundertprozentig schließen Sie nicht aus, dass am 4. April Andrea Ypsilanti gewählt wird mit Hilfe der linken abgeordneten?
Walter: Das kann ich ganz ausschließen, weil diese konstituierende Sitzung am 5. April sein wird. Aber in der Tat: die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti hat das Pre in dieser Entscheidung. Wir haben wie alle Parteien vor dieser konstituierenden Sitzung natürlich einen Landesparteitag. Wenn Andrea Ypsilanti auch auf diesem Parteitag den Weg frei macht für eine Wahl mit den Stimmen der Linken, dann ist meine Auffassung, dass wir als Abgeordnete diesem Beschluss der SPD, unserer Partei- und Fraktionsvorsitzenden auch zu folgen haben.
Meurer: Dann stimmen Sie gegen Ihre Überzeugung, Herr Walter!
Walter: Ich stimme für den Beschluss meiner Partei und für meine Spitzenkandidatin, für meine Partei- und Fraktionsvorsitzende, die sich einen Beschluss auf einem Parteitag geholt hat, und ich wähle meine Spitzenkandidatin dann zur Ministerpräsidentin in Hessen und ich werde dann auch alles dafür tun, dass alle weiteren Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion entsprechend abstimmen. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass die Stimmen der SPD-Fraktion in diesem Falle geschlossen für Andrea Ypsilanti kommen würden.
Meurer: Dann geben Sie ja jetzt den Kampf schon fast verloren und sagen nicht, wir versuchen auf dem Landesparteitag zu erreichen, dass es auf gar keinen Fall so kommen wird?
Walter: Nein, das ist nicht richtig, weil unsere erste Priorität liegt nicht an der Tolerierung der Linken, sondern unsere erste Priorität - und auch dies hat der Beschluss der Bundes-SPD gestern deutlich gemacht - liegt dabei, jetzt noch einmal zu versuchen, auf die anderen Parteien zuzugehen, um eine tragfähige, eine stabile Koalition in Hessen hinzubekommen. Das ist auch der Wunsch von Andrea Ypsilanti. Das heißt wir wenden uns jetzt noch einmal an alle Parteien, an CDU, an FDP und an die Grünen, und wir haben das Ziel, Sondierungsgespräche zu führen. Ich gehe davon aus, dass eine Sondierungskommission begründet wird, und ich hoffe sehr, dass die anderen Parteien, die sich ja nun auch ein Stück weit bewegen müssen - es geht hier immer nur um die SPD, aber auch die anderen Parteien verharren ja in ihren Schützengräben -, dass insbesondere die FDP sich im Interesse des Landes Hessen nun mal aus dieser Situation "mit euch reden wir nicht" heraus begibt und wir endlich anfangen, über die Inhalte zu reden.
Meurer: Auf der anderen Seite, Herr Walter, kann die FDP sagen, wir halten unser Wort und die SPD droht, wortbrüchig zu werden.
Walter: Die FDP hält ihr Wort durch die Verweigerung von Politik. Ich glaube nicht, dass dies ein zulässiger Weg ist, wenn man für sich behauptet, dass man Politik im Interesse der Menschen macht. Hessen ist ein wichtiges Bundesland. Wir haben zentrale Herausforderungen: Ausbau des Frankfurter Flughafens, Infrastruktur, die Umgestaltung unseres Schulsystems nach der katastrophalen Zeit der CDU. Viele, viele dieser Punkte haben wir mit der FDP in der gemeinsamen Oppositionszeit relativ identisch kritisiert und auch was eigene Ansätze angeht: Es gibt sie ja. Ich denke die inhaltlichen Schnittmengen der FDP sind so groß, dass die FDP sich eigentlich nicht verweigern dürfte, sich jedenfalls zu einem Sondierungsgespräch mit der SPD zusammenzufinden. Wir verlangen die und die Punkte für unser Land Hessen. Dann könnte die FDP ja immer noch sagen, das ist uns zu viel, das können wir nicht machen. Das wäre der normale Vorgang.
Meurer: Aber sie tut es nun mal. Die FDP sagt klipp und klar, es ist keine Situation vorstellbar, in der man mit Andrea Ypsilanti zusammenarbeiten will. Sie könnten jetzt für eine Große Koalition plädieren?
Walter: Die FDP hat das bisher gesagt.
Meurer: Sie hat es heute Morgen noch mal gesagt!
Walter: Nach dem Beschluss der Bundes-SPD werden wir uns auch an die CDU wenden, wobei klar sein muss, dass eine Zusammenarbeit mit der CDU jedenfalls dann nicht in Frage kommen kann, wenn Roland Koch eine solche Konstellation anführt. Roland Koch hat diese Wahl auch als Person verloren. Roland Koch als Ministerpräsident ist untragbar in diesem Lande Hessen. Das gilt übrigens nicht nur für die SPD-Mitglieder, sondern ich glaube, dass Roland Koch auch für einen Großteil der Bevölkerung in unserem Lande Hessen nicht mehr als Ministerpräsident tragbar ist.
Meurer: Also eine Große Koalition wäre denkbar, wenn die CDU einen anderen Ministerpräsidenten hervorholt?
Walter: Wir werden auf alle Parteien, auf Grüne, auf FDP und auf CDU zugehen mit einem Mindestkatalog. So heißt es in dem Beschluss der Bundes-SPD. Und wir werden Sondierungsgespräche führen.
Meurer: Reden wir noch mal kurz über den 5. April, nicht den 4. April, Herr Walter. Wie groß ist die Gefahr, dass Andrea Ypsilanti am 5. April das Schicksal von Heide Simonis erleidet?
Walter: Relativ gering, weil ich nämlich der festen Überzeugung bin, dass es eine große Chance gibt, eine stabile Koalition in den nächsten fünf Wochen zu erreichen. Selbst wenn dies nicht gelingt, kann ich jedenfalls für die SPD garantieren, dass die SPD ihrer Parteivorsitzenden selbstverständlich als Fraktion geschlossen das Votum erteilt. Allerdings haben Sie Recht: Es bestehen Gefahren. Ich persönlich bin nicht sicher, inwieweit man dieser Partei Die Linke tatsächlich trauen kann. Sehen Sie der Hauptfeind der so genannten Linkspartei ist die SPD. Das wird immer wieder angesprochen. Man könnte natürlich aus Sichtweise einer linken Politikerin oder eines linken Politikers in einer geheimen Abstimmung mit Nein stimmen, wissend, dass die Schuld möglicherweise auf den einen oder anderen SPD-Abgeordneten zugeschoben wird, um dann eine große Verunsicherung, eine große Schwächung der SPD zu erzeugen. Dieses Risiko halte ich in der Tat für gegeben.
Meurer: Das war Jürgen Walter, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag. Herr Walter, schönen Dank und auf Wiederhören!
Walter: Vielen Dank!
O-Ton Beck: Ich will darauf hinweisen, dass es in den letzten Tagen eine Diskussion gegeben hat, die zu Irritationen geführt hat. Wenn ich selber einen Beitrag dazu geleistet habe, dann bedauere ich dies. Aber ich will auch deutlich sagen, dass ich kein Anzeichen dafür sehe, dass in diesem Wahlergebnis ein merkbarer Effekt enthalten ist.
Meurer: Kurt Beck entschuldigte sich also für die Irritationen letzte Woche, aber in der Sache lässt die Bundes-SPD der hessischen SPD freie Hand bei der Regierungsbildung. So der Beschluss gestern der SPD-Spitzengremien. - Ich habe Jürgen Walter gefragt, den stellvertretenden SPD-Fraktionschef in Wiesbaden, wie er diese Entscheidung aus Berlin findet.
Walter: Ich bin sehr unzufrieden mit dieser Entscheidung gestern aus Berlin. In diesem Beschluss des Bundesvorstandes wurde meines Erachtens völlig zu Recht festgehalten, dass die Linke in zentralen Fragen der Politik unüberbrückbare Gegensätze zur SPD aufweist. Es heißt in dem Beschluss auch, dass diese Partei ohne Programm sei, also unberechenbar. Es heißt weiter, dass die Mitgliederstruktur eine verantwortliche Regierungsarbeit unmöglich mache. Es heißt es wären DKP-Mitglieder Mitglied bei der Linkspartei. Und dann der zentrale Satz: "Damit ist die unabdingbare Verbindung von Demokratie und Freiheit nicht geklärt". Wer solche Sätze beschließt, der muss sich fragen lassen, wieso dann eine Zusammenarbeit auf der Länderebene jedenfalls möglich sein soll. Ich habe das nicht ganz verstanden.
Meurer: Eigentlich müssten Sie ja froh sein, wenn Berlin sagt, das sollen die in Hessen regeln wie sie wollen. Was stört Sie trotzdem?
Walter: Es war bisher immer schon gute Tradition innerhalb der SPD gewesen, dass die Länder über die Frage von Koalitionen entscheiden. Allerdings ist der Umgang mit der Partei Die Linke natürlich ein völlig neuer Vorgang. Das ist etwas, in dem die Linie der Bundesebene und auch der hessischen SPD bislang anders war. Man muss allerdings auch feststellen, dass die Situation in Hessen völlig verfahren ist. Bislang weigert sich die FDP, sich auch nur mit uns an den Tisch zu setzen, und ich denke deshalb hat Andrea Ypsilanti, die als unsere Partei- und Fraktionsvorsitzende das Pre in dieser Entscheidung hat, letztlich gar keine andere Wahl, als auch diese Möglichkeit jedenfalls nicht von Vornherein auszuschließen.
Meurer: Dass Kurt Beck das schon eine Woche vor der Wahl gesagt hat, hat Sie das geärgert?
Walter: Das war nicht die Hessen-Wahl; das war die Hamburg-Wahl. Wenn ich Hamburger Genosse wäre, hätte mich das sehr gestört.
Meurer: Natürlich, die Hamburg-Wahl!
Walter: Dann hätte mich das deutlich mehr geärgert. Ich glaube jedenfalls es war nicht hilfreich für die Hamburg-Wahl, so wie dies auch für andere Wahlen in Zukunft nicht hilfreich sein wird.
Kurt Beck hat vor der Landtagswahl in Hessen - wie andere auch - gesagt, Dass wir uns auch nicht mit den Stimmen der Linken wählen lassen werden. Das Problem wird sein, wenn er dies nun vor der Bundestagswahl sagen wird, dass er oder andere sich nicht mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler oder zur Bundeskanzlerin wählen lassen wird, haben wir ein hohes Glaubwürdigkeitsproblem. Dieser Satz wäre dann im Bereich des politischen Kabaretts. Deshalb befürchte ich, dass wir mit diesem Beschluss gestern eine völlige Neujustierung der Grundlinie der SPD haben, dass damit letztlich auch der Weg für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit dieser Linkspartei auf der Bundesebene eröffnet ist, und ich kann Ihnen sagen, dass ich persönlich der Auffassung bin, eine Zusammenarbeit mit Leuten wie Lafontaine zu eröffnen halte ich für katastrophal für die SPD.
Meurer: Sie drücken Ihre großen Bauchschmerzen aus, Herr Walter, aber trotzdem, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, ganz hundertprozentig schließen Sie nicht aus, dass am 4. April Andrea Ypsilanti gewählt wird mit Hilfe der linken abgeordneten?
Walter: Das kann ich ganz ausschließen, weil diese konstituierende Sitzung am 5. April sein wird. Aber in der Tat: die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti hat das Pre in dieser Entscheidung. Wir haben wie alle Parteien vor dieser konstituierenden Sitzung natürlich einen Landesparteitag. Wenn Andrea Ypsilanti auch auf diesem Parteitag den Weg frei macht für eine Wahl mit den Stimmen der Linken, dann ist meine Auffassung, dass wir als Abgeordnete diesem Beschluss der SPD, unserer Partei- und Fraktionsvorsitzenden auch zu folgen haben.
Meurer: Dann stimmen Sie gegen Ihre Überzeugung, Herr Walter!
Walter: Ich stimme für den Beschluss meiner Partei und für meine Spitzenkandidatin, für meine Partei- und Fraktionsvorsitzende, die sich einen Beschluss auf einem Parteitag geholt hat, und ich wähle meine Spitzenkandidatin dann zur Ministerpräsidentin in Hessen und ich werde dann auch alles dafür tun, dass alle weiteren Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion entsprechend abstimmen. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass die Stimmen der SPD-Fraktion in diesem Falle geschlossen für Andrea Ypsilanti kommen würden.
Meurer: Dann geben Sie ja jetzt den Kampf schon fast verloren und sagen nicht, wir versuchen auf dem Landesparteitag zu erreichen, dass es auf gar keinen Fall so kommen wird?
Walter: Nein, das ist nicht richtig, weil unsere erste Priorität liegt nicht an der Tolerierung der Linken, sondern unsere erste Priorität - und auch dies hat der Beschluss der Bundes-SPD gestern deutlich gemacht - liegt dabei, jetzt noch einmal zu versuchen, auf die anderen Parteien zuzugehen, um eine tragfähige, eine stabile Koalition in Hessen hinzubekommen. Das ist auch der Wunsch von Andrea Ypsilanti. Das heißt wir wenden uns jetzt noch einmal an alle Parteien, an CDU, an FDP und an die Grünen, und wir haben das Ziel, Sondierungsgespräche zu führen. Ich gehe davon aus, dass eine Sondierungskommission begründet wird, und ich hoffe sehr, dass die anderen Parteien, die sich ja nun auch ein Stück weit bewegen müssen - es geht hier immer nur um die SPD, aber auch die anderen Parteien verharren ja in ihren Schützengräben -, dass insbesondere die FDP sich im Interesse des Landes Hessen nun mal aus dieser Situation "mit euch reden wir nicht" heraus begibt und wir endlich anfangen, über die Inhalte zu reden.
Meurer: Auf der anderen Seite, Herr Walter, kann die FDP sagen, wir halten unser Wort und die SPD droht, wortbrüchig zu werden.
Walter: Die FDP hält ihr Wort durch die Verweigerung von Politik. Ich glaube nicht, dass dies ein zulässiger Weg ist, wenn man für sich behauptet, dass man Politik im Interesse der Menschen macht. Hessen ist ein wichtiges Bundesland. Wir haben zentrale Herausforderungen: Ausbau des Frankfurter Flughafens, Infrastruktur, die Umgestaltung unseres Schulsystems nach der katastrophalen Zeit der CDU. Viele, viele dieser Punkte haben wir mit der FDP in der gemeinsamen Oppositionszeit relativ identisch kritisiert und auch was eigene Ansätze angeht: Es gibt sie ja. Ich denke die inhaltlichen Schnittmengen der FDP sind so groß, dass die FDP sich eigentlich nicht verweigern dürfte, sich jedenfalls zu einem Sondierungsgespräch mit der SPD zusammenzufinden. Wir verlangen die und die Punkte für unser Land Hessen. Dann könnte die FDP ja immer noch sagen, das ist uns zu viel, das können wir nicht machen. Das wäre der normale Vorgang.
Meurer: Aber sie tut es nun mal. Die FDP sagt klipp und klar, es ist keine Situation vorstellbar, in der man mit Andrea Ypsilanti zusammenarbeiten will. Sie könnten jetzt für eine Große Koalition plädieren?
Walter: Die FDP hat das bisher gesagt.
Meurer: Sie hat es heute Morgen noch mal gesagt!
Walter: Nach dem Beschluss der Bundes-SPD werden wir uns auch an die CDU wenden, wobei klar sein muss, dass eine Zusammenarbeit mit der CDU jedenfalls dann nicht in Frage kommen kann, wenn Roland Koch eine solche Konstellation anführt. Roland Koch hat diese Wahl auch als Person verloren. Roland Koch als Ministerpräsident ist untragbar in diesem Lande Hessen. Das gilt übrigens nicht nur für die SPD-Mitglieder, sondern ich glaube, dass Roland Koch auch für einen Großteil der Bevölkerung in unserem Lande Hessen nicht mehr als Ministerpräsident tragbar ist.
Meurer: Also eine Große Koalition wäre denkbar, wenn die CDU einen anderen Ministerpräsidenten hervorholt?
Walter: Wir werden auf alle Parteien, auf Grüne, auf FDP und auf CDU zugehen mit einem Mindestkatalog. So heißt es in dem Beschluss der Bundes-SPD. Und wir werden Sondierungsgespräche führen.
Meurer: Reden wir noch mal kurz über den 5. April, nicht den 4. April, Herr Walter. Wie groß ist die Gefahr, dass Andrea Ypsilanti am 5. April das Schicksal von Heide Simonis erleidet?
Walter: Relativ gering, weil ich nämlich der festen Überzeugung bin, dass es eine große Chance gibt, eine stabile Koalition in den nächsten fünf Wochen zu erreichen. Selbst wenn dies nicht gelingt, kann ich jedenfalls für die SPD garantieren, dass die SPD ihrer Parteivorsitzenden selbstverständlich als Fraktion geschlossen das Votum erteilt. Allerdings haben Sie Recht: Es bestehen Gefahren. Ich persönlich bin nicht sicher, inwieweit man dieser Partei Die Linke tatsächlich trauen kann. Sehen Sie der Hauptfeind der so genannten Linkspartei ist die SPD. Das wird immer wieder angesprochen. Man könnte natürlich aus Sichtweise einer linken Politikerin oder eines linken Politikers in einer geheimen Abstimmung mit Nein stimmen, wissend, dass die Schuld möglicherweise auf den einen oder anderen SPD-Abgeordneten zugeschoben wird, um dann eine große Verunsicherung, eine große Schwächung der SPD zu erzeugen. Dieses Risiko halte ich in der Tat für gegeben.
Meurer: Das war Jürgen Walter, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag. Herr Walter, schönen Dank und auf Wiederhören!
Walter: Vielen Dank!