Stefan Heinlein: Drei sind einer zu viel. Portugal, Kanada oder Deutschland – nur zwei haben heute die Chance, in der Welt ein wenig wichtiger zu werden. In New York bei den Vereinten Nationen wird am Nachmittag abgestimmt über die neuen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Es geht um Macht und Prestige. Die Bundesregierung hat entsprechend viele Hände geschüttelt und hinter den Kulissen gearbeitet, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Mitgehört hat Detlef Dzembritzki, ehemals SPD-Bundestagsabgeordneter und heute stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Ich grüße Sie!
Detlef Dzembritzki: Ich grüße Sie ebenfalls, Herr Heinlein.
Heinlein: Drücken Sie die Daumen, dass es heute klappt in New York?
Dzembritzki: Ja, ich drücke die Daumen. Ich würde das sehr gut finden, wenn Deutschland es erneut als nicht ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat schaffen würde.
Heinlein: Warum drücken Sie die Daumen?
Dzembritzki: Weil die Bedeutung der Vereinten Nationen bei uns vielleicht doch noch ein Stückchen unterschätzt wird, zumindest in der breiten öffentlichen Diskussion. Deswegen vermute ich auch, dass jetzt so diese Fragen kommen zu der Situation, warum nicht ständiger Sitz. Die deutsche Regierung, das deutsche Parlament, ich glaube, wir haben unsere Schulaufgaben gelernt aus der deutschen Geschichte und wissen, dass nur multilateral die globale Verantwortung gemeistert werden kann, und das einzige wirkliche Instrument, das wir haben – nicht optimal, aber immerhin vorhanden -, sind die Vereinten Nationen. Und dort im Sicherheitsrat, in diesem Steuerungsinstrument der Vereinten Nationen mitzutun, halte ich für eine wichtige Aufgabe und ich finde es richtig, dass die Bundesregierung sich darum bemüht.
Heinlein: Wie hoch sind denn die Chancen für einen Sitz, dass es tatsächlich klappt? Drei kandidieren, aber nur zwei schaffen es.
Dzembritzki: Das ist schwierig. Ich finde es übrigens nun überhaupt nicht so schlimm, dass drei kandidieren. Das ist nun letztendlich auch ein Zeichen von demokratischen Strukturen. Ich kann es nicht voraussagen. Botschafter Wittig hat ja eben, obwohl er viel dichter im Augenblick dran sitzt am Geschehen, ebenfalls gesagt, dass das schwer einzuschätzen ist. Man muss wirklich abwarten und die Welt geht weiter, wenn wir es nicht schaffen, aber es wäre gut, wenn wir drin sind.
Heinlein: Wie muss man sich das denn vorstellen, das Geschachere hinter den Kulissen? Wird da mit allen diplomatischen Tricks gearbeitet?
Dzembritzki: Botschafter Wittig ist ja ein sehr erfahrener Mann, der auch schon als junger Diplomat in New York war und sehr gut, ich denke, das Feld der UN kennt. Aus meiner Sicht kommt es vor allen Dingen darauf an, dass eine Kollegialität hergestellt wird, dass eine Vertrauenssituation da ist, und ich glaube nicht, dass man über Geschacher irgendjemand etwas verspricht, etwa an materiellen Ressourcen für sein Land oder so, dass das der entscheidende Punkt ist. Ich glaube, es kommt auf die Gesamteinschätzung an, dass diejenigen, die uns die Stimme geben sollen, davon ausgehen können, dass wir seriös, dass wir vertrauensbewusst damit umgehen, verantwortungsbewusst. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.
Heinlein: Deutschland – wir haben es in dem Beitrag gehört – ist der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen. Ist das ein Plus, oder eher ein Malus in diesem Bewerbungsverfahren?
Dzembritzki: Ich finde, man kann vorsichtig darauf hinweisen, man soll es aber nicht übertreiben. Deutschland ist eine starke Industrienation, wir haben ein hohes Bruttosozialprodukt, das ja ausschlaggebend ist für die entsprechenden Zahlungen an die Vereinten Nationen. Wenn man sich andere Länder anguckt und macht mal Vergleiche zu deren Bruttosozialprodukt, dann kommen da schon erhebliche Pluspunkte auch für andere zum tragen. Wir haben zum Beispiel, weil immer wieder auch gesagt wird, wir sind gut in der Entwicklungszusammenarbeit, bei weitem nicht unsere Zielvorstellungen von 0,7 Prozent Bruttosozialprodukt für Entwicklungszusammenarbeit erreicht. Also wir sind nicht nur die großen Meister, wir haben auch unsere Defizite, das gleicht sich alles aus.
Heinlein: Herr Dzembritzki, Sie haben in einer Ihrer Antworten gesagt, die Welt würde nicht untergehen, wenn es heute Nachmittag nicht klappt in New York. Dennoch die Frage: die Kanzlerin und auch der Außenminister – er ist ja eigens jetzt noch mal nach New York gereist – hat ja viel investiert im Vorfeld. Wäre das eine Niederlage für die Kanzlerin, wenn es nicht klappt?
Dzembritzki: Ja, auf jeden Fall. Wenn man sich so einbringt und so engagiert, dann wäre das auf jeden Fall eine Enttäuschung, und die Enttäuschung wird natürlich ein Stückchen festgemacht an den jetzt Handelnden. Das wäre dann für Außenminister Westerwelle, aber auch für die Kanzlerin Merkel eine Situation, wo sie sich nicht haben durchsetzen können. Dennoch sage ich noch mal: ich finde es richtig, dass die Bundesregierung sich bemüht, sie muss auch weiterhin aktiv sein, wenn es jetzt nicht klappen sollte.
Heinlein: Ist die Bewerbung um den nicht ständigen Sitz im Sicherheitsrat auch aus deutscher Sicht nur ein Zwischenschritt? Geht es langfristig um eine ständige Mitgliedschaft in diesem wichtigen Gremium?
Dzembritzki: Das ist eben die große Frage, wie die Reform der Vereinten Nationen gelingen kann. Dazu gehört vor allen Dingen auch die Reform des Sicherheitsrates, und Deutschland war ja nie angetreten, um allein die eigene Position dort einzubringen, sondern es ging ja immer darum, dass die Akzeptanz des Sicherheitsrats – der spricht ja Völkerrecht, wenn man so will -, dass diese Akzeptanz weltweit größer wird, dass also auch die Kontinente, Afrika, Asien, stärker eingebunden sind. Solange diese Reform nicht auf den Weg gebracht werden kann, wird auch das Ziel, Deutschland einen ständigen Sitz zu verschaffen, überhaupt nicht realisierbar sein. Man muss das also wirklich im Zusammenhang sehen, und deswegen ist dieser Schritt, der jetzt gemacht wird, eben innerhalb des üblichen Verfahrens der Vereinten Nationen, dass nicht ständige Mitglieder gewählt werden, ein Routineverfahren. Und ich sage noch mal: innerhalb dieses Verfahrens bewirbt sich nun Deutschland, seine Erfahrung, seine Bereitschaft, seine Verantwortung mit einzubringen.
Heinlein: Aber auch aus Sicht Ihrer Gesellschaft muss die UN-Struktur verändert werden, denn diese Strukturen sind ja seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr oder weniger unverändert?
Dzembritzki: Ja, unbestritten. Das ist auch ein Stückchen die Enttäuschung, dass damals - Kofi Annan hatte ja einiges bewegt, dann ist aber die Reform auch von den permanenten Mitgliedern, insbesondere auch von den USA, damals ausgebremst worden und wir haben nur Teilerfolge, die wirklich nicht ausreichen, um die Vereinten Nationen zu einem effektiv global agierenden Instrument zu machen. Deswegen muss dieser Reformprozess vorangebracht werden. Aber das kann übrigens auch der jetzige Sicherheitsrat ein Stückchen mitleisten. Auch deswegen ist zum Beispiel wichtig, dass wir in diesem Gremium sind, um den Einfluss und den Reformdruck zu erhöhen.
Heinlein: Spielt Deutschland, spielt die Bundesregierung in dieser Reformdebatte eine konstruktive Rolle?
Dzembritzki: Ich denke ja und ich bin auch ganz froh, dass eine gewisse Kontinuität zwischen den Regierungen erkennbar ist, dass der jetzige Außenminister nicht sich anders verhält, sage ich mal, in dieser UN-Frage als seine Vorgänger. Deswegen bin ich da auch ganz optimistisch, dass der Einfluss von Deutschland innerhalb der Vereinten Nationen vorhanden ist, und das ist sicherlich auch das größte Faustpfand, das wir haben, dass wir kontinuierlich unsere Arbeit in den Vereinten Nationen geleistet haben, dass wir jetzt auch Zustimmung bekommen können für die Wahl in den Sicherheitsrat.
Heinlein: Heute Mittag im Deutschlandfunk Detlef Dzembritzki, er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Dzembritzki: Auf Wiederhören!
Aktuell zum Thema
Detlef Dzembritzki: Ich grüße Sie ebenfalls, Herr Heinlein.
Heinlein: Drücken Sie die Daumen, dass es heute klappt in New York?
Dzembritzki: Ja, ich drücke die Daumen. Ich würde das sehr gut finden, wenn Deutschland es erneut als nicht ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat schaffen würde.
Heinlein: Warum drücken Sie die Daumen?
Dzembritzki: Weil die Bedeutung der Vereinten Nationen bei uns vielleicht doch noch ein Stückchen unterschätzt wird, zumindest in der breiten öffentlichen Diskussion. Deswegen vermute ich auch, dass jetzt so diese Fragen kommen zu der Situation, warum nicht ständiger Sitz. Die deutsche Regierung, das deutsche Parlament, ich glaube, wir haben unsere Schulaufgaben gelernt aus der deutschen Geschichte und wissen, dass nur multilateral die globale Verantwortung gemeistert werden kann, und das einzige wirkliche Instrument, das wir haben – nicht optimal, aber immerhin vorhanden -, sind die Vereinten Nationen. Und dort im Sicherheitsrat, in diesem Steuerungsinstrument der Vereinten Nationen mitzutun, halte ich für eine wichtige Aufgabe und ich finde es richtig, dass die Bundesregierung sich darum bemüht.
Heinlein: Wie hoch sind denn die Chancen für einen Sitz, dass es tatsächlich klappt? Drei kandidieren, aber nur zwei schaffen es.
Dzembritzki: Das ist schwierig. Ich finde es übrigens nun überhaupt nicht so schlimm, dass drei kandidieren. Das ist nun letztendlich auch ein Zeichen von demokratischen Strukturen. Ich kann es nicht voraussagen. Botschafter Wittig hat ja eben, obwohl er viel dichter im Augenblick dran sitzt am Geschehen, ebenfalls gesagt, dass das schwer einzuschätzen ist. Man muss wirklich abwarten und die Welt geht weiter, wenn wir es nicht schaffen, aber es wäre gut, wenn wir drin sind.
Heinlein: Wie muss man sich das denn vorstellen, das Geschachere hinter den Kulissen? Wird da mit allen diplomatischen Tricks gearbeitet?
Dzembritzki: Botschafter Wittig ist ja ein sehr erfahrener Mann, der auch schon als junger Diplomat in New York war und sehr gut, ich denke, das Feld der UN kennt. Aus meiner Sicht kommt es vor allen Dingen darauf an, dass eine Kollegialität hergestellt wird, dass eine Vertrauenssituation da ist, und ich glaube nicht, dass man über Geschacher irgendjemand etwas verspricht, etwa an materiellen Ressourcen für sein Land oder so, dass das der entscheidende Punkt ist. Ich glaube, es kommt auf die Gesamteinschätzung an, dass diejenigen, die uns die Stimme geben sollen, davon ausgehen können, dass wir seriös, dass wir vertrauensbewusst damit umgehen, verantwortungsbewusst. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.
Heinlein: Deutschland – wir haben es in dem Beitrag gehört – ist der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen. Ist das ein Plus, oder eher ein Malus in diesem Bewerbungsverfahren?
Dzembritzki: Ich finde, man kann vorsichtig darauf hinweisen, man soll es aber nicht übertreiben. Deutschland ist eine starke Industrienation, wir haben ein hohes Bruttosozialprodukt, das ja ausschlaggebend ist für die entsprechenden Zahlungen an die Vereinten Nationen. Wenn man sich andere Länder anguckt und macht mal Vergleiche zu deren Bruttosozialprodukt, dann kommen da schon erhebliche Pluspunkte auch für andere zum tragen. Wir haben zum Beispiel, weil immer wieder auch gesagt wird, wir sind gut in der Entwicklungszusammenarbeit, bei weitem nicht unsere Zielvorstellungen von 0,7 Prozent Bruttosozialprodukt für Entwicklungszusammenarbeit erreicht. Also wir sind nicht nur die großen Meister, wir haben auch unsere Defizite, das gleicht sich alles aus.
Heinlein: Herr Dzembritzki, Sie haben in einer Ihrer Antworten gesagt, die Welt würde nicht untergehen, wenn es heute Nachmittag nicht klappt in New York. Dennoch die Frage: die Kanzlerin und auch der Außenminister – er ist ja eigens jetzt noch mal nach New York gereist – hat ja viel investiert im Vorfeld. Wäre das eine Niederlage für die Kanzlerin, wenn es nicht klappt?
Dzembritzki: Ja, auf jeden Fall. Wenn man sich so einbringt und so engagiert, dann wäre das auf jeden Fall eine Enttäuschung, und die Enttäuschung wird natürlich ein Stückchen festgemacht an den jetzt Handelnden. Das wäre dann für Außenminister Westerwelle, aber auch für die Kanzlerin Merkel eine Situation, wo sie sich nicht haben durchsetzen können. Dennoch sage ich noch mal: ich finde es richtig, dass die Bundesregierung sich bemüht, sie muss auch weiterhin aktiv sein, wenn es jetzt nicht klappen sollte.
Heinlein: Ist die Bewerbung um den nicht ständigen Sitz im Sicherheitsrat auch aus deutscher Sicht nur ein Zwischenschritt? Geht es langfristig um eine ständige Mitgliedschaft in diesem wichtigen Gremium?
Dzembritzki: Das ist eben die große Frage, wie die Reform der Vereinten Nationen gelingen kann. Dazu gehört vor allen Dingen auch die Reform des Sicherheitsrates, und Deutschland war ja nie angetreten, um allein die eigene Position dort einzubringen, sondern es ging ja immer darum, dass die Akzeptanz des Sicherheitsrats – der spricht ja Völkerrecht, wenn man so will -, dass diese Akzeptanz weltweit größer wird, dass also auch die Kontinente, Afrika, Asien, stärker eingebunden sind. Solange diese Reform nicht auf den Weg gebracht werden kann, wird auch das Ziel, Deutschland einen ständigen Sitz zu verschaffen, überhaupt nicht realisierbar sein. Man muss das also wirklich im Zusammenhang sehen, und deswegen ist dieser Schritt, der jetzt gemacht wird, eben innerhalb des üblichen Verfahrens der Vereinten Nationen, dass nicht ständige Mitglieder gewählt werden, ein Routineverfahren. Und ich sage noch mal: innerhalb dieses Verfahrens bewirbt sich nun Deutschland, seine Erfahrung, seine Bereitschaft, seine Verantwortung mit einzubringen.
Heinlein: Aber auch aus Sicht Ihrer Gesellschaft muss die UN-Struktur verändert werden, denn diese Strukturen sind ja seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr oder weniger unverändert?
Dzembritzki: Ja, unbestritten. Das ist auch ein Stückchen die Enttäuschung, dass damals - Kofi Annan hatte ja einiges bewegt, dann ist aber die Reform auch von den permanenten Mitgliedern, insbesondere auch von den USA, damals ausgebremst worden und wir haben nur Teilerfolge, die wirklich nicht ausreichen, um die Vereinten Nationen zu einem effektiv global agierenden Instrument zu machen. Deswegen muss dieser Reformprozess vorangebracht werden. Aber das kann übrigens auch der jetzige Sicherheitsrat ein Stückchen mitleisten. Auch deswegen ist zum Beispiel wichtig, dass wir in diesem Gremium sind, um den Einfluss und den Reformdruck zu erhöhen.
Heinlein: Spielt Deutschland, spielt die Bundesregierung in dieser Reformdebatte eine konstruktive Rolle?
Dzembritzki: Ich denke ja und ich bin auch ganz froh, dass eine gewisse Kontinuität zwischen den Regierungen erkennbar ist, dass der jetzige Außenminister nicht sich anders verhält, sage ich mal, in dieser UN-Frage als seine Vorgänger. Deswegen bin ich da auch ganz optimistisch, dass der Einfluss von Deutschland innerhalb der Vereinten Nationen vorhanden ist, und das ist sicherlich auch das größte Faustpfand, das wir haben, dass wir kontinuierlich unsere Arbeit in den Vereinten Nationen geleistet haben, dass wir jetzt auch Zustimmung bekommen können für die Wahl in den Sicherheitsrat.
Heinlein: Heute Mittag im Deutschlandfunk Detlef Dzembritzki, er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Dzembritzki: Auf Wiederhören!
Aktuell zum Thema