Donnerstag, 25. April 2024

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"Ich empfehle jetzt kaufen"

"Tun wir nicht so, als sei es uns fremd", sagt Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis`90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, über die Beschaffung von Beweismaterial. Der Staat habe die Aufgabe, dass Millionen-Beträge nicht entzogen werden, meint Künast - und verweist auf eine Vielzahl von Situationen, in denen der Staat Deals macht, auch mit Straftätern.

Renate Künast im Gespräch mit Gerd Breker | 01.02.2010
    Gerd Breker: Zwei Jahre nach der Liechtenstein-Affäre prüft nun die Bundesregierung den Ankauf von sensiblen Bankdaten erneut. Ein Informant will den Steuerbehörden die Informationen zum Preis von 2,5 Millionen Euro verkaufen. Die Deutschen sollen Millionen-Summen auf Schweizer Konten geschleust haben. Neben Spitzenpolitikern der Union lehnen auch Datenschützer einen solchen Deal ab. Oppositionspolitiker hingegen und auch die Gewerkschaft der Polizei, sie erklären, der Staat dürfe sich diese Steuer-Millionen einfach nicht durch die Lappen gehen lassen. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Renate Künast, Fraktionsvorsitzende von Bündnis`90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Guten Tag, Frau Künast.

    Renate Künast: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Die Bundesregierung rätselt noch, kaufen oder nicht kaufen. Was meinen Sie?

    Künast: Ich empfehle jetzt kaufen. Alles andere könnten sie in dieser Gesellschaft niemandem erklären. Da sind ja mindestens Millionen-Beträge dem deutschen Steuerzahler vorenthalten. Wenn die Schweiz das nicht selber hinkriegt, sondern noch Krokodilstränen weint an der Stelle, dann muss man kaufen, und dem deutschen Recht ist es ja nicht fremd. Das Geld gehört der Allgemeinheit, nicht der Schweiz.

    Breker: Sie haben keine Bedenken, wenn der Staat sich als Hehler betätigt?

    Künast: Ich will mal eines sagen. Wir achten als Grüne immer darauf, dass es Schranken gibt bei der Art der Erhebung von Beweisen und Verwendung von Beweisen. Aber ich will auf eines hinweisen. Jetzt tut mancher ja so, als sei der Staat der Straftäter, wenn er kauft. Das Problem sind doch als erstes die, die ihr Geld aus der Bundesrepublik rausschaffen in die Schweiz und es hier nicht versteuern wollen. Lassen wir doch mal die Kirche im Dorf. Da fängt das Problem an. Es geht auch gar nicht um die Frage am Ende zwingend, ob diese Ergebnisse und Beweise dann wirklich im Strafverfahren benutzt werden können. Das muss man immer solide klären. Aber immerhin braucht doch der Staat Beweismittel, um Forderungen stellen zu können bei einer bisher nicht erfolgten Besteuerung. Das halte ich für richtig. Ich weise Sie auf eines hin. Es gibt eine Vielzahl Situationen, in denen der Staat Deals macht, Handel macht auch mit Straftätern - bei der Kronzeugenregelung sogar, bei Mord, wo aus lebenslang drei Jahre werden, wenn jemand Hinweise gibt, im Betäubungsmittelrecht kriegt der Informant circa 10.000 Euro, wenn ein Hinweis von ihm zu einem Kilo Kokain oder Heroin führt und man dann danach auch Hintermänner und große Dealer entdecken kann. Tun wir nicht so, als sei es uns fremd.

    Breker: Sie meinen, die Sorge, inwieweit die Daten gerichtsverwertbar sind, diese Sorge ist vorgeschoben?

    Künast: Ich finde es richtig, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte sich darum Sorgen macht. Das ist ja seine Aufgabe. Ich sehe aber andere, die erst mal große Beweisfragen in den Raum stellen. Ich sehe nicht, warum dieses Material nicht benutzbar sein soll, als erster Punkt und mindestens für die zivilrechtlichen Fragen ist doch klar: wir haben die Aufgabe, Staat hat die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass nicht Millionen-Beträge entzogen werden.

    Breker: Ein Hartz-IV-Empfänger wird auf Herz und Nieren geprüft, die Großen verstecken sich hinter Bedenken. Ist es das, was Sie glauben, was dahinter steckt?

    Künast: Da sieht man mal, wie so manches, zum Beispiel die Mövenpick-Partei FDP im ersten Gefühl so agiert und sagt, nein, das kann man doch nicht tun, um ihre Leute in der Schweiz oder deren Geld zu schützen. Deshalb habe ich ja am Anfang gesagt, auch die allgemeine politische Debatte ließe das nicht zu. Jeder andere muss, wenn er staatliche Leistung kriegt, sein Vermögen offenlegen. Wir erwarten sozusagen Steuerehrlichkeit ganz grundsätzlich. Dann bitte schön auch an der Stelle dafür Sorge tragen, dass hier nicht Millionen- und Milliarden-Beträge abgezogen werden. Ich sage Ihnen mal ehrlich: man muss an der Stelle ja doch mal fragen, was die Bundesregierung bisher eigentlich getan hat. Die USA kümmert sich weltweit, um an entsprechende Daten zu kommen. Warum hat die Bundesregierung das eigentlich nicht geschafft, nicht in den letzten Jahren und Monaten Druck ausgeübt auf verschiedene Staaten, um kostenlos an die Informationen zu gelangen. Da hat man monatelang nichts gehört. Jetzt bietet sie einer an, nun muss man sie auch nehmen.

    Breker: Frau Künast, können Sie entdecken, was in diesem Fall anders sein soll als bei den Daten, die weiland aus Liechtenstein kamen?

    Künast: Nein. Es gibt nichts, was anders ist, wenn man es vergleicht mit den Liechtensteiner Daten. Jedes Mal geht es darum, dass Geld fließt. Natürlich ist eines klar: als erstes, weil die Steuererklärungen so laufen, sind die Bundesländer dran. Insofern erwarte ich, dass dort mal Äußerungen im wahrsten Sinne des Wortes kommen und die sagen ja, wir brauchen das, um tatsächlich arbeiten zu können. Aber eines ist doch klar: Aufgabe Nummer eins der Bundesländer, die Bundesländer müssen beim Bundesfinanzministerium Druck machen, damit es einen internationalen Druck gibt gegenüber der Schweiz, gegenüber Luxemburg, gegenüber anderen Staaten, damit die Daten und das Wissen zu uns kommt. Schade, dass die Bundesregierung an der Stelle geschlafen hat. Grundsätzlich sage ich mal, ich erwarte vom Staat, dass er das Gemeinwohl und Gemeinwesen organisiert. Dazu gehört auch, an die notwendigen Daten zu kommen, damit niemand das Geld wegschleppt.

    Breker: Wenn man dann die Daten hat, Frau Künast, dann können ja eigene Ermittlungen stattfinden, die dann vor Gericht vielleicht verwertbar sind. Per Steinbrück hat im Fall Liechtenstein vom Geschäft seines Lebens gesprochen. Finden Sie, das trifft hier auch zu?

    Künast: Das könnte das Geschäft des Lebens werden von Wolfgang Schäuble. Auf alle Fälle ist doch eines klar: man kann nicht vom Steuerzahler verlangen, dass der Gürtel enger geschnallt wird, die Kommunen setzen bis hin zu Kindergartengebühren die Gebühren massiv hoch, und am Ende nimmt man eine solche Chance im wahrsten Sinne des Wortes überhaupt nicht wahr. Der Staat muss an der Stelle, so wie er immer auslobt und sagt, sachdienliche Hinweise werden mit einer Belohnung von X Euro beantwortet, hier auch sagen, die Chancen ergreifen wir, um Geld fürs Gemeinwesen zu kriegen. Noch besser wäre, er hätte vorher gehandelt.

    Breker: Selbst wenn er weitere Kriminelle quasi auffordert, hey, das ist eine gute Art, Geld zu verdienen.

    Künast: Dieses Argument hat mich einige Minuten zum Nachdenken gebracht, als das kam, und ich sage Ihnen, die Antwort darauf ist nicht, jetzt nicht zu kaufen, sondern jetzt kaufen. Für die Zukunft sage ich mal muss klar sein, dass es ein sehr aggressives und nachhaltiges Einfordern gibt, zum Beispiel gegenüber der Schweiz. Die Schweizer Präsidentin im Fernsehen zu sehen mit Krokodilstränen, wo sie die Türen weit aufmachen und sozusagen Steuerhinterzieher in die Schweiz einladen, um dann danach Krokodilstränen zu weinen, so geht es nicht. Also: der Bundesfinanzminister muss dort auf der Matte stehen und sagen, wir wollen die Daten haben.

    Breker: Selbst wenn die Beziehungen zur Schweiz dadurch getrübt werden?

    Künast: Ach du meine Güte! Die Schweiz wird lernen, dass sich alle anderen nicht gefallen lassen, gute Beziehungen und Verträge mit der Europäischen Union, damit Handel und Wandel funktioniert, und ansonsten ziehen die aus allen anderen EU-Mitgliedsstaaten und anderen Drittländern sozusagen das Geld ab. Mittelenglische Umfangsformen beiderseitig müssen das Ziel sein.

    Breker: Frau Künast, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Künast: Ich danke auch.