Samstag, 20. April 2024

Archiv


"Ich glaube auch, das Amt gut führen zu können"

Der frisch nominierte Kandidat der Partei Die Linke für das Bundespräsidentenamt, Peter Sodann, betont, er betrachte sich als Kandidat aller Deutschen. Dennoch ahne er, welche Chancen er bei der Wahl haben werde.

Peter Sodann im Gespräch mit Christian Schütte | 15.10.2008
    Christian Schütte: Als Kommissar Ehrlicher ist er vielen aus der "Tatort"-Serie in der ARD bekannt. Nun stellt sich der Schauspieler Peter Sodann auch auf die Politbühne - nicht zum ersten Mal. Vor drei Jahren sollte er für Die Linke, für die Linkspartei als Spitzenkandidat für Sachsen bei der Bundestagswahl antreten, hat dann doch einen Rückzieher gemacht. Nun ist er noch einmal nominiert, diesmal als Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten. Er tritt also an gegen Horst Köhler und gegen Gesine Schwan, die Kandidatin der SPD. - Guten Morgen, Herr Sodann.

    Peter Sodann: Guten Morgen.

    Schütte: Da Sie schon einmal zurückgezogen haben, 2005, sei die Frage erlaubt: sind Sie auch noch Kandidat, wenn die Bundesversammlung den Bundespräsidenten, die Bundespräsidentin wählt?

    Sodann: Ja, ja.

    Schütte: Da sind Sie sich sicher?

    Sodann: Wenn man mich nicht vorher irgendwie überfährt oder erschießt, oder ich werde krank und kann dann nicht dahin gehen, oder jemand will mich nicht mehr, dann kann ich natürlich nicht. Aber so, wie die Geschichte jetzt läuft, wenn ich jetzt einmal ja gesagt habe, dann bleibt es nun auch dabei.

    Schütte: Wie müssen wir denn jetzt Ihre Kandidatur einordnen, als eine Rolle, die Sie spielen?

    Sodann: Nein! Ich heiße doch Kommissar Ehrlicher, weil ich gedacht habe, ich muss mich so nennen, weil ich ehrlicher sein wollte als die anderen Kriminalkommissare. Sehen Sie, und hier soll dieses Wort auch wirken.

    Schütte: Sie haben 2005 ehrlicherweise sinngemäß gesagt, Sie können einen Politiker eigentlich nur schauspielern. Deswegen die Frage: inwiefern ist das eine Rolle?

    Sodann: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, ich möchte lieber ein politisch denkender Schauspieler sein, als ein schauspielernder Politiker. Das habe ich damals gesagt.

    Schütte: Wie verstehen Sie Ihre Kandidatur jetzt?

    Sodann: Jetzt verstehe ich sie so: ich wurde gefragt, ob ich für Die Linke dieses Amt übernehmen würde. Und nun muss ich sagen, da habe ich natürlich nachgedacht. Wem passiert es schon im Leben, dass solch eine Frage überhaupt an einen gestellt wird? Das höchste Amt, der Bundespräsident hat zwar nicht allzu viel zu sagen, aber es ist das höchste Staatsamt, was er hat. Ich kann da gar nicht nein sagen, weil ich ja nach wie vor das Wort Ruhestand hasse. Der normale Mensch geht mit 65 Jahren in den Ruhestand und alle beglückwünschen ihn. Ich bin aber nicht im Ruhestand. Ich kann das erstens nicht. Zweitens möchte ich immer noch die Welt zu ihrem besseren verändern. Und was macht man dann? Dann nimmt man eben so etwas an. Und ich glaube auch, das Amt gut führen zu können, würde ich sagen. Das glaube ich schon. Ich möchte gerne, dass die Menschen besser über sich selbst nachdenken und besser mit ihrem Nachbarn umgehen, darüber nachdenken, dass das Leben ziemlich kurz ist, und dann muss man nicht allzu viel Unsinn machen. Dann muss man nicht die Leute in den Krieg schicken. Man darf sich nicht gegenseitig den Schädel einschlagen. Man soll den anderen das Geld nicht wegnehmen.
    Ich habe heute witzigerweise über die Banken gesprochen und habe gesagt, eine Regierung und eine Bank hat die Pflicht, das Geld, was sie für die anderen verwaltet, auch zu vermehren, das heißt gut zu hüten wie den Gral. Leider haben die Bänker das Geld "vermärt", wie der Sachse sagt, und das ist schlimm. Es weiß keiner, wo es ist. Alle suchen es und keiner versteht: es ist weg.

    Schütte: Es klang eben schon an: welche Qualifikationen braucht man, um Bundespräsident zu sein. Sie haben über sich selbst gesagt, ich hatte schon immer eine große Klappe. Ist es das, was Sie an Horst Köhler vermissen?

    Sodann: Ich will gegen den Horst Köhler jetzt eigentlich mich nicht äußern. Aber wenn man in einer Bankenkrise ist, so wie sie jetzt ist, und das Geld nicht weiß, wo es hingelangt ist, und einige Bänker so viel Geld verdienen, dass es eigentlich unwürdig ist, so viel Geld überhaupt anzunehmen, weil sie dafür gar nicht das leisten, dann würde ich immer sagen, wir wenden uns erst mal für die Welthungerhilfe an diese Leute, die das Geld abgeschöpft haben.

    Schütte: Das heißt, eigentlich sind Sie dafür, das Amt des Bundespräsidenten einfach ein bisschen auszubauen, es gewichtiger zu machen?

    Sodann: Ja, das glaube ich. Zumindest darüber reden zu dürfen, wenn der eine Unrecht hat oder Unrecht tut und dies wird nicht bestraft oder man spricht gar nicht mehr darüber. Können Sie mir noch sagen, wer noch über Herrn Zumwinkel spricht? Wer spricht noch darüber? Am nächsten Tag kommt die neueste Meldung in der "Bildzeitung" und alles ist vergessen. Da muss man doch sicherlich, kann ich mir vorstellen, als Bundespräsident auch mal was sagen.

    Schütte: Wenn wir schon dabei sind, was so in den Zeitungen steht. Über Sie hat man geschrieben, Peter Sodann ist die Verkörperung der im Osten verbreiteten Überzeugung, wonach der Sozialismus eine gute Idee sei, die nur schlecht ausgeführt wurde. Stimmt dieser Satz? Passt das zu Ihnen?

    Sodann: Ja, das passt zu mir.

    Schütte: Das heißt, sind Sie Sozialist oder Demokrat?

    Sodann: Ich bin ein demokratischer Sozialist, und da hätten wir es wieder. Wieso ist ein Sozialist überhaupt kein Demokrat? Das ist doch eine Fangfrage. Ein Sozialist ist auch schon ein Demokrat. Das muss ich sagen. Und warum ist daran eigentlich was Schlechtes? Das ist eine Idee. Eine Idee kann man verfolgen. Die kann man verfolgen, indem man sie ächtet, oder man kann sie verfolgen, indem man sie liebt. Eine solche Idee liebe ich, dass alle Menschen gleich sind. Ich bin nicht weit weg von der Bibel. Sie wissen, dass ich mich zu DDR-Zeiten noch "betender Kommunist" genannt habe, weil ich mich von den anderen unterscheiden wollte, und da habe ich eben gebetet mit meinem Freund zusammen, Alfred Matusche, der ein großer Dichter war. Und dabei soll es bleiben!

    Schütte: Also ein religiöser demokratischer Sozialist?

    Sodann: Doch, es hat etwas mit Religion zu tun. Es hat etwas mit Demut zu tun gegenüber den anderen Wesen, die auf der Welt leben, gegenüber der Erde, gegenüber den Pflanzen, gegenüber dem, was uns umgibt. Da kann man doch ein bisschen demütig sein. Das nannten wir "ein Gebet".

    Schütte: Demut und Respekt. Respekt hängt auch damit zusammen. Haben die Westdeutschen, die Wessis genug Demut, genug Respekt vor den Ostdeutschen?

    Sodann: Haben sie nicht. Allerdings muss ich sagen, in letzter Zeit ändert sich das. Ich meine, der Bundespräsident, um ihn wieder zu erwähnen, hat doch jetzt vor ein paar kurzen Tagen irgendwie so gesagt, als wäre die Hälfte der Westbürger noch nicht im Osten gewesen. Das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Dennoch ist es so.

    Schütte: Sind Sie ein Kandidat der Ost-, oder der Westdeutschen?

    Sodann: Ich bin aller Deutschen Kandidat. Das geht gar nicht anders. Wissen Sie, ich habe das mit herbeigeführt, dass die DDR in irgendeiner Weise Anfang irgendwann mal Pleite macht. Das habe ich mit, wenn man so will, meinen Kräften damals mit organisiert. Aber ich wollte ja nicht unbedingt den Kapitalismus haben, der andere Menschen betrügt oder ausbeutet, wie Karl Marx gesagt hat. Und dann bin ich auch nicht nur für den Osten, sondern ich bin ein Weltbürger, wenn Sie das so wollen. Es hieß doch bei Karl Marx, "Proletarier aller Länder vereinigt euch". Da waren alle Länder gemeint und nicht nur der Osten, sondern ich fahre ja auch gerne in den Westen. Ist doch schön. Ein schöneres Land als Deutschland kann man sich fast gar nicht vorstellen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Allerdings esse ich im Winter keine Erdbeeren. Da warte ich dann wieder, bis der Juni kommt, ich Geburtstag habe, und dann schmecken sie wieder.

    Schütte: Herr Sodann, spielen Sie jetzt gerade wieder eine Rolle?

    Sodann: Nein. Wieso? Ich rede so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Das ist auch ein Fehler, ich weiß das. Das kann ein Fehler sein. Dafür kriegt man manchmal auch harte Strafen, oder wird in irgendeiner Weise des Raumes verwiesen.

    Schütte: Noch mal zurück zu den Belangen im Osten. Auch die SPD-Kandidatin Gesine Schwan gilt als eine Kandidatin mit ich sage mal einem besonderen Ohr für die Probleme, für die Belange im Osten. Warum soll Frau Schwan aus Ihrer Sicht nicht Bundespräsidentin werden?

    Sodann: Ich habe gar nicht gesagt, dass sie nicht Bundespräsidentin werden soll. Wenn sie es will, kann sie es doch werden.

    Schütte: Mit Ihrer Kandidatur schwächen Sie aber ein bisschen die Aussichten von Gesine Schwan. Sie wäre zumindest gestärkt, wenn Die Linke sie von Vornherein unterstützen würde.

    Sodann: Das ist aber nun wirklich eine Angelegenheit der Linken. Dann müsste die FDP irgendwie was anderes machen und die anderen Parteien irgendwie was versuchen. Ich will die Frau Schwan weder schwächen, noch sonst was. Warum? Wenn Die Linke einen aufstellt, das ist doch ihr Recht. Die FDP konnte doch auch meinetwegen noch jemanden aufstellen.

    Schütte: Chancen haben Sie am Ende keine, Herr Sodann. Das wissen Sie auch wegen der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung.

    Sodann: Ich ahne es fast.

    Schütte: Was bleibt von Ihrer Kandidatur?

    Sodann: Dass ich in der Zwischenzeit vielleicht da und dort ein gutes Wort einlegen kann, dass ich an dem Haus, was Die Linke sich bauen will, vielleicht ein paar Ziegel mittragen darf.

    Schütte: Wie sehen die aus, diese Ziegel? Welche Farbe haben die?

    Sodann: Rot.

    Schütte: Und inhaltlich? Was heißt das konkret?

    Sodann: Da sind sie auch rot.

    Schütte: Aber wofür stehen Sie politisch?

    Sodann: Na für links! Links, wo das Herz schlägt. Geht doch gar nicht anders.

    Schütte: Geht es noch ein bisschen konkreter?

    Sodann: Konkreter? Wie soll ich sagen. Ich muss ja nicht gleich Marx zitieren oder so. Ich könnte jetzt auch Goethe zitieren im Faust, wo er sagt, "ein Sumpf zieht am Gebirge hin. Verpestend alles schon Errungen;. Den faulen Pfuhl auch abzuziehen,. Das letzte wäre das Höchsterrungene". - Na ja, aufgrund der Bankenkrise verstehen die Menschen vielleicht jetzt diesen eben aufgesagten Vierzeiler.

    Schütte: Was bedeutet er für Sie?

    Sodann: Dass man die Macht besser verteilen muss, dass man Regularien im Leben haben muss, wonach sich alle zu richten haben, und wenn es die zehn Gebote sind. Verstehen Sie? -Na ja, ein Gebot gefällt mir nicht: du sollst nicht begehren deines nächsten Haus, Hof, Weib und alles, was sein ist. Dieses Gebot gefällt mir nicht, weil wenn ich nichts habe, warum soll ich dann nicht begehren. Ich muss ja nicht gleich Herrn Ackermanns Villa begehren. Das ist ja nicht nötig. Aber wenn ich gar nichts habe und hungere, dann setze ich mich in ein Boot und fahre von Afrika über das Mittelmeer.

    Schütte: Der Schauspieler Peter Sodann ist Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten. Das Gespräch haben wir vorher aufgezeichnet.