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"Ich glaube, dass der Durchbruch geschafft ist"

Klein: Am Telefon begrüße ich den CDU-Politiker Volker Rühe, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Schönen guten Tag, Herr Rühe.

    Rühe: Ja, schönen guten Tag Frau Klein.

    Klein: Sie sind gerade aus Polen zurückgekehrt, waren dort auch an Gesprächen über die Zukunft der Ukraine beteiligt. Nach ihrem jetzigen Kenntnisstand mit welcher Entwicklung rechnen Sie?

    Rühe: Ich glaube, dass der Durchbruch geschafft ist, dass es keine Rückkehr gibt zu den alten Zuständen und keine Akzeptanz dieser in der Tat gewaltigen Wahlfälschungen. Natürlich gibt es noch Hürden. In der Tat wäre es wichtig, wenn die Ukraine schnell zu einem Neuanfang kommt. Aber es wird auf jeden Fall einen Neuanfang geben und den hat vor allen Dingen die starke Zivilgesellschaft erreicht. Ich war ja auch zweimal in der Ukraine auch zwischen den beiden Wahlgängen als leider von der Europäischen Union noch niemand dort war. Die Gespräche in Polen gestern, übrigens nächste Woche werden wir in Moskau sein, das passt alles sehr gut zu der Situation, in Polen hat sich gezeigt, wie wichtig die neuen Partner in der Europäischen Union sind. Polen und Litauen, die Präsidenten Kwasniewski und Adamkus, die spielen eigentlich für die Europäische Union die führende Rolle, währenddessen man das Gefühl hat, dass Solana die Ukraine sehr fremd ist. Also hier zeigt sich auch schon, welche Ausstrahlungskraft die Europäische Union hat und welcher Gewinn das auch ist, dass jetzt polnische und litauische Präsidenten für Europa dort den sieben-Punkte-Kompromiss mit herbeigeführt haben.

    Klein: Welche Strategie möchte denn Polen als direkter Nachbar der Ukraine jetzt beschreiten?

    Rühe: Ja, die Polen möchten ein demokratisches Nachbarland haben und ein stabiles Nachbarland haben, eine demokratische Ukraine. Und daran führt auch kein Weg vorbei, denn die Zivilgesellschaft ist dort erwacht. Es ist sozusagen nach der Unabhängigkeit vor 14 Jahren jetzt der entscheidende zweite Schritt, die Unabhängigkeit auch auszufüllen durch eine Stärkung neuer demokratischer Strukturen in der Ukraine. Man muss im übrigen mal sagen, dass es jetzt so einen starken Anteil an der Entwicklung hier in Westeuropa gibt, das hängt auch mit den Fernsehbildern zusammen von diesen Menschen dort, die sich dort in bewundernswerter Weise engagieren, angefangen von den jungen Studenten, da würde man sich manches auch anderswo wünschen. Und früher haben viele mit der Ukraine Tschernobyl verbunden und sonst gar nichts mehr und graue Gesichter und jetzt diese orange und dieser Einsatz der Bevölkerung gerade der jungen Generation für Demokratie und Freiheit, die Ukraine hat schon jetzt einen enormen Sympathiegewinn erzielt.

    Klein: Herr Rühe, kommen wir zur Rolle Deutschlands. Bundeskanzler Schröder hat aus den eigenen Reihen in den vergangenen Tagen viel Kritik erfahren, weil er sich so die Meinung einiger Politiker bei SPD und Grünen gegenüber dem Freund und russischen Präsidenten zu zurückhaltend geäußert hat. Könnte es sein, dass sich im Laufe der Zeit doch noch erweist, dass es vielleicht ein Glücksfall ist, dass wir einen Regierungschef haben, der mit dem russischen Präsidenten ein vertrauensvolles Verhältnis pflegt.

    Rühe: Ich glaube das auch, mein Eindruck war, als wir im auswärtigen Ausschuss sehr einvernehmlich mit der SPD und den Grünen darauf gedrängt haben, dass diese Wahl nicht akzeptiert wird, das nicht ohne Einfluss auf den Bundeskanzler geblieben ist, der die Situation in der Ukraine auch nicht so gut kannte. Aber ich glaube auch, man muss beides sehen. Einmal die enge Verbindung des Bundeskanzlers zu Putin in dieser Situation und die hat vielleicht auch ein bisschen dazu geführt, dass Russland sich zurücknimmt. Denn die massive Einflussnahme Putins für den Wahlfälscher Janukowitsch, das war keine sehr kluge Politik Russlands. Auf der anderen Seite hat ja dieselbe Bundesregierung durch enge Kontakte zum polnischen Präsidenten dafür gesorgt, dass eben die Kräfte um Juschtschenko vor allen Dingen auch in der Ukraine unterstützt wurden, die für saubere Wahlen stehen. Also ich glaube, man muss die beiden Verbindungen sehen, die nach Warschau und die nach Moskau und dann kann man sagen, dass, wenn ich sehe, wie andere versagt haben in der Europäischen Union, dass Deutschland insgesamt eine gute Rolle gespielt hat. Und ich glaube, da hat auch die Opposition, CDU/CSU dazu beigetragen, denn wir haben frühzeitig darauf hingewiesen, dass wir die demokratischen Kräfte in der Ukraine unterstützen.

    Klein: Also nachdem, was sie von den offiziellen und inoffiziellen Vermittlungsbemühungen der Bundesregierung wissen, unterstützen sie das als CDU-Politiker und als Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses?

    Rühe: Ja, also sicherlich, hat zum Beispiel der Außenminister auch spät aber immerhin deutlichere Worte für schnelle Neuwahlen gefunden als der Bundeskanzler. Aber insgesamt glaube ich, wenn ich das Zusammenwirken von Regierung und Opposition ansehe, der deutsche Bundestag hat sich früh geäußert, hat Deutschland die richtige Sprache gefunden in der ganz klaren Unterstützung von korrekten freien und fairen Wahlen der Ukraine und dieser neuen Zivilgesellschaft, auf die Europa wirklich stolz sein kann. Und auf der anderen Seite auch der Nutzung der Verbindung zu Russland. Das wird auch nicht das Ende sein der Schwierigkeiten, das ist gar keine Frage, Russland hat Schwierigkeiten, wenn die Zivilgesellschaft in der Ukraine sich schneller jetzt entwickelt als in Russland, dann kann das auch Auswirkungen haben und deswegen wird dieser Dialog weitergeführt werden.

    Klein: Russland wird möglicherweise Zugeständnisse machen müssen, wenn die Entwicklung der Ukraine jetzt so vor sich geht, wie die Opposition jetzt das wünscht oder muss man vielleicht sagen, dass Moskau sich auch Zugeständnisse wird vielleicht teuer abkaufen lassen aus Ihrer Einschätzung?

    Rühe: Was heißt Zugeständnisse, also Russland hat nicht das Recht in einem unabhängigen Land zu verlangen, dass Wahlen ein bestimmtes Ergebnis haben. Russland hat sicherlich Interessen in der Ukraine, berechtigte Interessen, dass die Ukraine ein guter Nachbar ist, ich habe keinen Zweifel, dass eine demokratische Ukraine ein sehr guter Nachbar Russlands sein will. Ich habe dort überhaupt niemanden getroffen, der die Beziehung zu Russland abbrechen will, das wissen sie, das werden immer sehr wichtige Beziehungen sein, aber Russland hat sich in einer Weise eingemischt in diesen Wahlkampf und dieses Wahlergebnis akzeptiert, als jedermann klar war, das sind massive Fälschungen, wie das dem Bild Russlands nicht gut getan hat und darüber muss man auch sprechen.

    Klein: Volker Rühe, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.