Donnerstag, 28. März 2024

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"Ich glaube nicht, dass er ein Frauenproblem hat"

Peer Steinbrück habe kein Frauenproblem und würde als Kanzler mehr für das Thema Gleichstellung tun, "als Angela Merkel das je getan hat", sagt Elke Ferner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen über den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück im Vorfeld seiner für Sonntag geplanten Nominierung.

Elke Ferner im Gespräch mit Mario Dobovisek | 08.12.2012
    Mario Dobovisek: Ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer, Tausende jubelnde Anhänger, Videoinstallationen, die Popgiganten von U2, alles ist geplant bis ins letzte Detail, den Konfettiregen und die Liebeserklärung an Frau und Kind eingeschlossen.

    Barack Obama: Thank you!

    Dobovisek: So geht Nominierung auf Amerikanisch, Barack Obama bei seinem Nominierungsparteitag im September. Ein harter Schnitt – wir sind in Deutschland: Die SPD-Delegierten mühen sich mit Zug- und Flugverspätung nach Hannover, wo sie morgen ihren Spitzenkandidaten Peer Steinbrück nominieren wollen. Keine Inhalte, bloß Steinbrück, seine Rede, seine Wahl – ein Hauch von US-Inszenierung wird durch die Parteitagshalle in Hannover wehen, berichtet unser Korrespondent Frank Capellan.

    Frank Capellan mit seinem Ausblick auf Steinbrücks Krönungsmesse morgen. Die Bundestagsabgeordnete Elke Ferner ist Mitglied des SPD-Vorstandes, in diesen Minuten sitzt sie im Flugzeug, deshalb habe ich sie vor der Sendung gesprochen und gefragt: Eine Krönungsmesse, Frau Ferner, eine amerikanisch anmutende Show-Veranstaltung – braucht die SPD so viel Inszenierung, um sich geschlossen hinter Steinbrück zu stellen?

    Elke Ferner: Zunächst mal ist das keine Krönungsmesse, sondern ein Parteitag, auf dem der Kanzlerkandidat vorgeschlagen wird oder auch vom Parteitag bestimmt wird. Die Einzelheiten kenne ich jetzt sogar noch gar nicht, weil ich am Montag keine Zeit hatte, im Parteivorstand dabei zu sein, aber ich gehe mal davon aus, dass Peer Steinbrück in einer Grundsatzrede auch deutlich machen wird, wofür er steht.

    Dobovisek: Messen muss sich Steinbrück dann an 98 Prozent, das ist zumindest Angela Merkels Stimmergebnis beim CDU-Parteitag vor vier Tagen. Wird es Steinbrück schaffen, die Partei ähnlich geschlossen hinter sich zu vereinen?

    Ferner: Ich gehe davon aus, dass es eine sehr geschlossene Abstimmung sein wird. Ob man sich nun mit Frau Merkels Ergebnis messen lassen muss, wo ja in der CDU bei dem Parteitag im Prinzip alle Konflikte zugedeckt und nicht ausgetragen worden sind, mache ich mal noch drei Fragezeichen dahinter.

    Dobovisek: Welche Konflikte werden denn in der SPD noch ausgetragen werden müssen?

    Ferner: Wir haben jetzt zum Thema Rente uns positioniert, im Wesentlichen sind die großen Konflikte eigentlich ausgetragen und die Positionen bestimmt, und wir gehen jetzt mit Hochdruck daran, mit dem Bürgerdialog auch die Grundlagen jetzt für das Regierungsprogramm zu legen.

    Dobovisek: Hören wir mal, wie Peer Steinbrück – Sie werden sich noch erinnern, Frau Ferner – 2009 in einem Spot für Sie Wahlwerbung gemacht hat.

    Peer Steinbrück: Elke Ferner ist bewandert auf vielen politischen Feldern, sie ist lange meine Partnerin gewesen im Vorstand der SPD als stellvertretende Parteivorsitzende. Sie macht in Berlin eine exzellente Arbeit, und soweit ich das sehe, nimmt sie dabei sehr direkt die Interessen Ihres Wahlkreises und des Saarlandes in Berlin sehr ehrgeizig wahr.

    Dobovisek: Eine große Lobhudelei für Sie, Frau Ferner. Drehen wir drei Jahre später den Spieß einmal um: Warum sollte die SPD-Linke morgen für Steinbrück abstimmen?

    Ferner: Ich glaube, dass die Grundlagen gelegt sind durch Parteitagsbeschlüsse, die auch von Peer Steinbrück unterstützt werden in der Frage gerechte Verteilung der Einkommen, Gerechtigkeit für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, solide soziale Sicherungssysteme, und deshalb können wir ihn auch unterstützen.

    Dobovisek: Geht es um Themen oder geht es um Personen?

    Ferner: Es geht bei der SPD immer um Themen, und natürlich geht es am Ende auch um Personen. Aber es geht in erster Linie um Themen.

    Dobovisek: Aber wie wird es die SPD angehen wollen, mit Steinbrück und den Themen gegen die CDU anzugehen, die ganz offensichtlich auf Angela Merkel setzt und ja so – wir gucken auf den ARD-Deutschlandtrend der vergangenen Tage – auch ziemlich erfolgreich ist?

    Ferner: Das mag derzeit sogar noch so sein, aber ich glaube, je näher der Wahltag rückt, umso mehr werden auch die innenpolitischen Themen in den Vordergrund rücken. Die Menschen wollen wissen, wie geht es mit ihrer Alterssicherung weiter, sie wollen wissen, wie geht es mit der sozialen Absicherung bei Gesundheit und Pflege weiter, sie wollen wissen, wie geht es auf dem Arbeitsmarkt weiter, und da fehlen bisher die Antworten.

    Das sind alles große Blackboxes bei der Union, das hat man jetzt auch bei dem Parteitag gesehen. Konflikte werden dort nicht ausgetragen, sondern zugeschüttet, und das wird sich mit Sicherheit noch rächen im nächsten Jahr.

    Dobovisek: In einem Internetchat hat SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles geschrieben, sie wolle Kanzlerin werden – irgendwann mal, fügte sie noch hinzu. Sie sind Vorsitzende auch der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in der SPD, Frau Ferner. Wäre es vielleicht sogar geschickter gewesen, 2013 eine SPD-Frau gegen Angela Merkel antreten zu lassen?

    Ferner: Wissen Sie, ich würde es natürlich sehr begrüßen, wenn eine Frau auch für die SPD-Kanzlerkandidatin wäre, aber ich diskutiere nicht über ob und wenn und hätte, sondern ich diskutiere über das, was ist, und Peer Steinbrück wird, denke ich, als Kanzler mehr für Gleichstellung in unserer Gesellschaft tun, als Angela Merkel das je getan hat.

    Das Problem bei dieser Kanzlerin ist, dass sie sich nicht wirklich entscheidet, dass sie nicht wirklich Partei ergreift und keine fortschrittliche Gleichstellungspolitik macht, sondern lieber abwartet, ob der konservative Flügel der Union sie gewähren lässt oder nicht.

    Dobovisek: Kommen wir zurück zur SPD – wann wird es denn Zeit für eine Frau an der Spitze der SPD?

    Ferner: Ich denke, dass auch die Zeit sehr bald kommen wird, dieses Mal nicht, aber mir geht es zunächst einmal darum, dass wir wirklich auch inhaltlich weiter vorankommen, dass wir in eine moderne Gesellschaftspolitik wieder hineinkommen und den Mief der 60er-Jahre, der in weiten Teilen der Union noch vorhanden ist, wirklich abstreifen können.

    Dobovisek: Oft heißt es, Steinbrück spreche zu wenig über frauenpolitische Themen, er sei zu machohaft, zu hochmütig, zu besserwisserisch, um Wählerinnen zu gefallen. Hat Peer Steinbrück ein Frauenproblem?

    Ferner: Nein, ich glaube nicht, dass er ein Frauenproblem hat, die Positionen stimmen, und das wird er sicherlich auch morgen in Teilen seiner Rede deutlich machen, und auch bis zum Wahltag hin deutlich machen, wofür er, wofür die SPD in der Frage der Gleichstellungspolitik steht. Auf alle Fälle sind wir moderner und fortschrittlicher als das, was Schwarz-Gelb bisher auf den Weg gebracht hat, und deshalb glaube ich auch, dass die Frauen, je mehr es auf den Wahltag zugeht, auch genau gucken werden, wer macht denn für sie eine vernünftige, eine moderne zukunftsgerichtete Politik und wer ist rückwärtsgewandt.

    Dobovisek: Warum befinden sich dann keine Frauen im Wahlkampfteam, im näheren Kreise, von Peer Steinbrück?

    Ferner: Das ist ja nicht richtig, er hat beispielsweise sogar eine Büroleiterin, es werden sicherlich auch noch andere mit hinzukommen, auch Andrea Nahles gehört zu dem Team. Wenn es nachher um die Frage Regierungsmannschaft/Frauschaft geht, oder Kompetenzteam, wie man es auf Neudeutsch nennt, werden mit Sicherheit eben so viele Frauen wie Männer mit dabei sein.

    Dobovisek: Sie sagen, Frau Ferner, Sie erwarten, dass sich Steinbrück auf dem Parteitag morgen positioniert, auch zu frauenpolitischen Themen. Welche Akzente in diesem Bereich hat er denn bereits setzen können?

    Ferner: Er hat, wie ich finde, eine sehr gute Rede gehalten, als wir das Betreuungsgeld diskutiert haben, und er hat auch bisher immer deutlich gemacht, dass es ihm darum geht, dass Frauen auch ihren Platz in der Gesellschaft finden können müssen, dass sie auf gleicher Augenhöhe mit Männern sowohl im Beruf erfolgreich sein können als auch sich die familiären Aufgaben teilen können, und er hat auch gesagt, dass er eine Lernkurve gemacht hat bei der Frage, ob man gesetzliche Regelungen braucht für mehr Frauen in Führungspositionen und die Toppositionen unserer Wirtschaft. Insofern habe ich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass das nicht morgen auch und auch überhaupt im Wahlkampf eine sehr fortschrittliche Politik sein wird.

    Dobovisek: Der Lernkurven gibt es ja viele, sagt Steinbrück selber. Ist das glaubwürdig?

    Ferner: Ja, ich denke, das ist schon glaubwürdig, weil er eben im Gegensatz zur schwarz-gelben Koalition gesehen hat, dass die Wirtschaft die Chance, die sie gehabt hat, mit der freiwilligen Vereinbarung wirklich vergeigt hat. Sie haben nichts getan, und wer eben nicht von sich aus dann die Chancen ergreift, der wird dann eben auch Gesetze haben, an die er oder sie sich halten müssen.

    Es ist eigentlich beschämend, wie schlecht wir mit Frauen in Toppositionen in Deutschland dastehen im internationalen Vergleich, und das ist auch für unsere Wirtschaft nicht wirklich zukunftsfähig, keine gemischten Teams in den Toppositionen zu haben.

    Dobovisek: Aber wo hören diese Lernkurven auf, und wo fängt das Umkrempeln eines Kandidaten an?

    Ferner: Ich sehe jetzt nicht, dass er umgekrempelt worden wäre, ich glaube auch nicht, dass er sich umkrempeln lassen wird. Insofern muss man sagen, ist es mir immer noch lieber, wenn jemand sagt, gut, ich hatte da mal eine andere Position und habe die Position geändert, weil eben die Rahmenbedingungen sich verändert haben, oder weil die alte Position nicht zum Ziel geführt hat, das ist ja allemal lieber als ein stures Beharren darauf, dass man keine Quoten will.

    Dobovisek: Elke Ferner, Mitglied im SPD-Vorstand und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Ferner!

    Ferner: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.