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'Ich glaube nicht, dass Hussein den Krieg überlebt'

Müller: Rund 300.000 amerikanische und britische Soldaten sind in der Golfregion einsatzbereit. Die Tage, die Stunden sind gezählt, bis der Militärschlag gegen den Irak beginnt. Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem früheren NATO-General Klaus Reinhardt, ehemals Oberbefehlshaber der KFOR-Truppen im Kosovo. Herr Reinhardt, wird das ein kurzer Krieg mit garantiertem Erfolg?

    Reinhardt: Also einen Erfolg kann in einem Krieg nie einer garantieren. Sie können Pläne machen, aber die Pläne reichen nur so weit, bis Sie nun den Krieg gewinnen, dann müssen Sie anpassen, dann müssen Sie sich vor allen Dingen auf den Gegner einstellen und schauen, ob Sie ihn richtig beurteilt haben. Ich gehe dennoch davon aus, dass es ein kurzer Krieg werden wird, weil die technische Überlegenheit der Amerikaner auf der einen Seite und der relativ desolate Zustand der irakischen Streitkräfte eigentlich ein derartiges Prä für die Amerikaner gibt, dass man eigentlich davon ausgehen muss, dass das ein schneller und erfolgreicher Krieg werden müsste.

    Müller: Was hat der Irak entgegenzusetzen?

    Reinhardt: Er hat seine Republikanische Garde mit etwa 80.000 Mann entgegenzusetzen, die aber auch im Vergleich zu den Amerikanern technisch deutlich unterlegen sind. Er hat eine normale Armee mit Masse, bestehend aus Wehrpflichtigen, mit etwa 300.000 entgegenzusetzen, die aber jetzt bereits im Bereich gegen die Kurden und die Schiiten im Süden eingesetzt sind. Er hat kaum eine Luftwaffe, die funktioniert. Also das ist im Grunde genommen ein Unternehmen, bei dem man sagen muss, wenn nicht alles total schief geht, muss das in kurzer Zeit zu Ende sein.

    Müller: Ist das ein logistischer, militärischer Vorteil für die Amerikaner, dass man 1991 bereits schon einmal Krieg gegen den Irak geführt hat?

    Reinhardt: Nein, denn Sie müssen ja völlig neu ansetzen. Der Hauptstoß kam damals aus dem Bereich von Saudi-Arabien. Das Problem ist jetzt, dass sie im Grunde genommen nur aus dem Süden angreifen können, aus diesem engen Schlauch von Kuwait heraus, wo sie eigentlich ihre Kräfte, die sie haben, nur sehr begrenzt aufeinander praktisch aufbauen und stationieren können, denn die Nordfront über die Türkei hat ja leider nicht gegriffen, wo die Amerikaner ihre stärksten Divisionen einsetzen wollten, so dass es ein völlig anderes Spiel diesmal ist, was die Amerikaner hier eingehen müssen. Sie müssen völlig anders planen, völlig anders rangehen, und die technischen Rahmenbedingungen der heutigen Führung sind auch schon wieder deutlich weiterentwickelt, als sie es 1991 waren.

    Müller: Wird die Waffengewalt, wird der Militärschlag präziser, zielgenauer sein als in früheren Szenarien?

    Reinhardt: Wenn wir einfach mal davon ausgehen, dass 1991 zehn Prozent der amerikanischen Munition, die von der Luftwaffe abgeworfen wurde, Präzisionsmunition war und wir heute 90 Prozent Präzisionsmunition haben, dann können wir davon ausgehen, dass die Ziele mit weniger Kräften viel zielgenauer bekämpft werden können und damit vor allen Dingen auch die möglichen Schäden und Ausfälle bei der Zivilbevölkerung minimiert werden können, weil man sich auf die militärisch-strategischen Ziele viel genauer konzentrieren kann. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Panzerabwehrhubschrauber und die Waffen auf dem Boden, die in ihrer Zielgenauigkeit heute wesentlich besser als vor zehn, zwölf Jahren sind.

    Müller: Kennt man aufgrund der modernen Satellitenaufklärung und -beobachtung jeden Winkel, jede Ecke im Irak?

    Reinhardt: Man kennt jeden Winkel, jede Ecke, soweit man von oben erkennen kann, natürlich, aber sie können dennoch Täuschmanöver machen. Sie können dennoch gerade in Bergen, in gedeckten Geländen natürlich versuchen, sich zu verstecken, aber das, was an Truppenkörpern von den Amerikanern zu bekämpfen sein wird, sind ja im Grunde genommen alles große Fahrzeuge und große Verbände; die kennt man, die sind aufgeklärt.

    Müller: Wie schwierig wird es sein, Bagdad einzunehmen?

    Reinhardt: Sehr schwierig, und es wird das Ziel der Amerikaner sein, ganz schnell auf Bagdad zuzustoßen, einen Ring um Bagdad zu machen und gleichzeitig die Streitkräfte auf dem Boden so zu zerschlagen, dass sie sehen, sie haben keine Chance in der Verteidigung, sie sind im Grunde genommen Selbstmörder, und sie damit zur Aufgabe zu zwingen. Das ist ja die Grundstrategie. Wenn sie nicht gelingt und man in einen längeren Krieg in Bagdad verwickelt werden würde, wird es problematisch. Ich glaube das nicht. Ich glaube das schon deswegen nicht, weil bisher Hussein nie Kräfte größerer Zahl nach Bagdad reingelassen hat, schon um sich selber nicht in die Gefahr zu begeben, von eigenen Kräften ausgeschaltet zu werden. Bis jetzt müssen sie immer 20 km vor der Stadt ihre Waffen abgeben, also es ist ein Risiko, was auch für Saddam Hussein ganz erheblich ist, wenn er den Kampf in Bagdad durchführen wird.

    Müller: Nutzen die modernen Waffen etwas beim Häuserkampf in der Hauptstadt?

    Reinhardt: Ja, zum Teil, aber natürlich nicht in der Konsequenz, die ich bei modernen mechanisierten Waffen habe. Nehmen Sie einen Abrams-Panzer, der kann eben einen gegnerischen, einen irakischen Panzer auf eine Entfernung aufklären und bekämpfen, bei der der irakische Panzer überhaupt noch nicht wirken kann. Bei Panzerabwehrhubschraubern ist diese Dimension noch viel extremer. Also hier wird man in eine Situation kommen, dass man die Zielgenauigkeit deutlich gesteigert hat, die man aber natürlich im Mann-zu-Mann-Kampf, trotz aller modernen Technik, die man hat, so nicht ausspielen kann.

    Müller: Wird Saddam Hussein den Krieg überleben?

    Reinhardt: Ich glaube nicht.

    Müller: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: DeutschlandRadio-Aktuell