Christine Heuer: Schwarz-Gelb, sagt der alte CDU-Querdenker Heiner Geißler, sei ein totgerittenes Pferd. Es bestehe kein Zweifel, dass die FDP die Union mit runterzieht. Auf zu neuen Ufern, also zu neuen Koalitionen, gern auch mit den Grünen, empfiehlt Geißler deshalb seiner Partei. Nicht zufällig passiert das acht Tage nach dem Wahldebakel der CDU in Niedersachsen. Wie soll sich die Union im Bundestagswahlkampf positionieren? – Fragen jetzt an einen Politikberater, Publizisten und früheren Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber. Guten Tag, Michael Spreng.
Michael Spreng: Guten Tag, Frau Heuer.
Heuer: Die Wahlstimmen-Kampagne der CDU in Niedersachsen war ja ein Eigentor. Die CDU rettet Rösler den Kopf, um dann im Bund von einer weiter schwächelnden FDP mit runtergezogen zu werden. Dumm gelaufen, oder?
Spreng: Ja, die Zweitstimmen-Kampagne in Niedersachsen war ein Nullsummenspiel. Es hat keine Erweiterung des bürgerlichen Lagers stattgefunden, sondern nur ein Austausch zwischen den beiden Parteien, und das ist eigentlich Unsinn. Solche Kampagnen machen nur Sinn, wenn die Parteien ein unterschiedliches Profil haben, ein eigenes, wenn die CDU in der Mitte und bei der SPD wildert und die FDP eine stabile Partei ist. Aber zur Gegenwart hat Heiner Geißler recht: Da ist die FDP ein totgerittenes Pferd, das ist ein Nullsummenspiel.
Heuer: Ist es strategisch dann richtig, wenn sich die Union deshalb von den Liberalen abgrenzt?
Spreng: Ja – aus mehreren Gründen. Erstens muss sie versuchen, Wähler aus dem SPD-Lager herüberzuziehen, zum Beispiel durch Themen wie Mindestlohn, Lebensleistungsrente, Stromkostenbegrenzung. Das ist das Eine, was sie tun muss. Und das Zweite: Ihr strategisches Ziel für die Bundestagswahl ist nicht in erster Linie eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb, sondern so stark zu werden, dass gegen die CDU keine Regierung gebildet werden kann.
Heuer: Aber mit wem sollte sie die denn bilden, wenn nicht mit der FDP? Die SPD wird nicht scharf darauf sein.
Spreng: Nein, scharf ist da keiner drauf, auf eine neue Große Koalition oder Schwarz-Grün. Aber die Verhältnisse können ja so sein, dass tatsächlich, wenn die CDU zwischen 40 und 42 Prozent bekommt, gegen die CDU keine andere Regierung gebildet werden kann, da ja die Linkspartei für Koalitionen nicht zur Verfügung steht. Das heißt, die Strategie der CDU ist schon richtig aus meiner Sicht.
Heuer: Eine Koalition mit den Grünen, halten Sie die für wahrscheinlich?
Spreng: Ich halte sie nicht für wahrscheinlich, aber wenn wir einen offenen Wahlausgang bekommen, dass ist weder für Rot-Grün, noch für Schwarz-Gelb reicht – wie gesagt: die Linkspartei ist nicht koalitionsfähig nach Aussagen der SPD und der Grünen -, also wenn wir eine solche offene Situation bekommen, werden die Karten völlig neu gemischt. Dann wird die CDU sowohl mit der SPD als auch mit den Grünen sprechen.
Heuer: Aber vielleicht hat die SPD dann auch eine Alternative, Herr Spreng, zum Beispiel Rot-Grün von der Linken toleriert. Schließen Sie eine solche Konstellation aus?
Spreng: Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei der anhaltenden Krise Europas, Schuldenkrise, Eurokrise, bei der weltwirtschaftlichen Herausforderung durch die Globalisierung, dass die SPD sich auf ein solches Abenteuer einlässt. Außerdem weiß ich nicht, wie die Tolerierung funktionieren soll, denn in entscheidenden Fragen, beispielsweise Afghanistan, Militäreinsätze im Ausland, gibt es ja keinerlei Brücken zwischen SPD und Linkspartei. Also das halte ich eher für ein Hirngespinst.
Heuer: Kann die CDU einen Lagerwahlkampf absagen, wenn Rot-Grün ihn ausdrücklich führen will? Ist das überhaupt möglich?
Spreng: Ja gut, die CDU wird im Wahlkampf betonen, dass natürlich ihr erstes Ziel sei, diese Koalition fortzusetzen. Dann wird sie sagen, selbst wenn es nicht stimmt, die FDP wird das schon aus eigener Kraft schaffen, wir haben keine Stimme zu verschenken, alle Zweitstimmen für Merkel. Und dann wird sie sehen, wie es ausgeht, und dann hat sie gute Chancen, als stärkste Partei jede andere Regierungsbeteiligung ohne CDU zu verhindern. Das halte ich schon für die richtige Strategie. Die FDP muss halt selbst sehen, woher sie ihre Stimmen bekommt. Einen Leihstimmen-Wahlkampf wird es bei der Bundestagswahl nicht geben und die FDP muss sich halt zurzeit mit dem Schicksal abfinden, dass sie als Funktionspartei gewählt wird. Wenn sie aber keine Funktion haben kann bei der Bundestagswahl, dann fallen auch solche taktisch motivierten Wahlentscheidungen weg.
Heuer: Welche Folgen hat das für die Partei, für die FDP, nehmen wir mal an, sie kommen rein? Die sind ja bisher immer reingekommen.
Spreng: Ja, das könnte auch gut sein, und es gibt ja auch taktisch denkende Wähler, die überlegen, dass die FDP vielleicht in vier Jahren noch oder bei späteren Wahlen gebraucht wird, um eine linke Dominanz in der Innenpolitik zu verhindern. Aber es wäre dann möglicherweise die kleinste Oppositionspartei. Also das ist, wie man so schön sagt, eine Möglichkeit zur Regeneration, die die FDP ja offenbar dringend notwendig hat, denn es gibt ja im Augenblick kein politisches Ziel, weswegen die FDP gewählt wird. Sie ist ja in Niedersachsen ausschließlich gewählt worden, weil die Leute geglaubt haben, so bekommen sie McAllister wieder. Es gab ja keine Stimmung zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb.
Heuer: Und so ist diese Möglichkeit zur Regeneration der FDP vertan worden. Rösler ist jetzt allein zuhause, mit dem als Sexisten dargestellten Brüderle an seiner Seite. Kann denn das gut gehen?
Spreng: Ja gut, die FDP ist halt insgesamt schlecht aufgestellt. Sie hat ihren ungeliebten Vorsitzenden behalten, sie hat ein altes Schlachtross zum Spitzenkandidaten gemacht, der jetzt mit anderen Problemen zu kämpfen hat, und es gibt kein erkennbar liberales Profil. Es gibt auch kein Thema, weswegen die FDP im Augenblick gewählt werden kann auf Bundesebene. Das Thema Steuersenkung ist ja ebenfalls ein totgerittenes Pferd, um Heiner Geißler zu zitieren. Also es fehlt ihr das Thema und es fehlen ihr die attraktiven Spitzenfiguren und das heißt, sie kann überhaupt nur wieder in den Bundestag kommen, wenn es Wähler gibt, die glauben, grundsätzlich sei die Existenz einer solchen Partei notwendig oder für die Zukunft erhaltenswert.
Heuer: Und gleichzeitig wildert ja die CDU jetzt verstärkt im SPD-Revier. Ausgerechnet der konservative Volker Kauder lässt zum Beispiel ein Gesetz zur gleichen Entlohnung von Männern und Frauen erarbeiten.
Spreng: Ja.
Heuer: Kann die CDU der SPD so Stimmen abjagen?
Spreng: Sie kann zumindest versuchen – das ist ja das, was sie auch bei früheren Wahlen gemacht hat: der Begriff der asymmetrischen Demobilisierung -, SPD-Wähler zu demobilisieren, dass die keinen besonderen Grund haben, zur Wahl zu gehen, oder die SPD zu wählen, weil die entscheidenden Positionen von der CDU mitvertreten werden. Das ist eine Fortsetzung der alten Wahlstrategie, wobei die Union da immer achtgeben muss, denn diese Wahlstrategie hat auch zweimal schon zu den zwei oder drei schlechtesten Ergebnissen der Nachkriegszeit geführt.
Heuer: Und sie birgt auch die Gefahr, dass es dann gleich wieder Ärger mit der CSU gibt, mit diesen Rabauken, die diese ganzen linken Ideen ja nicht gut heißen wollen.
Spreng: Ja, da sollte man die CSU nicht falsch einschätzen. Die CSU ist ja eine ausgesprochen sozial geprägte Partei, das war sie schon immer. Das heißt, alles, was in Richtung Mindestlohn geht, was in Richtung Generationengerechtigkeit geht und so, ist mit der CSU schon zu machen. Da ist jetzt nur der Konflikt um diese Lebensleistungsrente, weil die CSU mehr auf zusätzliche Rentenanwartschaften für Mütter vor 1992 setzt. Aber ansonsten ist die CSU eine soziale Partei, mit ihr kann man ein solches Wahlkonzept durchsetzen.
Heuer: Also dann heißt es, die Union sozusagen im Lager, aber gegen die FDP. Erste Gehversuche haben wir gestern beobachtet: Altmeiers Strompreisbremse und Friedrichs Sicherheitsgesetze. Da ist es ja wirklich gelungen, die FDP gleich zweimal an einem Tag zu düpieren. Ist das der Weg zum Erfolg?
Spreng: Ja auf jeden Fall der Weg zum Erfolg bei der beschriebenen Strategie, stärkste Partei zu werden, gegen die keine Regierung gebildet werden kann. Die CDU kann jetzt nicht mehr viel Rücksicht auf die FDP nehmen, da ist ihr das Hemd näher als der Koalitionsrock. Und das allerwichtigste Ziel ist die Optimierung der eigenen Stimmen und nicht für ein Bündnis zu kämpfen. Das wird die FDP auch schmerzlich spüren.
Heuer: Und das Szenario, dass Merkel am Ende eine Königin ohne Land sein kann, dass SPD und Grüne hart bleiben und sagen, wir koalieren nicht mit euch, dass sie eine Mehrheit hat, aber keine Koalition, das ist ein Szenario, das nicht nur unwahrscheinlich, sondern ausgeschlossen ist, Herr Spreng?
Spreng: Ja ich halte es deshalb für ausgeschlossen, weil natürlich sowohl SPD als auch Grüne sind ja staatstragende Parteien. Das heißt, sie werden ja nicht zulassen, dass in dieser krisenhaften Zeit das deutsche Schiff schlingert und dümpelt. Es wird am Ende mit hohen Konzessionen, die die CDU dann möglicherweise machen muss, zu einer Koalition kommen, und dafür stehen zwei theoretische Koalitionspartner zur Verfügung, falls es nicht wiedererwartend für Schwarz-Gelb wieder reicht, aber das ist ja eher das Unwahrscheinliche.
Heuer: Ganz kurz zum Schluss, Herr Spreng. Es ist noch ein paar Monate hin, aber auf welche Koalition tippen Sie?
Spreng: Oh, das ist ganz schwer zu sagen. Ich habe eine private Wahlwette laufen auf Schwarz-Grün, aber ich gebe zu, die ist hoch spekulativ.
Heuer: Da sind wir gespannt. Worum haben Sie gewettet? Das muss ich jetzt noch fragen.
Spreng: Um, sagen wir mal, einen Wein in der Preislage, wie ihn Peer Steinbrück trinkt.
Heuer: Prima! – Okay! – Michael Spreng, Publizist, er war mal Wahlkampfleiter für Edmund Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002. Herr Spreng, herzlichen Dank für das Gespräch.
Spreng: Ich danke auch. Auf Wiederhören, Frau Heuer.
Heuer: Tschüß!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Spreng: Guten Tag, Frau Heuer.
Heuer: Die Wahlstimmen-Kampagne der CDU in Niedersachsen war ja ein Eigentor. Die CDU rettet Rösler den Kopf, um dann im Bund von einer weiter schwächelnden FDP mit runtergezogen zu werden. Dumm gelaufen, oder?
Spreng: Ja, die Zweitstimmen-Kampagne in Niedersachsen war ein Nullsummenspiel. Es hat keine Erweiterung des bürgerlichen Lagers stattgefunden, sondern nur ein Austausch zwischen den beiden Parteien, und das ist eigentlich Unsinn. Solche Kampagnen machen nur Sinn, wenn die Parteien ein unterschiedliches Profil haben, ein eigenes, wenn die CDU in der Mitte und bei der SPD wildert und die FDP eine stabile Partei ist. Aber zur Gegenwart hat Heiner Geißler recht: Da ist die FDP ein totgerittenes Pferd, das ist ein Nullsummenspiel.
Heuer: Ist es strategisch dann richtig, wenn sich die Union deshalb von den Liberalen abgrenzt?
Spreng: Ja – aus mehreren Gründen. Erstens muss sie versuchen, Wähler aus dem SPD-Lager herüberzuziehen, zum Beispiel durch Themen wie Mindestlohn, Lebensleistungsrente, Stromkostenbegrenzung. Das ist das Eine, was sie tun muss. Und das Zweite: Ihr strategisches Ziel für die Bundestagswahl ist nicht in erster Linie eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb, sondern so stark zu werden, dass gegen die CDU keine Regierung gebildet werden kann.
Heuer: Aber mit wem sollte sie die denn bilden, wenn nicht mit der FDP? Die SPD wird nicht scharf darauf sein.
Spreng: Nein, scharf ist da keiner drauf, auf eine neue Große Koalition oder Schwarz-Grün. Aber die Verhältnisse können ja so sein, dass tatsächlich, wenn die CDU zwischen 40 und 42 Prozent bekommt, gegen die CDU keine andere Regierung gebildet werden kann, da ja die Linkspartei für Koalitionen nicht zur Verfügung steht. Das heißt, die Strategie der CDU ist schon richtig aus meiner Sicht.
Heuer: Eine Koalition mit den Grünen, halten Sie die für wahrscheinlich?
Spreng: Ich halte sie nicht für wahrscheinlich, aber wenn wir einen offenen Wahlausgang bekommen, dass ist weder für Rot-Grün, noch für Schwarz-Gelb reicht – wie gesagt: die Linkspartei ist nicht koalitionsfähig nach Aussagen der SPD und der Grünen -, also wenn wir eine solche offene Situation bekommen, werden die Karten völlig neu gemischt. Dann wird die CDU sowohl mit der SPD als auch mit den Grünen sprechen.
Heuer: Aber vielleicht hat die SPD dann auch eine Alternative, Herr Spreng, zum Beispiel Rot-Grün von der Linken toleriert. Schließen Sie eine solche Konstellation aus?
Spreng: Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei der anhaltenden Krise Europas, Schuldenkrise, Eurokrise, bei der weltwirtschaftlichen Herausforderung durch die Globalisierung, dass die SPD sich auf ein solches Abenteuer einlässt. Außerdem weiß ich nicht, wie die Tolerierung funktionieren soll, denn in entscheidenden Fragen, beispielsweise Afghanistan, Militäreinsätze im Ausland, gibt es ja keinerlei Brücken zwischen SPD und Linkspartei. Also das halte ich eher für ein Hirngespinst.
Heuer: Kann die CDU einen Lagerwahlkampf absagen, wenn Rot-Grün ihn ausdrücklich führen will? Ist das überhaupt möglich?
Spreng: Ja gut, die CDU wird im Wahlkampf betonen, dass natürlich ihr erstes Ziel sei, diese Koalition fortzusetzen. Dann wird sie sagen, selbst wenn es nicht stimmt, die FDP wird das schon aus eigener Kraft schaffen, wir haben keine Stimme zu verschenken, alle Zweitstimmen für Merkel. Und dann wird sie sehen, wie es ausgeht, und dann hat sie gute Chancen, als stärkste Partei jede andere Regierungsbeteiligung ohne CDU zu verhindern. Das halte ich schon für die richtige Strategie. Die FDP muss halt selbst sehen, woher sie ihre Stimmen bekommt. Einen Leihstimmen-Wahlkampf wird es bei der Bundestagswahl nicht geben und die FDP muss sich halt zurzeit mit dem Schicksal abfinden, dass sie als Funktionspartei gewählt wird. Wenn sie aber keine Funktion haben kann bei der Bundestagswahl, dann fallen auch solche taktisch motivierten Wahlentscheidungen weg.
Heuer: Welche Folgen hat das für die Partei, für die FDP, nehmen wir mal an, sie kommen rein? Die sind ja bisher immer reingekommen.
Spreng: Ja, das könnte auch gut sein, und es gibt ja auch taktisch denkende Wähler, die überlegen, dass die FDP vielleicht in vier Jahren noch oder bei späteren Wahlen gebraucht wird, um eine linke Dominanz in der Innenpolitik zu verhindern. Aber es wäre dann möglicherweise die kleinste Oppositionspartei. Also das ist, wie man so schön sagt, eine Möglichkeit zur Regeneration, die die FDP ja offenbar dringend notwendig hat, denn es gibt ja im Augenblick kein politisches Ziel, weswegen die FDP gewählt wird. Sie ist ja in Niedersachsen ausschließlich gewählt worden, weil die Leute geglaubt haben, so bekommen sie McAllister wieder. Es gab ja keine Stimmung zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb.
Heuer: Und so ist diese Möglichkeit zur Regeneration der FDP vertan worden. Rösler ist jetzt allein zuhause, mit dem als Sexisten dargestellten Brüderle an seiner Seite. Kann denn das gut gehen?
Spreng: Ja gut, die FDP ist halt insgesamt schlecht aufgestellt. Sie hat ihren ungeliebten Vorsitzenden behalten, sie hat ein altes Schlachtross zum Spitzenkandidaten gemacht, der jetzt mit anderen Problemen zu kämpfen hat, und es gibt kein erkennbar liberales Profil. Es gibt auch kein Thema, weswegen die FDP im Augenblick gewählt werden kann auf Bundesebene. Das Thema Steuersenkung ist ja ebenfalls ein totgerittenes Pferd, um Heiner Geißler zu zitieren. Also es fehlt ihr das Thema und es fehlen ihr die attraktiven Spitzenfiguren und das heißt, sie kann überhaupt nur wieder in den Bundestag kommen, wenn es Wähler gibt, die glauben, grundsätzlich sei die Existenz einer solchen Partei notwendig oder für die Zukunft erhaltenswert.
Heuer: Und gleichzeitig wildert ja die CDU jetzt verstärkt im SPD-Revier. Ausgerechnet der konservative Volker Kauder lässt zum Beispiel ein Gesetz zur gleichen Entlohnung von Männern und Frauen erarbeiten.
Spreng: Ja.
Heuer: Kann die CDU der SPD so Stimmen abjagen?
Spreng: Sie kann zumindest versuchen – das ist ja das, was sie auch bei früheren Wahlen gemacht hat: der Begriff der asymmetrischen Demobilisierung -, SPD-Wähler zu demobilisieren, dass die keinen besonderen Grund haben, zur Wahl zu gehen, oder die SPD zu wählen, weil die entscheidenden Positionen von der CDU mitvertreten werden. Das ist eine Fortsetzung der alten Wahlstrategie, wobei die Union da immer achtgeben muss, denn diese Wahlstrategie hat auch zweimal schon zu den zwei oder drei schlechtesten Ergebnissen der Nachkriegszeit geführt.
Heuer: Und sie birgt auch die Gefahr, dass es dann gleich wieder Ärger mit der CSU gibt, mit diesen Rabauken, die diese ganzen linken Ideen ja nicht gut heißen wollen.
Spreng: Ja, da sollte man die CSU nicht falsch einschätzen. Die CSU ist ja eine ausgesprochen sozial geprägte Partei, das war sie schon immer. Das heißt, alles, was in Richtung Mindestlohn geht, was in Richtung Generationengerechtigkeit geht und so, ist mit der CSU schon zu machen. Da ist jetzt nur der Konflikt um diese Lebensleistungsrente, weil die CSU mehr auf zusätzliche Rentenanwartschaften für Mütter vor 1992 setzt. Aber ansonsten ist die CSU eine soziale Partei, mit ihr kann man ein solches Wahlkonzept durchsetzen.
Heuer: Also dann heißt es, die Union sozusagen im Lager, aber gegen die FDP. Erste Gehversuche haben wir gestern beobachtet: Altmeiers Strompreisbremse und Friedrichs Sicherheitsgesetze. Da ist es ja wirklich gelungen, die FDP gleich zweimal an einem Tag zu düpieren. Ist das der Weg zum Erfolg?
Spreng: Ja auf jeden Fall der Weg zum Erfolg bei der beschriebenen Strategie, stärkste Partei zu werden, gegen die keine Regierung gebildet werden kann. Die CDU kann jetzt nicht mehr viel Rücksicht auf die FDP nehmen, da ist ihr das Hemd näher als der Koalitionsrock. Und das allerwichtigste Ziel ist die Optimierung der eigenen Stimmen und nicht für ein Bündnis zu kämpfen. Das wird die FDP auch schmerzlich spüren.
Heuer: Und das Szenario, dass Merkel am Ende eine Königin ohne Land sein kann, dass SPD und Grüne hart bleiben und sagen, wir koalieren nicht mit euch, dass sie eine Mehrheit hat, aber keine Koalition, das ist ein Szenario, das nicht nur unwahrscheinlich, sondern ausgeschlossen ist, Herr Spreng?
Spreng: Ja ich halte es deshalb für ausgeschlossen, weil natürlich sowohl SPD als auch Grüne sind ja staatstragende Parteien. Das heißt, sie werden ja nicht zulassen, dass in dieser krisenhaften Zeit das deutsche Schiff schlingert und dümpelt. Es wird am Ende mit hohen Konzessionen, die die CDU dann möglicherweise machen muss, zu einer Koalition kommen, und dafür stehen zwei theoretische Koalitionspartner zur Verfügung, falls es nicht wiedererwartend für Schwarz-Gelb wieder reicht, aber das ist ja eher das Unwahrscheinliche.
Heuer: Ganz kurz zum Schluss, Herr Spreng. Es ist noch ein paar Monate hin, aber auf welche Koalition tippen Sie?
Spreng: Oh, das ist ganz schwer zu sagen. Ich habe eine private Wahlwette laufen auf Schwarz-Grün, aber ich gebe zu, die ist hoch spekulativ.
Heuer: Da sind wir gespannt. Worum haben Sie gewettet? Das muss ich jetzt noch fragen.
Spreng: Um, sagen wir mal, einen Wein in der Preislage, wie ihn Peer Steinbrück trinkt.
Heuer: Prima! – Okay! – Michael Spreng, Publizist, er war mal Wahlkampfleiter für Edmund Stoiber im Bundestagswahlkampf 2002. Herr Spreng, herzlichen Dank für das Gespräch.
Spreng: Ich danke auch. Auf Wiederhören, Frau Heuer.
Heuer: Tschüß!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.