Friedbert Meurer: Heute Morgen um zehn Uhr hat vor dem Landgericht Braunschweig das Verfahren gegen Peter Hartz begonnen, dem Ideen- und Namensgeber der Hartz-Gesetze, die ja unter Bundeskanzler Gerhard Schröder verabschiedet worden sind. Sein Fall war tief: vom gefeierten Medienstar zum Angeklagten, der als tief verstrickt gilt in der Affäre bei VW um Schmiergelder und Lustreisen. Jetzt soll er mit zwei Jahren auf Bewährung davonkommen. Viel Rummel also um den Prozess gegen den früheren Arbeitsdirektor von VW Peter Hartz. Unter den Journalisten, die den Prozess im Gerichtssaal beobachten, ist auch der Kollege Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung". Guten Tag Herr Leyendecker!
Hans Leyendecker: Guten Tag!
Meurer: Wenn das alles so kommt, wie wir es hören, Höchststrafe zwei Jahre auf Bewährung, 360 Tagessätze - ich vermute mal ein Jahresgehalt - als Strafe, schneidet damit Peter Hartz Ihrer Ansicht nach gut ab?
Leyendecker: Das ist immer relativ, ob diese Strafen dann ausreichend sind. Man muss sie immer beziehen auf den Angeklagten. Man hat einen Angeklagten, der aus seiner Sicht nicht eigennützig gehandelt hat, der nicht vorbestraft ist, der 65 Jahre alt ist. Das spricht für ihn. Der große Schaden spricht gegen ihn. Da gibt es keine feste Tabelle, mit der man zufrieden sein kann. Ich finde es eher ein Stückchen problematisch, wie es abläuft, aber so wird es in Zukunft fast überall ablaufen in großen Prozessen, dass man Absprachen macht. Wir erleben keine Zeugen, wir erleben keine Sachverständigen. Gleich nach der Mittagspause wird aus einigen Vernehmungen noch vorgelesen werden. Die Erklärung zur Sache hat der Anwalt gemacht. Man hat Herrn Hartz ja nur gehört, als er etwas zur eigenen Person sagte. Die Fragen, die es in den Akten gibt - das ist ja ein umfangreiches Verfahren mit elf Beschuldigten -, hätte man auch mal gerne in einer ordentlichen Hauptverhandlung gehört. Die Oberstaatsanwältin hat ja bei Gelegenheit mal gesagt, "wenn Herr Hartz nicht richtig spurt, gibt es eine richtige Hauptverhandlung". Vielleicht ist das hier auch nicht ganz die richtige.
Meurer: Offenbar spurt er aber vielleicht doch, um diese Wortwahl mal aufzugreifen?
Leyendecker: Er spurt, ja!
Meurer: Wieso soll das problematisch sein, so eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richterin? Das gibt es doch häufig.
Leyendecker: Die Absprache generell ist nicht problematisch. Ich finde es problematisch, wenn man überhaupt auf Zeugen verzichtet, wenn man also zu einzelnen Punkten nur das vorliest, was mal gesagt worden ist, und nicht die Gelegenheit hat, im Gespräch mit den Zeugen und im Gespräch mit dem Angeklagten den Sachverhalt noch mal zu erörtern. Dieser Ablauf lässt einfach am Ende vieles offen, weil es ein Urteil aus der Retorte sein wird.
Meurer: Es ist ein Urteil, das auf einem vollen Geständnis des Angeklagten gründet.
Leyendecker: Ja!
Meurer: Ist das zu wenig?
Leyendecker: Nein! Generell finde ich das richtig, was jetzt kommt, dass man ein glaubhaftes, umfassendes Geständnis haben muss. Prozessökonomie, Beschleunigungsgrundsatz, das sind ja die Stichworte. Das ist auch alles völlig in Ordnung. Nur ich glaube innerhalb dieses Systems muss es dennoch die Möglichkeit geben, einige Punkte so zu behandeln wie man sie früher auch behandelt hat und wie man sie bei jedem Kleinkriminellen auf jeden Fall behandelt. Beim Kleinkriminellen erleben Sie das nicht, was hier stattfindet.
Meurer: Welche Punkte hätten Sie gerne noch vor Gericht behandelt gesehen?
Leyendecker: Ich hätte einfach gerne Zeugen gesehen. Eben hat Egon Müller, sein Verteidiger, der brillant ist, ein ganz großer Verteidiger, ein ganz großer Schauspieler, sozusagen die Opferrolle von Hartz beschrieben, der gedrängt wurde, der sich nicht wehren konnte und so weiter. Da gibt es in den Unterlagen ganz andere Einlassungen, warum das System so war. Diesen Punkt glaube ich kann man nicht nur durch Vorlesen klären, sondern da ist es sinnvoll, an der einen oder anderen Stelle doch noch mal jemanden zu hören, der da eine ganz andere Sicht hat.
Meurer: Hartz ist ja der Untreue angeklagt. Seinem Unternehmen Volkswagen soll er Schaden zugefügt haben, zwei Millionen Euro zum Beispiel unter der Hand für den Betriebsrat Volkert. Dafür gab es aber möglicherweise Gegenleistungen des Betriebsrats. Hat er irgendwo auch Ihren Recherchen nach vielleicht VW genutzt?
Leyendecker: Das ist eine interessante Frage, die leider hier in Braunschweig überhaupt nicht diskutiert wird, weil man sich auf diesen Weg verständigt hat. Ist der Tariffriede, den es in Wolfsburg gab, nicht höher zu bemessen als die Zahlung für Herrn Volkert? Das wäre eine interessante Diskussion. Vermutlich, so wie die Justiz justiert ist, würde man in Braunschweig damit nicht durchkommen, aber ich weiß nicht, wie der Bundesgerichtshof das sehen würde. Nur sie brauchen auch Mandanten, die das so tun wollen, die diesen Weg gehen wollen. Wenn der Mandant ihn nicht gehen will, kommt der für den Verteidiger nicht in Frage.
Meurer: Glauben Sie, dass wir mehr erfahren werden aus anderen Prozessen, die es ja rund um VW noch geben wird?
Leyendecker: Ja. Wir werden Unterschiedliches erfahren. Wir werden diese Sex-Geschichten alle mitbekommen, wenn Leute, die deshalb angeklagt werden, vor Gericht stehen. Wir werden aber in dem Volkert-Prozess andere Dinge hören, weil der wird nicht in Absprache verlaufen. Da wird denke ich auch über den Untreue-Begriff gestritten werden. Dann tut sich die VW-Welt noch mal anders auf.
Hans Leyendecker: Guten Tag!
Meurer: Wenn das alles so kommt, wie wir es hören, Höchststrafe zwei Jahre auf Bewährung, 360 Tagessätze - ich vermute mal ein Jahresgehalt - als Strafe, schneidet damit Peter Hartz Ihrer Ansicht nach gut ab?
Leyendecker: Das ist immer relativ, ob diese Strafen dann ausreichend sind. Man muss sie immer beziehen auf den Angeklagten. Man hat einen Angeklagten, der aus seiner Sicht nicht eigennützig gehandelt hat, der nicht vorbestraft ist, der 65 Jahre alt ist. Das spricht für ihn. Der große Schaden spricht gegen ihn. Da gibt es keine feste Tabelle, mit der man zufrieden sein kann. Ich finde es eher ein Stückchen problematisch, wie es abläuft, aber so wird es in Zukunft fast überall ablaufen in großen Prozessen, dass man Absprachen macht. Wir erleben keine Zeugen, wir erleben keine Sachverständigen. Gleich nach der Mittagspause wird aus einigen Vernehmungen noch vorgelesen werden. Die Erklärung zur Sache hat der Anwalt gemacht. Man hat Herrn Hartz ja nur gehört, als er etwas zur eigenen Person sagte. Die Fragen, die es in den Akten gibt - das ist ja ein umfangreiches Verfahren mit elf Beschuldigten -, hätte man auch mal gerne in einer ordentlichen Hauptverhandlung gehört. Die Oberstaatsanwältin hat ja bei Gelegenheit mal gesagt, "wenn Herr Hartz nicht richtig spurt, gibt es eine richtige Hauptverhandlung". Vielleicht ist das hier auch nicht ganz die richtige.
Meurer: Offenbar spurt er aber vielleicht doch, um diese Wortwahl mal aufzugreifen?
Leyendecker: Er spurt, ja!
Meurer: Wieso soll das problematisch sein, so eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richterin? Das gibt es doch häufig.
Leyendecker: Die Absprache generell ist nicht problematisch. Ich finde es problematisch, wenn man überhaupt auf Zeugen verzichtet, wenn man also zu einzelnen Punkten nur das vorliest, was mal gesagt worden ist, und nicht die Gelegenheit hat, im Gespräch mit den Zeugen und im Gespräch mit dem Angeklagten den Sachverhalt noch mal zu erörtern. Dieser Ablauf lässt einfach am Ende vieles offen, weil es ein Urteil aus der Retorte sein wird.
Meurer: Es ist ein Urteil, das auf einem vollen Geständnis des Angeklagten gründet.
Leyendecker: Ja!
Meurer: Ist das zu wenig?
Leyendecker: Nein! Generell finde ich das richtig, was jetzt kommt, dass man ein glaubhaftes, umfassendes Geständnis haben muss. Prozessökonomie, Beschleunigungsgrundsatz, das sind ja die Stichworte. Das ist auch alles völlig in Ordnung. Nur ich glaube innerhalb dieses Systems muss es dennoch die Möglichkeit geben, einige Punkte so zu behandeln wie man sie früher auch behandelt hat und wie man sie bei jedem Kleinkriminellen auf jeden Fall behandelt. Beim Kleinkriminellen erleben Sie das nicht, was hier stattfindet.
Meurer: Welche Punkte hätten Sie gerne noch vor Gericht behandelt gesehen?
Leyendecker: Ich hätte einfach gerne Zeugen gesehen. Eben hat Egon Müller, sein Verteidiger, der brillant ist, ein ganz großer Verteidiger, ein ganz großer Schauspieler, sozusagen die Opferrolle von Hartz beschrieben, der gedrängt wurde, der sich nicht wehren konnte und so weiter. Da gibt es in den Unterlagen ganz andere Einlassungen, warum das System so war. Diesen Punkt glaube ich kann man nicht nur durch Vorlesen klären, sondern da ist es sinnvoll, an der einen oder anderen Stelle doch noch mal jemanden zu hören, der da eine ganz andere Sicht hat.
Meurer: Hartz ist ja der Untreue angeklagt. Seinem Unternehmen Volkswagen soll er Schaden zugefügt haben, zwei Millionen Euro zum Beispiel unter der Hand für den Betriebsrat Volkert. Dafür gab es aber möglicherweise Gegenleistungen des Betriebsrats. Hat er irgendwo auch Ihren Recherchen nach vielleicht VW genutzt?
Leyendecker: Das ist eine interessante Frage, die leider hier in Braunschweig überhaupt nicht diskutiert wird, weil man sich auf diesen Weg verständigt hat. Ist der Tariffriede, den es in Wolfsburg gab, nicht höher zu bemessen als die Zahlung für Herrn Volkert? Das wäre eine interessante Diskussion. Vermutlich, so wie die Justiz justiert ist, würde man in Braunschweig damit nicht durchkommen, aber ich weiß nicht, wie der Bundesgerichtshof das sehen würde. Nur sie brauchen auch Mandanten, die das so tun wollen, die diesen Weg gehen wollen. Wenn der Mandant ihn nicht gehen will, kommt der für den Verteidiger nicht in Frage.
Meurer: Glauben Sie, dass wir mehr erfahren werden aus anderen Prozessen, die es ja rund um VW noch geben wird?
Leyendecker: Ja. Wir werden Unterschiedliches erfahren. Wir werden diese Sex-Geschichten alle mitbekommen, wenn Leute, die deshalb angeklagt werden, vor Gericht stehen. Wir werden aber in dem Volkert-Prozess andere Dinge hören, weil der wird nicht in Absprache verlaufen. Da wird denke ich auch über den Untreue-Begriff gestritten werden. Dann tut sich die VW-Welt noch mal anders auf.