Samstag, 20. April 2024

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"Ich halte das für den falschen Weg"

Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann hat sich gegen die von den Unionsparteien erwogene Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen. Dies würde den Konsum zusätzlich belasten, sagte der CDU-Politiker. Außerdem müsse zunächst über die notwendige Reform der Sozialsysteme entschieden werden, bevor man über die Finanzierung spreche.

Moderation: Friedbert Meurer | 07.07.2005
    Friedbert Meurer: Was will die Union, wenn sie die Bundestagswahl im September gewinnen sollte, vorausgesetzt natürlich es wird überhaupt Neuwahlen geben? CDU und CSU wollen am kommenden Montag Farbe bekennen, also ihr Wahlprogramm vorstellen. Vorher soll es noch ein Treffen geben der beiden Parteichefs Angela Merkel und Edmund Stoiber. Im Fokus steht dabei die Mehrwertsteuer. Beide Politiker wollen sie anheben: Angela Merkel, um die Lohnnebenkosten zu senken; Edmund Stoiber dagegen denkt mehr an den Haushalt. - In Kiel begrüße ich Dietrich Austermann, Wirtschaftsminister in der großen Koalition in Schleswig-Holstein (CDU). Guten Morgen Herr Austermann!

    Dietrich Austermann: Guten Morgen!

    Meurer: Wie denken Sie denn darüber, dass die Mehrwertsteuer um 2 Prozent angehoben werden soll?

    Austermann: Ich halte das für den falschen Weg aus verschiedenen Gründen. Zum einen je nachdem wofür man die Mehrwertsteuer einsetzen will, bedeutet es eine zusätzliche Belastung für den Konsum und vor allen Dingen für den Personenkreis, der sein ganzes Einkommen praktisch im Monat verkonsumiert, von Rentnern über Arbeitslose bis zu Beamten mit kleineren Einkommen, Studenten und anderen. Sie werden weniger zur Verfügung haben jeden Monat. Das belebt nicht gerade die Wirtschaft.

    Das zweite ist, dass wir vor einer Entscheidung über die Strukturen der Sozialsysteme mit einer bereits erfolgten Mehrwertsteuererhöhung den Menschen suggerieren, das wichtige ist vor allen Dingen mehr Geld zu haben, das wichtige sind nicht die Reformen. Also wenn man Sozialsysteme entlasten will, muss die Reform an erster Stelle stehen und dann muss man überlegen, was danach noch nötig ist. Aber den umgekehrten Weg zu gehen, das halte ich für falsch. - Für die Sanierung der Haushalte? Das weckt natürlich Begehrlichkeiten bei jedem Ministerpräsidenten und jedem Finanzminister in jedem Bundesland und auch auf Bundesebene.

    Meurer: Und bei Ihnen auch, Herr Austermann?

    Austermann: Nein, überhaupt nicht, weil meine Grundüberzeugung seit den 80er Jahren ist, wir machen eine angebotsorientierte Politik mit sinkenden Steuern und nicht mit höheren Steuern. Die Erfahrung der acht Jahre hat gezeigt, je niedriger die Steuern sind um so mehr nimmt der Staat ein. Der umgekehrte Weg lautet immer höhere Steuern - siehe Tabaksteuer - immer weniger Einnahmen. Das ist falsch. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, wir entlasten Bürger und Betriebe, wir senken den Spitzensteuersatz ab und den Eingangssteuersatz, und knallt das gleichzeitig wieder auf die Normalverdiener drauf.

    Meurer: Wie kommt es denn, dass die Unionsspitze auf diesen Weg jetzt gekommen ist? Ist das der bequemere Weg, den man da gehen will?

    Austermann: Ich kann einen klaren Beschluss bisher nicht erkennen und deswegen bin ich dankbar, dass ich die Gelegenheit habe, meine Meinung so deutlich zu sagen, weil ich hoffe, dass es den einen oder anderen auf den Pfad der Tugend führt.

    Meurer: Wenn es denn doch so kommt, welcher Zweck wäre Ihnen denn dann noch am liebsten: Lohnnebenkosten senken oder Haushalt sanieren?

    Austermann: Wenn ich nicht im Ergebnis erreichen will, dass unterm Strich die Bürger mehr belastet werden, der Konsum noch mehr gedämpft wird, wäre mir natürlich das Thema Lohnnebenkostenabsenkung am liebsten. Wir müssen in die Richtung kommen, dass wir die Arbeitskosten, die zurzeit da sind, reduzieren, dass wir mehr Chancen für Arbeitsplätze in Deutschland einräumen. Da wäre das der bessere Weg, eindeutig der bessere Weg.

    Meurer: Würde die Union damit auch eine Flanke aufmachen? Sie hat immer die Einführung der Ökosteuer kritisiert. Die Ökosteuer, die von rot-grün eingeführt worden war, um die Rentenabgaben zu senken. Jetzt würde man praktisch das gleiche machen und müsste sich dann dafür vorhalten lassen, etwas zu tun, was man vor einigen Jahren noch heftig kritisiert hat?

    Austermann: Na ja, die Einführung der Ökosteuer war ein Fehler. Sie lief parallel. Sie hat genau das gemacht, was jetzt sich falsch entwickeln könnte, nämlich suggeriert, wenn wir die Steuern nur erhöhen, kriegen wir sinkende Beiträge. Man konnte das eine Zeit lang über Beiträge stabil halten. Jetzt haben wir steigende Ausgaben bei den Renten, steigende Beiträge mit Sicherheit und steigende Energiekosten. Wir haben also den Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben. Wir haben nie gesagt, wir werden sofort die Ökosteuer abschaffen. Das ist bei dem Volumen, das inzwischen aufgewachsen ist, nicht möglich. Man wird aber keine weiteren Schritte machen müssen und man wird langfristig darüber nachdenken müssen, dieses unsinnige Ding abzuschaffen. Zurzeit werden über die Ökosteuer die Stromkunden belastet, egal woher sie ihren Strom beziehen. Wir belasten mit der Ökosteuer die Windmühlen, die Solarkollektoren. Wir belasten mit der Ökosteuer die Bahn. Alles das ist unsinnig. Das muss langfristig weg. Da hat sich nichts geändert.

    Meurer: Eine Mehrwertsteuer würde all die Kriterien, das was Sie jetzt gerade gesagt haben, offensichtlich auch erfüllen, nämlich die Verbraucher belasten oder auch die Deutsche Bahn?

    Austermann: Ich sage ja: ich bin grundsätzlich gegen jede Steuererhöhung und eine Steuererhöhung, die mit einer Steuersenkung kaschiert wird, ist nicht glaubwürdig. Wenn Sie sehen, was sich in den letzten Jahren zugetragen hat, dann werden Sie feststellen, das war immer linke Tasche/rechte Tasche. Man hat den Bürgern gesagt, wir senken die Steuern. Die größte Steuerreform aller Zeiten hat Herr Eichel verkündet. Die Menschen haben unterm Strich aber nicht mehr in der Tasche gehabt und jetzt wundert er sich über Stagnation und Rezession. So darf man es eben nicht machen. Klare, berechenbare Politik heißt die Wahrheit sagen und nicht mit der einen Hand geben, was man mit der anderen wieder nimmt.

    Meurer: Aber andererseits, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Austermann, langfristig gesehen, wenn es erst eine Reform der Sozialsysteme gibt, dann können Sie sich schon eine Steuerfinanzierung über indirekte Steuern, also Mehrwertsteuern vorstellen?

    Austermann: Einen Abbau der Lohnnebenkosten, eine Umfinanzierung halte ich für denkbar, aber die Steuererhöhung darf nicht der erste Schritt sein. Es muss unter dem Strich zu mehr Freiheit für den Arbeitsmarkt, für Arbeitsplätze kommen. Dann kann das ganze geeignet sein. Im Moment läuft alles aber in eine andere Richtung.

    Meurer: Das war der Wirtschaftsminister in der großen Koalition in Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann von der CDU. Schönen Dank und auf Wiederhören Herr Austermann.

    Austermann: Ich danke Ihnen auch. Bis dann!