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"Ich halte das für eine vernünftige Grundlage"

Nach Ansicht des hessischen Innenministers Volker Bouffier (CDU) wird die so genannte Anti-Terror-Datei eine entscheidende Hilfe sein, um Terrorgefahren im Vorfeld zu erkennen. Bei einer terroristischen Bedrohung dürfe man nicht erst warten, bis etwas passiere. Die von der Opposition geäußerte Kritik bezeichnete Bouffier als "aufgeblasen".

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Sie sei ein Quantensprung in der Terrorbekämpfung. So jedenfalls ließen sich Innenexperten der Koalitionsfraktionen zitieren und tatsächlich: jahrelang wurde über die Einrichtung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten gerungen. Heute soll sie im Bundestag beschlossen werden, allerdings wohl gegen die Stimmen der Opposition. Am Telefon begrüße ich dazu jetzt Volker Bouffier. Er ist der Innenminister von Hessen und Mitglied der CDU. Guten Morgen!

    Volker Bouffier: Guten Morgen. Ich grüße Sie!

    Heckmann: Herr Bouffier, ist die Anti-Terror-Datei in der Form, in der sie jetzt beschlossen werden soll, das was Sie als Innenminister zur Terrorabwehr brauchen?

    Bouffier: Sie ist jedenfalls das, was wir seit Jahren fordern. Man kann sich immer noch Besseres wünschen, aber entscheidend ist, dass wir fünf Jahre in Deutschland gebraucht haben, um überhaupt so weit zu kommen. Wenn Sie sich daran erinnern: Die Anschläge in New York sind über fünf Jahre her und es hat ein ewiges Gezerre gegeben. Deshalb sind wir alle Kollegen sehr froh, dass wir das jetzt wenigstens haben. Ich halte das für eine vernünftige Grundlage.

    Heckmann: Herr Bouffier, können Sie ein konkretes Beispiel für einen Fall nennen, wo Ihnen diese Zusammenarbeit der Geheimdienste und Polizeien gefehlt hat?

    Bouffier: Worum geht es? Es muss doch sichergestellt werden, dass wir nicht an unterschiedlichen Stellen Informationen haben, die nicht rechtzeitig zusammengeführt werden, um Gefahren zu erkennen und sie dann auszuschalten. Wir reden ja hier nicht über Kleinkram, sondern um terroristische Gefahren, die sich auch nicht irgendjemand einbildet, sondern die wirklich da sind. Wenn nun eine Polizeistreife zum Beispiel ein verdächtiges Objekt kontrolliert oder überprüft und kann dann durch die neue Datei erst herausfinden, dass man es zum Beispiel mit jemandem zu tun hat, der in Afghanistan in einem Ausbildungslager war, dann wird die jeweilige Polizeistreife mit der Begegnung ganz anders umgehen, als wenn wir das nicht erfahren. Das wichtigste unserer Arbeit ist doch, dass wir im Vorfeld, bevor etwas passiert, möglichst Gefahren erkennen und Gefahren können sie nur erkennen, wenn sie wichtige Informationen haben.

    Heckmann: Meine Frage zielte auf ein konkretes Beispiel ab, wo die Zusammenarbeit bislang gefehlt hat.

    Bouffier: Wenn sie jetzt zum Beispiel jemanden überprüfen aus dem Umfeld des Extremismus oder Terrorismus und sie wollen abklären, ob es sich um jemanden handelt, der vielleicht Vorbereitungshandlungen trifft, der für den Dschihad wirbt, der Leute hier anwirbt, um als Märtyrer zum Beispiel in den Irak zu gehen, oder der logistisch mithilft, von der Geldwäsche bis hin zum Sprengstoffbasteln, dann ist aus meiner Sicht wichtig, dass ein Polizeibeamter, der diese Überprüfung vornimmt, zum Beispiel erfährt, was wissen wir an anderer Stelle über diesen Menschen. Wenn er dann zum Beispiel in Afghanistan im Ausbildungslager war, wenn wir zum Beispiel aus anderen Dienstquellen wissen, dass es jemand ist, der Pässe gefälscht hat, der Unterschlupf geboten hat, ich finde das notwendig zu wissen, damit wir angemessen auf Gefahren reagieren können.

    Heckmann: Aber in der Vergangenheit hat es keine konkreten Fälle gegeben, wo diese Zusammenarbeit gefehlt hat, um noch mal nachzufragen?

    Bouffier: Na ja, das ist ja nicht wahr. Man kann ja - und das das Irre an dieser Geschichte - nicht beweisen, dass durch sachgerechte Arbeit etwas nicht passiert ist, sondern wir müssen es umgekehrt machen. Wir dürfen nicht warten, bis etwas passiert, damit etwas passiert. Das ist doch das Problem der Sicherheitsdebatte immer wieder in Deutschland. Irgendwo schlägt es zu, anschließend fordern alle, es muss dringend etwas getan werden. Das ist falsch! Wir müssen vorher etwas tun, damit es nicht zuschlägt. So herum wird auch Sinn daraus und alle quer durch die Reihen sind sich einig, dass wir hier eine notwendige Datei bekommen, die die Arbeit erleichtert. Sie wird nie zu 100 Prozent die Aufgabe erfüllen können, dass nirgends und an keiner Stelle eine Gefahr sich dann verwirklicht, aber sie hilft entscheidend weiter und deshalb sind wir sehr froh, dass das heute im Bundestag endlich durchgeht.

    Heckmann: Sie sagen es, Herr Bouffier. Die Einrichtung der Anti-Terror-Datei ist grundsätzlich nicht umstritten, auch in den Reihen der Opposition nicht. Die Frage ist, wie wird diese Anti-Terror-Datei ausgestaltet und da moniert die Opposition, dass die Kritik der Experten, die im Vorfeld gehört worden sind, in keiner Weise aufgegriffen worden seien. Beispielsweise der Begriff der Kontaktperson sei immer noch nicht hinreichend definiert. Das könnte zur Folge haben, dass jeder Wohnungsbesitzer, der einem Islamisten eine Wohnung vermittelt, ohne dass er es weiß in die Datei aufgenommen wird.

    Bouffier: Dem sind wir versucht entgegenzukommen. Sie wissen vielleicht, dass wir versucht haben, hier den Bedenken entgegenzutreten, indem wir gesagt haben, wir wollen nicht in diese Datei Leute aufnehmen, die nur flüchtig oder zufällig in Kontakt mit jemandem stehen, der weiterführende Hinweise zum Terrorismus geben könnte. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden: Wir wollen nicht den, der nun wie auch immer zufälligerweise mit jemandem in Kontakt tritt, der im Verdacht steht, sich entweder selbst oder durch andere dem Terrorismus zu nähern. Die wollen wir also nicht darin haben, die zufällig dabei sind.

    Heckmann: Wer definiert das, Herr Bouffier?

    Bouffier: Dass auf der anderen Seite jemand, der nun dauerhaft Kontakt hat, wie wir das in Hamburg und an anderen Orten ja mittlerweile wirklich nachweisen können, mit bestimmten Kreisen, die dann später auch zugeschlagen haben, den müssen wir schon kennen und den müssen wir auch abklären. Es macht doch keinen Sinn, wenn Sie zum Beispiel mal die Kofferbombenleger nehmen. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir wissen, in welchen Moscheen die verkehren, in welchen Häusern sie verkehren, wenn wir nicht im Vorfeld gucken, was sind das für Menschen. Man wird ja doch nicht warten - das dürfen wir auch nicht -, bis irgendwo die Koffer explodieren, sondern wenn wir Hinweise haben, wer hat die eingeladen, wer hat für die die Visa-Anträge gestellt, dann müssen wir diese Dinge abklären. Gerade die Umstände bei diesem Fall zeigen doch deutlich: hätte man das vorher sinnvoll gemacht, dann wären die möglicherweise nicht ins Land gekommen.

    Heckmann: Aber Herr Bouffier wer definiert, was ein flüchtiger Kontakt ist und was nicht, und wer kontrolliert am Ende, welche Daten erhoben werden?

    Bouffier: Ich halte das weitgehend für eine aufgeblasene Diskussion, um es mal deutlich zu sagen, denn in diese Anti-Terror-Datei kommen ja keine neuen Daten, die irgendwo neu geschöpft wurden, sondern die Anti-Terror-Datei ist eine Verknüpfung von Daten, die die jeweiligen Behörden, entweder Polizei, oder auch Geheimdienste, nach den einschlägigen Gesetzen aufnehmen dürfen. Wenn sie nach diesen einschlägigen Gesetzen, also für die Polizei oder den Verfassungsschutz, nicht aufgenommen werden dürfen, dann ist die Sache sowieso rechtswidrig. Wenn sie aber aufgenommen werden dürfen, zum Beispiel in die Datei des Verfassungsschutzes, geht es jetzt nur noch um die Frage, welchen Polizeibehörden gebe ich das oder gebe ich das den Polizeibehörden zur Kenntnisnahme oder nicht. Wir nehmen nicht neu auf in ein Datenwerk, sondern entscheidend ist: Wir verknüpfen verschiedene Datenwerke miteinander. Von daher denke ich, dass man das gut hinbekommen kann. Es geht nicht darum - das vertrete ich immer wieder -, dass wir eine Unzahl von Daten sammeln, um einen Datenfriedhof zu haben. Das muss man immer kritisch sehen. Aber umgekehrt darf es auch nicht so sein, dass wir an irgendeiner Stelle etwas wissen und dieses notwendige Wissen nicht dorthin bringen wo es gebraucht wird.

    Heckmann: Den Punkt haben wir verstanden, Herr Bouffier. Eine Kritik hat sich auch entzündet an der Frage, wer Zugriff haben soll auf die sensiblen Daten. Nun ist dieser Kreis beschränkt, aber bei Gefahr im Verzuge sollen alle Sicherheitsbehörden die Möglichkeit haben zuzugreifen. Besteht nicht da die Gefahr, dass jeder Fall zum Eilfall erklärt wird, der Eilfall also zum Regelfall?

    Bouffier: Das darf natürlich nicht passieren. Die Innenministerkonferenz hat ja sehr, sehr intensiv sich mit diesen Dingen beschäftigt und das, was wir jetzt im Bundestag haben, ist ja im Prinzip fast eins zu eins der Beschluss der Innenministerkonferenz, was wir für sehr vernünftig und richtig halten. Wir haben ausdrücklich ja auch festgelegt, dass das dokumentiert werden muss, dass das nur auf bestimmten Wegen geht und dass das nicht der Beliebigkeit des jeweiligen Sachbearbeiters anheim gestellt werden kann. Das darf nicht sein, das wollen wir auch nicht, aber umgekehrt gilt natürlich auch: Wenn unmittelbar Gefahr im Verzug ist, dann ist die Kernaufgabe der Sicherheitsbehörden natürlich gefordert. Man kann ja nicht zuschauen, dass die Gefahr passiert, dass es zuschlägt und wir in der Zwischenzeit darüber diskutieren, ob oder ob wir nicht irgendeinen Weg gehen, um Erkenntnisse zu sammeln, sondern dann muss man die Gefahr nach Möglichkeit beseitigen oder noch besser verhindern, dass sie eintritt. Es ist also ein Regelausnahmeverhältnis und das ist auch durch Verfahrensanordnungen, Errichtungsanordnungen und Ähnliches mehr durchaus gesichert. Es ist nicht unsere Absicht, hier über diesen Terminus von hinten sozusagen die Sicherheit der Daten wieder aufzuknacken.