Simon: Es war wirklich erstaunlich, wie Alexander Winokurow nach langem Rückstand in der Tour vor vier Jahren mit großem Vorsprung das Zeitfahren in Albi gewann. Ein bisschen zu erstaunlich, Winokurows Sieg kam mit unfairen Mitteln zustande, jemand anders hatten für den Kasachen bluten müssen, das jedenfalls ergab die Dopingprobe, Fremdblut in Winokurows Adern. Sein seit langem von Dopingvorwürfen umflortes Astana-Team zog sich daraufhin sofort aus der Tour de France zurück. Hans-Michael Holczer ist Teamchef und Manager des Radrennstalls Team Gerolsteiner und ihn habe ich vor der Sendung gefragt, ob denn nach diesem jüngsten Dopingfall Gerolsteiner in der Tour bleibt.
Hans-Michael Holczer: Also, ich habe im Auto davon erfahren, bin dann gleich zurück ins Hotel und habe da eine, ja, ganze Gruppe deprimierter Radrennfahrer von uns gesehen, und da gab es schon die Stimmen, die gesagt haben, komm, wir fahren Heim, das hat hier alles keinen Wert und wir lassen es bleiben. Aber ich denke mal, das wäre die falsche Entscheidung, weil: Auf der einen Seite bin ich natürlich entsetzt, ich konnte es nicht fassen, was ich da gehört habe, aber auf der anderen Seite – und das mag sich jetzt etwas eigenartig anhören – aber auf der anderen Seite erfüllte mich das Ganze mit einer gewissen Zufriedenheit, weil ich Vertrauen habe in diese Kontrollen, die seit etwa einem halben Jahr stattfinden und weil es offensichtlich jetzt wirklich so ist, dass diese Kontrollen auch tatsächlich ohne irgendwelche Rücksichtnahmen stattfinden und dann auch die entsprechende Wirkung haben.
Simon: Herr Holczer, Sie sprachen von Stimmen, die sagten, komm, lass es sein, Sie meinen damit Ihre Fahrer?
Holczer: Ja, es gab Fahrer von mir, also, einer war dabei, der gesagt hat, komm, wir fahren nach Hause und lassen das ganze Ding hier sein. Das ist natürlich schon so, dass ein gewisses Frustrationspotenzial da ist, das ist sicherlich auch die Reaktion in den ersten Sekunden oder ersten Minuten der Nachricht, aber wir fahren jetzt sicher zweieinhalb Wochen durch England, Belgien und durch Frankreich, und das ist das härteste Radrennen der Welt, und die Jungs sind natürlich – ich habe eine sehr, sehr junge Truppe hier dabei – die sind natürlich mit ihren Kräften am Ende. Und wenn sie dann noch solche Nachrichten hören, dass es vielleicht auch noch unlauter zugegangen ist bei denen, wie sie hier besiegt worden sind beziehungsweise wie sie hier nicht den ganz großen Erfolg hatten, dann ist es schon verständlich, dass so eine Reaktion kurzzeitig kommt.
Simon: Aber, Herr Holczer, was für einen Sinn macht es denn für einen Rennstall, an so einer Tour teilzunehmen, wenn eben nicht mehr über Tagessieger und Verfolger geredet wird, sondern nur noch über den jüngsten Dopingsünder?
Holczer: Wir haben uns gestern morgen mit einer Gruppe von acht Teams, die sich in London gebildet haben, zusammengesetzt und haben in diesem Mouvement pour un cyclisme crédible also, für eine Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport einen ganzen Katalog von Maßnahmen auferlegt und haben dann mit dem, was wir dann gestern Nachmittag gehört haben, ja noch mal eine Bestätigung bekommen, Recht bekommen, dass sich im Radsport auch in den Teams noch deutlich viel ändern muss. Es hat sich schon einiges geändert, aber es muss sich noch viel, viel mehr ändern, und das ist das, was mich hier noch hält, die Hoffnung daran, dass es mit den Maßnahmen, die wir ins Auge gefasst haben, und auch mit den Dingen, die jetzt aufgedeckt werden, im Endeffekt doch noch zu einer Säuberung des Radsports kommt.
Simon: Sie sprechen es an, Team Gerolsteiner ist dabei bei der so genannten Bewegung für den glaubwürdigen Radsport, die sich eben, wie sie auch sagten, strikt an den Ethikcode halten will, aber nach all den Eiden, die abgelegt worden sind, glauben Sie, dass Ihnen noch viele glauben werden?
Holczer: Also, es ist sicherlich so, dass wir selber ja gesagt haben, wir haben es satt, mit unseren Kollegen über Dinge zu diskutieren, die beschlossen sind und die von denen nicht eingehalten werden, und, ich glaube, es hat sich da jetzt ein Kern gefunden, eine Gruppe gefunden, die es wirklich ernst meint und ich bin mir sicher, denen glaubt man auch und ich könnte mir vorstellen, dass das im Endeffekt so eine Keimzelle für einen neuen Radsport wird. Ich kann verstehen, dass wir unter Generalverdacht stehen, ich kann auch verstehen, dass es viele gibt, die uns nicht mehr glauben, glauben mögen, glauben wollen. Aber ich kann auch nur sagen, dass wir selbst von solchen Dingen, von solchen Dreistigkeiten, wie es jetzt der Fall Winokurow ans Tageslicht bringt, entsetzt sind und davon überrascht worden sind.
Simon: Wie sieht das aus mit Ihrem Sponsor? Für den ist das ja nur bedingt positiv Werbung, was da auf der Tour passiert.
Holczer: Also, zunächst mal muss man sagen, dass wir von allen Skandalen hier bisher und auch im letzten Jahr absolut unberührt geblieben sind, das ist sicherlich etwas, was beim Sponsor mit Wohlwollen registriert wird. Unser Sponsor steht ja gerade vor der Frage, die Jahre 2009 und 2010 erneut zu unterschreiben. Da findet momentan eine Abprüfung statt, da werden momentan Konsumenten befragt, da werden momentan Auswertungen getätigt über die Wirkung des Teams im Endeffekt auf den Verbraucher, und danach wird wohl entschieden werden. So ganz pauschal, glaube ich, kann man das nicht abtun, weil, ich meine, wir machen hier doch einen sehr glaubwürdigen und einen sehr klaren Job und das wird, denke ich mal, auch vom Sponsor honoriert.
Simon: Herr Holczer, Sie sind Teamchef und Manager bei Gerolsteiner, vom Beruf her aber ursprünglich Lehrer. Können Sie den Eltern bei der derzeitigen Situation empfehlen, ihre Kinder intensiv Radsport machen zu lassen?
Holczer: Also, da muss ich dann ganz gewaltig für den Radsport sprechen, weil, ich glaube nicht, dass es im Radsport, vor allem im Nachwuchsbereich, so aussieht, wie es mancherorts dargestellt wird. Ich habe selber die Erfahrungen, ich habe selber mit 13-, 14-, 15-jährigen Jungs angefangen, in den Radsport als Trainer einzusteigen, und ich bin mir ganz sicher, dass das, was sich hier als Bild zeichnet für Deutschland nicht gilt und, vor allem, nicht gilt in den, selbst auch in den oberen Klassen, in den oberen Klassen der U23-Fahrer, der Nachwuchsfahrer. Ich denke, man kann das bedenkenlos tun. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist der Radsport momentan auf dem Weg, ein wirklich sauberer, und, ich hoffe, ein geläuterter Sport zu werden und wenn wir das schaffen, dann haben wir, glaube ich, für lange Zeit gewonnen.
Simon: Was diese Tour angeht – liegt die eigentlich noch im Koma, oder ist sie schon tot?
Holczer: Irgendwie bewegt sie sich noch, aber wenn ich ehrlich bin, nehme ich sie selber gar nicht mehr so richtig wahr. Es ist wirklich manchmal so, dass ich mich ins Auto setze und zu Christian Henn sage, mach du das Rennen heute, ich habe keinen Kopf dazu, ich hab zu viele andere Dinge. Und es würde mir sehr schwer fallen, glaube ich, mehr als sechs oder sieben Leute oder schon gar in der richtigen Reihenfolge der ersten 10 oder 15 des classements zu nennen. Das hat für mich persönlich, für mich persönlich derzeit überhaupt keine Relevanz.
Simon: Michael Holczer, der Teamchef und Manager des Radrennstalls Team Gerolsteiner. Herr Holczer, vielen Dank.
Holczer: Dankeschön!
Hans-Michael Holczer: Also, ich habe im Auto davon erfahren, bin dann gleich zurück ins Hotel und habe da eine, ja, ganze Gruppe deprimierter Radrennfahrer von uns gesehen, und da gab es schon die Stimmen, die gesagt haben, komm, wir fahren Heim, das hat hier alles keinen Wert und wir lassen es bleiben. Aber ich denke mal, das wäre die falsche Entscheidung, weil: Auf der einen Seite bin ich natürlich entsetzt, ich konnte es nicht fassen, was ich da gehört habe, aber auf der anderen Seite – und das mag sich jetzt etwas eigenartig anhören – aber auf der anderen Seite erfüllte mich das Ganze mit einer gewissen Zufriedenheit, weil ich Vertrauen habe in diese Kontrollen, die seit etwa einem halben Jahr stattfinden und weil es offensichtlich jetzt wirklich so ist, dass diese Kontrollen auch tatsächlich ohne irgendwelche Rücksichtnahmen stattfinden und dann auch die entsprechende Wirkung haben.
Simon: Herr Holczer, Sie sprachen von Stimmen, die sagten, komm, lass es sein, Sie meinen damit Ihre Fahrer?
Holczer: Ja, es gab Fahrer von mir, also, einer war dabei, der gesagt hat, komm, wir fahren nach Hause und lassen das ganze Ding hier sein. Das ist natürlich schon so, dass ein gewisses Frustrationspotenzial da ist, das ist sicherlich auch die Reaktion in den ersten Sekunden oder ersten Minuten der Nachricht, aber wir fahren jetzt sicher zweieinhalb Wochen durch England, Belgien und durch Frankreich, und das ist das härteste Radrennen der Welt, und die Jungs sind natürlich – ich habe eine sehr, sehr junge Truppe hier dabei – die sind natürlich mit ihren Kräften am Ende. Und wenn sie dann noch solche Nachrichten hören, dass es vielleicht auch noch unlauter zugegangen ist bei denen, wie sie hier besiegt worden sind beziehungsweise wie sie hier nicht den ganz großen Erfolg hatten, dann ist es schon verständlich, dass so eine Reaktion kurzzeitig kommt.
Simon: Aber, Herr Holczer, was für einen Sinn macht es denn für einen Rennstall, an so einer Tour teilzunehmen, wenn eben nicht mehr über Tagessieger und Verfolger geredet wird, sondern nur noch über den jüngsten Dopingsünder?
Holczer: Wir haben uns gestern morgen mit einer Gruppe von acht Teams, die sich in London gebildet haben, zusammengesetzt und haben in diesem Mouvement pour un cyclisme crédible also, für eine Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport einen ganzen Katalog von Maßnahmen auferlegt und haben dann mit dem, was wir dann gestern Nachmittag gehört haben, ja noch mal eine Bestätigung bekommen, Recht bekommen, dass sich im Radsport auch in den Teams noch deutlich viel ändern muss. Es hat sich schon einiges geändert, aber es muss sich noch viel, viel mehr ändern, und das ist das, was mich hier noch hält, die Hoffnung daran, dass es mit den Maßnahmen, die wir ins Auge gefasst haben, und auch mit den Dingen, die jetzt aufgedeckt werden, im Endeffekt doch noch zu einer Säuberung des Radsports kommt.
Simon: Sie sprechen es an, Team Gerolsteiner ist dabei bei der so genannten Bewegung für den glaubwürdigen Radsport, die sich eben, wie sie auch sagten, strikt an den Ethikcode halten will, aber nach all den Eiden, die abgelegt worden sind, glauben Sie, dass Ihnen noch viele glauben werden?
Holczer: Also, es ist sicherlich so, dass wir selber ja gesagt haben, wir haben es satt, mit unseren Kollegen über Dinge zu diskutieren, die beschlossen sind und die von denen nicht eingehalten werden, und, ich glaube, es hat sich da jetzt ein Kern gefunden, eine Gruppe gefunden, die es wirklich ernst meint und ich bin mir sicher, denen glaubt man auch und ich könnte mir vorstellen, dass das im Endeffekt so eine Keimzelle für einen neuen Radsport wird. Ich kann verstehen, dass wir unter Generalverdacht stehen, ich kann auch verstehen, dass es viele gibt, die uns nicht mehr glauben, glauben mögen, glauben wollen. Aber ich kann auch nur sagen, dass wir selbst von solchen Dingen, von solchen Dreistigkeiten, wie es jetzt der Fall Winokurow ans Tageslicht bringt, entsetzt sind und davon überrascht worden sind.
Simon: Wie sieht das aus mit Ihrem Sponsor? Für den ist das ja nur bedingt positiv Werbung, was da auf der Tour passiert.
Holczer: Also, zunächst mal muss man sagen, dass wir von allen Skandalen hier bisher und auch im letzten Jahr absolut unberührt geblieben sind, das ist sicherlich etwas, was beim Sponsor mit Wohlwollen registriert wird. Unser Sponsor steht ja gerade vor der Frage, die Jahre 2009 und 2010 erneut zu unterschreiben. Da findet momentan eine Abprüfung statt, da werden momentan Konsumenten befragt, da werden momentan Auswertungen getätigt über die Wirkung des Teams im Endeffekt auf den Verbraucher, und danach wird wohl entschieden werden. So ganz pauschal, glaube ich, kann man das nicht abtun, weil, ich meine, wir machen hier doch einen sehr glaubwürdigen und einen sehr klaren Job und das wird, denke ich mal, auch vom Sponsor honoriert.
Simon: Herr Holczer, Sie sind Teamchef und Manager bei Gerolsteiner, vom Beruf her aber ursprünglich Lehrer. Können Sie den Eltern bei der derzeitigen Situation empfehlen, ihre Kinder intensiv Radsport machen zu lassen?
Holczer: Also, da muss ich dann ganz gewaltig für den Radsport sprechen, weil, ich glaube nicht, dass es im Radsport, vor allem im Nachwuchsbereich, so aussieht, wie es mancherorts dargestellt wird. Ich habe selber die Erfahrungen, ich habe selber mit 13-, 14-, 15-jährigen Jungs angefangen, in den Radsport als Trainer einzusteigen, und ich bin mir ganz sicher, dass das, was sich hier als Bild zeichnet für Deutschland nicht gilt und, vor allem, nicht gilt in den, selbst auch in den oberen Klassen, in den oberen Klassen der U23-Fahrer, der Nachwuchsfahrer. Ich denke, man kann das bedenkenlos tun. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist der Radsport momentan auf dem Weg, ein wirklich sauberer, und, ich hoffe, ein geläuterter Sport zu werden und wenn wir das schaffen, dann haben wir, glaube ich, für lange Zeit gewonnen.
Simon: Was diese Tour angeht – liegt die eigentlich noch im Koma, oder ist sie schon tot?
Holczer: Irgendwie bewegt sie sich noch, aber wenn ich ehrlich bin, nehme ich sie selber gar nicht mehr so richtig wahr. Es ist wirklich manchmal so, dass ich mich ins Auto setze und zu Christian Henn sage, mach du das Rennen heute, ich habe keinen Kopf dazu, ich hab zu viele andere Dinge. Und es würde mir sehr schwer fallen, glaube ich, mehr als sechs oder sieben Leute oder schon gar in der richtigen Reihenfolge der ersten 10 oder 15 des classements zu nennen. Das hat für mich persönlich, für mich persönlich derzeit überhaupt keine Relevanz.
Simon: Michael Holczer, der Teamchef und Manager des Radrennstalls Team Gerolsteiner. Herr Holczer, vielen Dank.
Holczer: Dankeschön!