Stefan Heinlein: Es kommt auf jede Stimme an. An diesem Wochenende wird der neue Bundespräsident gewählt und diesmal könnte es tatsächlich knapp werden. Union und FDP haben sich gemeinsam auf Amtsinhaber Horst Köhler festgelegt, doch nur mit Hilfe der Freien Wähler und bei absoluter Geschlossenheit kommt - äußerst knapp, mit einer Stimme - die notwendige absolute Mehrheit zusammen. SPD und Grüne hoffen deshalb auf mindestens drei Wahlgänge und dann auf die Stimmen der Linken und den einen oder anderen Abweichler aus den Reihen von schwarz-gelb für Gesine Schwan. Nicht nur Politiker wählen den Bundespräsidenten; traditionell schicken die Landesverbände eine ganze Reihe von Prominenten, Sportlern oder Künstlern in die Bundesversammlung. Mit dabei, von den Grünen entsandt, der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Guten Morgen!
Feridun Zaimoglu: Guten Morgen.
Heinlein: Eine besondere Ehre, oder eine besondere Überraschung? Wie haben sie reagiert, als man Sie gefragt hat, den Bundespräsidenten zu wählen?
Zaimoglu: Am Anfang war ein Anruf und das war Özcan Mutlu von den Grünen in Berlin und der fragte mich - wir sind auch gute Freunde -, ob ich Lust darauf hätte. Es ging also um Lust und ich sagte, ohne groß zu überlegen, ja, natürlich, gerne. Ehre ist immer so eine Sache. Ich bin Norddeutscher und die Norddeutschen werden als ein bisschen spröde angesehen, aber ich sehe das so: Ich freue mich, ich bin einer von vielen und gehe da hin und wähle.
Heinlein: Halten Sie es denn für eine gute Tradition, dass Prominente von den Parteien in die Bundesversammlung geschickt werden?
Zaimoglu: Ich denke schon. Es gibt ja draußen das eine oder andere Gerücht, da würde eine geschlossene Gesellschaft zum Wahlgang gehen und die einfachen Leute vom Volk werden ausgeschlossen. Nun sind Prominente jetzt auch nicht Vorzeigebürger, aber es macht schon nach Außen einen guten Eindruck. Solche Leute wie wir überlegen natürlich nicht groß, ob sie einfach Symbolfiguren sind, was dahinter steckt. Sie gehen hin, um zu wählen.
Heinlein: Stichwort Symbolfigur. Fühlen Sie sich nicht ein wenig missbraucht? Die Parteien kalkulieren ja durchaus mit dem Sympathiebonus und dem Glamour-Faktor von Promis aus Politik und Sport.
Zaimoglu: Ich weiß ja, wen ich wählen werde, und das wird Frau Gesine Schwan sein. Meine Sympathien standen fest, bevor ich überhaupt gefragt wurde, und insofern darf ich dann tatsächlich wählen. Missbraucht? Gerne lasse ich mich in diesem Falle missbrauchen. Ich glaube, man soll das auch nicht jetzt groß aufhängen. Wie gesagt, man ist ja nur einer von vielen, vielen hundert Menschen, Männern und Frauen. Insofern habe ich da jetzt keine Kopfschmerzen deswegen.
Heinlein: Sie haben einen Anruf von den Grünen bekommen; das haben Sie eingangs gesagt. Hat man Sie dort auch gefragt, ob Sie dann tatsächlich Gesine Schwan wählen werden?
Zaimoglu: Nein! Das war auch gut so, dass man mich nicht gefragt hat. Das ist auch nicht Usus, ich glaube, nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den anderen Parteien. Natürlich schaut man sich die Kandidaten an und spekuliert auf das Wahlverhalten, aber diese Frage kam nicht. Es ist tatsächlich so, dass es der Kandidatin, oder der Obfrau und dem Obmann freigestellt ist, diejenige Person zu wählen, die er/sie wählen möchte.
Heinlein: Aus diesem Grund verzichtet die CSU aus Erfahrung "auf Paradiesvögel", weil sie unsichere Kantonisten sind. Sie sind es nicht?
Zaimoglu: Ich bin ja kein Parteisoldat und ich würde mich aber auch nicht als Paradiesvogel bezeichnen. Ich weiß nicht, wer das gesagt hat.
Heinlein: Horst Seehofer.
Zaimoglu: Ach ja. Dann muss die Partei ja seltsame Vorstellungen haben über die Personen, die sie dann zu Obmännern bestimmt hat. Jedenfalls weder bin ich ein Paradiesvogel, noch fühle ich mich irgendeiner Parteiräson oder Disziplin verpflichtet. Ich habe das auch ganz öffentlich gemacht, wen ich wählen werde, und mir geht es gut dabei.
Heinlein: Was schätzen Sie denn an Gesine Schwan?
Zaimoglu: Ihre Klugheit. Ich verfolge schon seit Wochen in den Medien ihre Auslassungen und ihre Kritik, ihre berechtigte Kritik, wie ich finde, und ich habe ihre Interviews durchgelesen. Es gefiel mir, es gefiel mir wirklich sehr. Sie ist eine kluge Frau, sie ist eine sympathische Frau, sie ist eine Sympathieträgerin. Man hat bei ihr jetzt nicht das Gefühl, dass sie den einfachen Menschen enthoben ist. Natürlich muss sie auch diesen, unseren Staat, dieses Land repräsentieren können, und da ist sie auch parkettsicher. Also erst die Klugheit und dann der Charme.
Heinlein: Und Sie werden Gesine Schwan wählen, obwohl Sie sie persönlich noch nicht getroffen haben?
Zaimoglu: Das lag aber an Terminkollisionen. Frau Gesine Schwan hat einige Male auch versucht, den Kontakt aufzunehmen, und das war dann einfach so: Ich bin ja Schriftsteller und ein Schriftsteller hat den Job zu schreiben. Zwecks Recherche war ich unterwegs. Es passte irgendwie nicht. Ich habe aber wie gesagt ein gutes Gefühl dabei, wenn ich sie wähle.
Heinlein: Was stört Sie, Herr Zaimoglu, umgekehrt an Horst Köhler? In der Bevölkerung ist der amtierende Bundespräsident ja unter anderem wegen seiner Klugheit äußerst populär.
Zaimoglu: Ich wähle ja nicht Frau Gesine Schwan, weil ich etwas gegen Herrn Köhler habe - das ist ein Missverständnis -, sondern ich mag sie und ich wähle sie, aber das bedeutet nicht, dass ich Herrn Köhler nicht sympathisch finde. Aber: Mein Kandidat ist eine Kandidatin.
Heinlein: Rechnen Sie denn damit, dass Gesine Schwan tatsächlich eine Chance haben wird?
Zaimoglu: Na ja, natürlich! Die Hoffnung muss ich ja haben. Es heißt, es könnte knapp werden, es könnte eine knappe Wahl werden. Ich gehe natürlich für Frau Schwan ins Rennen, wenn mir dieser Ausdruck erlaubt sei, und klar hoffe ich das und ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn sie das Rennen macht.
Heinlein: Erwarten Sie drei Wahlgänge, oder wird schon vorher Klarheit herrschen?
Zaimoglu: Ach Gott.
Heinlein: Im dritten Wahlgang reicht ja die einfache Mehrheit.
Zaimoglu: Ich hoffe doch, oder ich bin Realist genug, um zu wissen, wer der Favorit ist. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es knapp werden könnte, und ich hoffe ja, dass es schon zu drei Wahlgängen kommt. Ich liebe angenehme Überraschungen; so viel sei gesagt.
Heinlein: Sollte Gesine Schwan tatsächlich, wie Sie hoffen, gewählt werden, geht dies nur mit den Stimmen der Linken. Wäre das ein politisches Signal, das Ihnen entgegenkommt?
Zaimoglu: Sagen wir einmal so: Ich fände es recht seltsam, wenn man eine Partei, die auf den Humanismus eingeschworen ist, die aber auch eine ziemlich seltsame Vergangenheit hatte, sich davon aber emanzipiert hat beziehungsweise weiter emanzipieren möchte, wenn man diese Partei außen vor lässt. Das hat man ja seinerzeit auch mit den Grünen gemacht, um dann festzustellen, dass man doch mit der Partei koalieren kann. Also ich hätte da keine Probleme damit.
Heinlein: Also rot-rot-grün durchaus ein Signal auch mit Blick auf die Bundestagswahl?
Zaimoglu: Ja! Es gab schon bei der letzten Bundestagswahl eine linksdemokratische Mehrheit in diesem Land. Ich habe das nicht so richtig verstanden, wieso man sich das nicht genauer angeguckt hat. Also finde ich es wunderbar, wenn man jetzt sich das anguckt. Dass CDU und FDP ja einen Lagerwahlkampf führen, dann bleiben ja nicht so viele Parteien übrig.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk, der Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Er ist Mitglied der Bundesversammlung und wählt am Wochenende den Bundespräsidenten. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Kiel!
Zaimoglu: Danke Ihnen auch! Auf Wiederhören!
Feridun Zaimoglu: Guten Morgen.
Heinlein: Eine besondere Ehre, oder eine besondere Überraschung? Wie haben sie reagiert, als man Sie gefragt hat, den Bundespräsidenten zu wählen?
Zaimoglu: Am Anfang war ein Anruf und das war Özcan Mutlu von den Grünen in Berlin und der fragte mich - wir sind auch gute Freunde -, ob ich Lust darauf hätte. Es ging also um Lust und ich sagte, ohne groß zu überlegen, ja, natürlich, gerne. Ehre ist immer so eine Sache. Ich bin Norddeutscher und die Norddeutschen werden als ein bisschen spröde angesehen, aber ich sehe das so: Ich freue mich, ich bin einer von vielen und gehe da hin und wähle.
Heinlein: Halten Sie es denn für eine gute Tradition, dass Prominente von den Parteien in die Bundesversammlung geschickt werden?
Zaimoglu: Ich denke schon. Es gibt ja draußen das eine oder andere Gerücht, da würde eine geschlossene Gesellschaft zum Wahlgang gehen und die einfachen Leute vom Volk werden ausgeschlossen. Nun sind Prominente jetzt auch nicht Vorzeigebürger, aber es macht schon nach Außen einen guten Eindruck. Solche Leute wie wir überlegen natürlich nicht groß, ob sie einfach Symbolfiguren sind, was dahinter steckt. Sie gehen hin, um zu wählen.
Heinlein: Stichwort Symbolfigur. Fühlen Sie sich nicht ein wenig missbraucht? Die Parteien kalkulieren ja durchaus mit dem Sympathiebonus und dem Glamour-Faktor von Promis aus Politik und Sport.
Zaimoglu: Ich weiß ja, wen ich wählen werde, und das wird Frau Gesine Schwan sein. Meine Sympathien standen fest, bevor ich überhaupt gefragt wurde, und insofern darf ich dann tatsächlich wählen. Missbraucht? Gerne lasse ich mich in diesem Falle missbrauchen. Ich glaube, man soll das auch nicht jetzt groß aufhängen. Wie gesagt, man ist ja nur einer von vielen, vielen hundert Menschen, Männern und Frauen. Insofern habe ich da jetzt keine Kopfschmerzen deswegen.
Heinlein: Sie haben einen Anruf von den Grünen bekommen; das haben Sie eingangs gesagt. Hat man Sie dort auch gefragt, ob Sie dann tatsächlich Gesine Schwan wählen werden?
Zaimoglu: Nein! Das war auch gut so, dass man mich nicht gefragt hat. Das ist auch nicht Usus, ich glaube, nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den anderen Parteien. Natürlich schaut man sich die Kandidaten an und spekuliert auf das Wahlverhalten, aber diese Frage kam nicht. Es ist tatsächlich so, dass es der Kandidatin, oder der Obfrau und dem Obmann freigestellt ist, diejenige Person zu wählen, die er/sie wählen möchte.
Heinlein: Aus diesem Grund verzichtet die CSU aus Erfahrung "auf Paradiesvögel", weil sie unsichere Kantonisten sind. Sie sind es nicht?
Zaimoglu: Ich bin ja kein Parteisoldat und ich würde mich aber auch nicht als Paradiesvogel bezeichnen. Ich weiß nicht, wer das gesagt hat.
Heinlein: Horst Seehofer.
Zaimoglu: Ach ja. Dann muss die Partei ja seltsame Vorstellungen haben über die Personen, die sie dann zu Obmännern bestimmt hat. Jedenfalls weder bin ich ein Paradiesvogel, noch fühle ich mich irgendeiner Parteiräson oder Disziplin verpflichtet. Ich habe das auch ganz öffentlich gemacht, wen ich wählen werde, und mir geht es gut dabei.
Heinlein: Was schätzen Sie denn an Gesine Schwan?
Zaimoglu: Ihre Klugheit. Ich verfolge schon seit Wochen in den Medien ihre Auslassungen und ihre Kritik, ihre berechtigte Kritik, wie ich finde, und ich habe ihre Interviews durchgelesen. Es gefiel mir, es gefiel mir wirklich sehr. Sie ist eine kluge Frau, sie ist eine sympathische Frau, sie ist eine Sympathieträgerin. Man hat bei ihr jetzt nicht das Gefühl, dass sie den einfachen Menschen enthoben ist. Natürlich muss sie auch diesen, unseren Staat, dieses Land repräsentieren können, und da ist sie auch parkettsicher. Also erst die Klugheit und dann der Charme.
Heinlein: Und Sie werden Gesine Schwan wählen, obwohl Sie sie persönlich noch nicht getroffen haben?
Zaimoglu: Das lag aber an Terminkollisionen. Frau Gesine Schwan hat einige Male auch versucht, den Kontakt aufzunehmen, und das war dann einfach so: Ich bin ja Schriftsteller und ein Schriftsteller hat den Job zu schreiben. Zwecks Recherche war ich unterwegs. Es passte irgendwie nicht. Ich habe aber wie gesagt ein gutes Gefühl dabei, wenn ich sie wähle.
Heinlein: Was stört Sie, Herr Zaimoglu, umgekehrt an Horst Köhler? In der Bevölkerung ist der amtierende Bundespräsident ja unter anderem wegen seiner Klugheit äußerst populär.
Zaimoglu: Ich wähle ja nicht Frau Gesine Schwan, weil ich etwas gegen Herrn Köhler habe - das ist ein Missverständnis -, sondern ich mag sie und ich wähle sie, aber das bedeutet nicht, dass ich Herrn Köhler nicht sympathisch finde. Aber: Mein Kandidat ist eine Kandidatin.
Heinlein: Rechnen Sie denn damit, dass Gesine Schwan tatsächlich eine Chance haben wird?
Zaimoglu: Na ja, natürlich! Die Hoffnung muss ich ja haben. Es heißt, es könnte knapp werden, es könnte eine knappe Wahl werden. Ich gehe natürlich für Frau Schwan ins Rennen, wenn mir dieser Ausdruck erlaubt sei, und klar hoffe ich das und ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn sie das Rennen macht.
Heinlein: Erwarten Sie drei Wahlgänge, oder wird schon vorher Klarheit herrschen?
Zaimoglu: Ach Gott.
Heinlein: Im dritten Wahlgang reicht ja die einfache Mehrheit.
Zaimoglu: Ich hoffe doch, oder ich bin Realist genug, um zu wissen, wer der Favorit ist. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es knapp werden könnte, und ich hoffe ja, dass es schon zu drei Wahlgängen kommt. Ich liebe angenehme Überraschungen; so viel sei gesagt.
Heinlein: Sollte Gesine Schwan tatsächlich, wie Sie hoffen, gewählt werden, geht dies nur mit den Stimmen der Linken. Wäre das ein politisches Signal, das Ihnen entgegenkommt?
Zaimoglu: Sagen wir einmal so: Ich fände es recht seltsam, wenn man eine Partei, die auf den Humanismus eingeschworen ist, die aber auch eine ziemlich seltsame Vergangenheit hatte, sich davon aber emanzipiert hat beziehungsweise weiter emanzipieren möchte, wenn man diese Partei außen vor lässt. Das hat man ja seinerzeit auch mit den Grünen gemacht, um dann festzustellen, dass man doch mit der Partei koalieren kann. Also ich hätte da keine Probleme damit.
Heinlein: Also rot-rot-grün durchaus ein Signal auch mit Blick auf die Bundestagswahl?
Zaimoglu: Ja! Es gab schon bei der letzten Bundestagswahl eine linksdemokratische Mehrheit in diesem Land. Ich habe das nicht so richtig verstanden, wieso man sich das nicht genauer angeguckt hat. Also finde ich es wunderbar, wenn man jetzt sich das anguckt. Dass CDU und FDP ja einen Lagerwahlkampf führen, dann bleiben ja nicht so viele Parteien übrig.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk, der Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Er ist Mitglied der Bundesversammlung und wählt am Wochenende den Bundespräsidenten. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Kiel!
Zaimoglu: Danke Ihnen auch! Auf Wiederhören!