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"Ich mache da keine Folkloreabende"

Bis auf seine Heimat Nordrhein-Westfalen ist der Satiriker Fritz Eckenga so etwas wie ein ewiger Geheimtipp. Ihn selbst interessieren solche Kategorien wenig. In diesem Jahr hat er den renommierten "Salzburger Stier" gewonnen und tourt derzeit mit seinem Programm "Alle Zeitfenster auf Kippe".

Das Gespräch führte Fabian Elsäßer | 27.08.2012
    Fabian Elsäßer: Fritz Eckenga, können Sie sich erinnern, wann Sie Ihr erstes Gedicht geschrieben haben und worüber?

    Fritz Eckenga: Nein, kann ich nicht. Ich habe ja beim Rocktheater "N8schicht" lange zugebracht, meiner Gruppe, und da habe ich schon Liedtexte für die Musiker geschrieben. Und manche dieser Liedtexte sind dann tatsächlich Gedichte geworden, die auch so funktionieren, ohne Musik. So ist mir das eigentlich nur aufgefallen, dass ich das ganz gut kann. Ganz gut können heißt, vielleicht ein bisschen Talent haben und dann, wenn man sich nach und nach ernsthaft an diese Geschichte begibt, kriegt man sehr schnell raus, woran es noch hapert. Ich habe das "learning by doing" gemacht und ich habe immer bei den anderen nachgeguckt, wie es geht. Bei denen, die ich gut finde. Bei Gernhardt, bei Fritz Weigle (alias F.W. Bernstein), bei Rühmkorf und auch bei den Alten natürlich, bei Morgenstern, Heine, und und und, Kästner. Da guck ich heute noch nach, wenn ich wissen will, wie's geht. Das hört auch nicht auf.

    Elsäßer: Auf Kästner kann man sich irgendwie immer verständigen, oder?

    Eckenga: Es ist einfach… Der trifft so 'nen Ton, der einen richtig umhauen kann. Und es hat manchmal so 'ne Leichtigkeit, manchmal 'ne Schwere, die durch Leichtigkeit aufgehoben wird. Wenn's einen in der entsprechenden Stimmung trifft, kann es einen echt vom Stuhl hauen, oder man kann schon mal ein Waschbecken vollheulen. Das ist so.

    Elsäßer: Das Ruhrgebiet ist ein wichtiges Thema im Schaffen von Fritz Eckenga. Wenn man sich überhaupt Kabarett mal ansieht: da wird wahnsinnig viel mit lokalen Klischees gespielt. Inwiefern ist das wichtig für Sie?

    Eckenga: Also, wenn man sich mal einen ganzen Abend mit mir gibt, wird man feststellen, dass wir immer mal wieder an dem sogenannten "Thema Ruhrgebiet" vorbeikommen. Aber ich mache da keine Folkloreabende. Ich verheimliche meine Herkunft nicht und rede auf der Bühne über das, was ich erlebe, ich lebe vom Vorhandenen, also was mich umgibt, und das findet natürlich – natürlich – im Ruhrgebiet statt. Vieles von dem, nicht alles. Und wenn man mich reden hört, wird man schnell merken, dass ich da herkomme. Insofern taucht es immer wieder auf. Aber das ist jetzt glaube ich keine Besonderheit oder ein Alleinstellungsmerkmal der Ruhrgebietskünstler. Das machen die Bayern, das macht eigentlich jeder. Geht ja auch gar nicht anders. Von wem soll ich denn erzählen, als von dem, was mich umgibt? Da sind auch oft Menschen, die da herkommen, Themen, klar. Aber wenn wir jetzt über Ökonomie reden im weitesten Sinne, oder über Lebensmittel im weitesten Sinne, unter anderem gehört dazu auch Fußball, aber auch die ein oder andere Form von Politik möglicherweise – das findet an den Orten statt, und da macht man halt was drüber. Das ist jetzt nichts Sensationelles und nichts Außergewöhnliches.

    Elsäßer: Auffällig ist ja, da Sie eine relativ saloppe Sprache darbieten, und dann gibt es so einen Moment, wo Sie fast schon linguistisch damit umgehen, also diese Dehnungslaute erklären. Haben Sie einen germanistischen Hintergrund?

    Eckenga: Überhaupt nicht. Ich habe zwar mal angefangen, Deutsch zu studieren, aber das hat sich relativ schnell verspielt, das mit dem Studium. Ich habe tatsächlich mal so eine achtteilige Serie gemacht, und zwar anlässlich des Umzugs des Ruhrmuseums in die Kohlenwäsche der Zeche Zollverein. Da ist dieser Sprachkurs zu sehen, ich habe den als Video gemacht, und da habe ich mich tatsächlich etwas intensiver damit beschäftigt, natürlich, weil ich das ja schreiben musste. Das kommt zwar augenscheinlich ganz klug daher, aber es ist für mich wirklich harte Arbeit. Denn ich beherrsche die deutsche Sprache zwar einigermaßen, wie man hoffentlich hört, aber ich beherrsche sie in erster Linie praktisch. Theoretisch hapert's doch. Ich kann sie schlecht erklären, weil ich auch nicht diese umfassende Schulbildung hatte, und das ist jetzt keine Koketterie, das war einfach so.

    Elsäßer: Heißt was?

    Eckenga: Ich habe mittlere Reife gemacht. Ich habe später dann mal Abitur nachgemacht, "SPD-Abitur", Erwachsenenbildung, zweiter Bildungsweg. Ich war aber in Deutsch ganz gut, praktisch zumindest.

    Elsäßer: Insofern sind Sie fast schon ein Fossil, das würde es so heute nur noch selten geben, oder?

    Eckenga: Es gibt schon noch Erwachsenenbildung, es gibt sogar noch diese Schule, auf der ich damals war, das Westfalenkolleg. Zu meiner Zeit sind halt viele Leute, die eine Berufsausbildung gemacht haben, später dann noch mal freiwillig zur Schule gegangen. Unter anderem ich. Unter anderem aber auch, weil ich mir dadurch echt viel freie Zeit geschaffen habe für die beginnende Kabarettarbeit. Das fing zu der Zeit bei mir so ein bisschen an. Und das hat mir sehr geholfen, mehr Zeit zu haben, um mich um die wichtigen Sachen zu kümmern.

    Elsäßer: Sie sagten gerade "mit der Kabarettarbeit angefangen". Sehen Sie sich als Kabarettisten? Ich habe zum Beispiel auch Leute kennengelernt, die Sie als Literaten sehen, die das irgendwo zwischen Poetry Slam und Literatur ansiedeln.

    Eckenga: Das sehe ich eigentlich ähnlich. Ich habe jetzt gerade "Kabarettist" gesagt, weil das ein Begriff ist, mit dem viele Leute sofort was anfangen können. Das geht schon eher in die Richtung, die Sie gerade genannt haben. Was unter anderem an der Sozialisation in meiner Gruppe, die ich 25 Jahre lang gemacht habe, liegt. Da waren alle möglichen Stilrichtungen mit drinnen. Klar auch klassisches Kabarett, aber auch sehr viel Musiktheater, viel Slapstick, absurde Sachen, angelehnt so ein bisschen an Monty Python's vielleicht. Alles, was wir gut fanden. Da kommt eben auch die "Neue Frankfurter Schule" rein, die Gedichte. Das ist der große Bottich, in dem ich rum schwimme. Diese Schubladisierung….. Es ist oft sehr mühsam, Menschen zu erklären, was ich mache. Klar, man kann das Kabarett nennen, aber man müsste dann eigentlich den Fragenden fragen, was er darunter versteht. Wenn dann jemand sagt, was weiß ich "Josef Hader", dann würde ich sagen: "Ich mache nicht solche Sachen wie Josef Hader, aber wenn Du den Kabarettisten nennst, dann darfst Du mich auch so nennen." Also ich bin jetzt nicht so der Kabarettvertreter, der abends auf die Bühne geht und die Tageszeitung vertont. Das finde ich manchmal eher ein bisschen langweilig.

    Elsäßer: Also abbilden möchten Sie dann lieber richtige Menschen?

    Eckenga: Man darf, man soll natürlich auch über Bedrängungen jedweder Art Kunst machen, auch Kabarett. Da müssen zwangsläufig auch Politiker vorkommen, wenn sie einem das Leben schwer machen. Wenn ich aber ein Programm machen will, das auch mich unterhält – das ist ja die notwendige Voraussetzung, sonst würde es das Publikum auch nicht unterhalten….. Ich muss erstmal Spaß haben, und ich möchte den Abend auch dazu nutzen, dass vielleicht auch mal über was Schönes geredet wird. Etwas, das einem Freude macht, einen vielleicht auch manchmal traurig macht. Das muss jetzt nicht immer in so ein Politiker-Bashing ausarten. Wenn's nötig ist, mache ich das, klar. Wenn mir was schwer auf die Nüsse geht, muss ich den Müll auch vor die Tür bringen. Das geht gar nicht anders.

    Elsäßer: Vermissen Sie manchmal das Ruhrgebiet Ihrer Kindheit, wo eben Schlote noch geraucht haben, oder wenigstens mehr als heute und nicht nur in Duisburg. Oder ist das so eine Romantisierung, die sich da einschleicht bei Leuten, die da nie gelebt haben?

    Eckenga: Ja, würde ich mal so sagen. Ich vermiss' das nicht, nein. Jemand, der da lebt und diese ganze Verwandlung tagtäglich erlebt, für den ist das nichts Sensationelles. Er lebt ja da drinnen und mit dem, was er da vorfindet.

    Elsäßer: Der kann sich nicht wehren.

    Eckenga: Doch, man kann sich natürlich wehren! Das haben wir ja auch immer laut und deutlich getan. Unter anderem bin ich ja auch deswegen auf die Bühne gegangen, um auch da was anzuprangern. Aber das Romantisieren einer Region, in der man lebt, das fällt glaube ich eher Leuten ein, die weggegangen sind. Mir würden eher andere Sachen einfallen, ich denke da auch nicht drüber nach. Wir haben vorhin schon darüber geredet: ich lebe mit dem, was da ist, und da will ich was draus machen oder es macht was mit mir. Das ist Gegenstand der Beschäftigung tagsüber und auch abends auf der Bühne vor den Menschen. Leben und Arbeiten ist bei unsereiner jetzt nicht so getrennt, das eine kommt ja vom anderen.