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"Ich schließe den Bruch der Koalition aus"

Die CDU hat ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition ausgeschlossen. Es gebe derzeit keine Alternative zu dem Bündnis mit der SPD, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Man habe die Pflicht, die erfolgreiche Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zu den Wahlen im September 2009 fortzusetzen.

Moderation: Sandra Schulz |
    Schulz: Reform der Erbschaftssteuer, Föderalismusreform, Klimaschutz; an Projekten fehlt es der Großen Koalition in Berlin nicht. Bis zur Bundestagswahl im kommenden September bleiben noch knapp eineinhalb Jahre. Zieht man die Sommerpause ab und den Wahlkampf im kommenden Jahr, dann nur noch neun Monate. Aber nicht nur die Zeit wird knapp; auch die gemeinsame Basis scheint zu schwinden. Die Kandidatur Gesine Schwans bei der kommenden Bundespräsidentenwahl hatte für die jüngste Eskalation gesorgt. Nun gibt es neuen Zwist: Kritik an Bundeskanzlerin Merkel kam gestern von Umweltminister Gabriel und SPD-Fraktionschef Peter Struck. Auf dem SPD-Zukunftskonvent warf Parteichef Kurt Beck der Union vor, sie sei mit ihrem Votum für Horst Köhler vorgeprescht, ohne dass ein Wort mit den Sozialdemokraten gesprochen worden sei. - Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Guten Morgen!

    Pofalla: Guten Morgen Frau Schulz!

    Schulz: Herr Pofalla, woran hat es denn gelegen? Wussten Sie nicht, wen Sie anrufen sollten?

    Pofalla: Es finden ja ständig Gespräche mit der SPD statt. Hier war es ja genau umgekehrt, dass die SPD - Herr Beck, Herr Struck - über Wochen den Eindruck vermittelt haben, wenn der Bundespräsident sich für eine Wiederwahl zur Verfügung stellt, dass auch die SPD bereit ist, ihn zu unterstützen. Herr Beck hat noch vor wenigen Wochen behauptet, die Arbeit des Bundespräsidenten sei sehr gut, und Herr Struck hat die Auffassung vertreten, ein Bündnis in der Bundesversammlung mit der Linkspartei und anderen Splitterparteien käme für ihn nie in Frage. Hier hat es eine Meinungsänderung der SPD gegeben und das ist der einzige Grund.

    Schulz: Wie läuft die Kommunikation in der Großen Koalition?

    Pofalla: Wir reden eigentlich in jeder Woche miteinander - auf den unterschiedlichen Ebenen: In der Bundesregierung, auf der Ebene der Fraktionen und die Generalsekretäre tauschen sich auch aus. Ich glaube, dass das Arbeitsklima in der Fraktion, abgesehen jetzt von der wirklich ja auch schlimmen Entwicklung der SPD im Blick auf die eigene Kandidatin, ansonsten wirklich gut ist und wir werden versuchen, die Projekte, die jetzt anstehen, bis zur Bundestagswahl in dieser Koalition auch umzusetzen.

    Schulz: Die Projekte, die jetzt anstehen - Haushalt, Erbschaftssteuer, Föderalismusreform, Klimaschutz - das sind vier Stichworte, die für Streitpunkte in der Großen Koalition stehen. Wie hoch beziffern Sie die Wahrscheinlichkeit, dass alle Projekte bis September 2009 stehen, beziehungsweise die Erbschaftssteuer zum 1.1.2009?

    Pofalla: Ich gehe davon aus, dass die Erbschaftssteuerreform zum 1. Januar erfolgreich umgesetzt werden wird. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die Haushaltskonsolidierung mit dem Ziel, den ersten ausgeglichenen Bundeshaushalt im Jahre 2011 seit über 40 Jahren zu haben, ebenfalls durch diese Große Koalition unter Führung von Angela Merkel erreicht wird.

    Schulz: Also die Wahrscheinlichkeit beziffern Sie auf 100 Prozent?

    Pofalla: Jetzt lassen Sie uns nicht auf Prozentsätze festlegen, aber ich gehe davon aus, dass beide genannten Projekte gelingen werden. Aber wir haben ja weitere Projekte. Die Koalition darf ja nicht auf diese Fragen beschränkt werden.

    Schulz: Ja, aber lassen Sie uns bei den Projekten bleiben. Sie sagen Sie gehen davon aus: zum 1.1. Erbschaftssteuer. Wie soll das gehen, wenn das Konzept, das Peter Struck und Roland Koch gemeinsam verabschiedet haben, blockiert wird von der Union, von zahlreichen Änderungsvorschlägen aus Bayern und anderen unionsregierten Ländern?

    Pofalla: Zunächst ist es ausgehandelt worden zwischen Herrn Steinbrück und Roland Koch und die Gespräche, die jetzt stattgefunden haben, sind doch übliche Gespräche, die in einem Gesetzgebungsgang stattfinden, weil es jetzt Kritik von Seiten der Steuerberater gibt. Es gibt Kritik aus der Praxis. Und ich glaube, dass die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden. Aber noch mal: Die Koalition hat weitere Projekte. Wir können den Arbeitslosenversicherungsbeitrag zum 1. Januar auf drei Prozent senken. Wir wollen den Investivlohn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einführen als ein weiteres Instrument der privaten Alterssicherung. Es gibt genügend Aufgaben für diese Bundesregierung und die Bundesregierung wird ihre Arbeit am Ende erfolgreich gestalten.

    Schulz: Eine weitere Aufgabe ist das Thema Klimaschutz. Es geht ja um eine klimafreundliche Ausgestaltung der KFZ-Steuer. Die liegt jetzt auch erst mal auf Eis, auch nachdem ein fertiges Konzept schon auf dem Tisch lag und von den unionsregierten Ländern blockiert wurde. Präsentiert sich die Union so als zuverlässiger Partner?

    Pofalla: Es gibt jetzt eine interessante Debatte im Zusammenhang mit der Föderalismusreform II. Hier gibt es den Vorschlag, die KFZ-Steuer - -

    Schulz: Bleiben wir bitte beim Klimaschutz, Herr Pofalla. Wie zuverlässig, Herr Pofalla, ist die Union beim Klimaschutz?

    Pofalla: Ich bin ja gerade bei der KFZ-Steuer. Hier gibt es den interessanten Vorschlag, die Volumen des KFZ-Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern zu tauschen. Und wenn diese Möglichkeit umgesetzt wird, dann haben wir als Bund alleine die Möglichkeit, die KFZ-Steuer CO2-orientiert auszugestalten, und ich glaube, dass wir die Möglichkeiten, die jetzt diskutiert werden, nutzen sollten, und ich gehe davon aus, dass wir das Klimaschutzpaket II sowohl auf der Ebene der Bundesregierung und später auch im Bundestag gemeinsam beraten und verabschieden werden.

    Schulz: Auf die Verabredungen mit Vertretern der Union kann sich die SPD also verlassen?

    Pofalla: Die SPD kann sich hundertprozentig auf die Verabredungen verlassen. Wir haben ja in den vergangenen Wochen eher die umgekehrte Erfahrung gemacht, dass die SPD zu Absprachen, zu Dingen, die wir gemeinsam vereinbart haben, nicht gestanden hat. Und ich rate beiden Seiten, der Union wie der SPD, jetzt nach einer schwierigen Phase zur vernünftigen Arbeit der Bundesregierung zurückzukommen.

    Schulz: Wenn Sie die Zuverlässigkeit bei der SPD vermissen, so wie Sie es gerade gesagt haben, welche Basis hat die Große Koalition dann noch, wenn alle Unstimmigkeiten, die in den letzten Monaten, in den letzten Wochen aufgetreten sind, ausschließlich Schuld der SPD waren?

    Pofalla: Die SPD hat zu Verabredungen nicht gestanden und unsere Fraktion musste dann Dinge zurückziehen im Blick zum Beispiel auf die Diätenerhöhung, weil in der SPD glasklare Vereinbarungen, die getroffen waren, nicht gegolten haben. So was muss ein einmaliger Vorgang bleiben. Ich glaube, dass die SPD nach diesem Zukunftskonvent des vergangenen Wochenendes und nach den Irritationen, die es in der SPD gegeben hat, die gute Chance hat, zu verbindlichen Verabredungen zurückzukommen. So glaube ich wird es auch zu guten Ergebnissen in der Sache kommen.

    Schulz: Sie schließen also einen Bruch, ein Ende der Koalition vor September 2009 aus?

    Pofalla: Ich schließe den Bruch der Koalition aus. Die Fortsetzung der Arbeit der Bundesregierung ist alternativlos. Wir haben ein Wahlergebnis im Jahre 2005 gehabt, das zu dieser Großen Koalition geführt hat, und jetzt haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, bis zum September des kommenden Jahres die erfolgreiche Arbeit von Angela Merkel weiter fortzusetzen.

    Schulz: Wo liegt denn die Handschrift der Union bei der erfolgreichen Arbeit der Großen Koalition?

    Pofalla: Indem wir beispielsweise zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder Sozialversicherungsbeiträge von unter 40 Prozent haben, indem wir uns gemeinsam auf das Haushaltsziel des Haushaltsausgleiches im Jahre 2011 verständigt haben, indem wir eine Unternehmenssteuerreform mit einer Entlastung von über fünf Milliarden Euro vorgenommen haben und indem wir mit den Sozialdemokraten eine Erbschaftssteuerreform diskutieren können, wo am Ende insbesondere mittelständische Unternehmen, die vererbt werden, wenn die Unternehmen weiter fortgeführt werden, erbschaftssteuerfrei gestellt werden.

    Schulz: Wenn Sie zu einer Einigung kommen. - "Die SPD habe ihre politische Seele dem Dämon verkauft", sagt CSU-Landesgruppenchef Ramsauer. Wenn das so ist, entzieht das nicht der Koalition die Grundlage?

    Pofalla: Wir haben einen gemeinsamen Arbeitsauftrag. Dieser gemeinsame Arbeitsauftrag ist durch den Koalitionsvertrag festgelegt. Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die wir noch in diesem Jahr und im nächsten Jahr gemeinsam in Angriff nehmen müssen, und die Vereinbarungen, die im Koalitionsvertrag geschlossen worden sind, verbinden die beiden Partner der Großen Koalition und sie sind auch Auftrag für die nächsten Monate.

    Schulz: Sieht sich diesem gemeinsamen Auftrag denn auch die CSU verpflichtet, die mit ihrer Forderung nach steuerlichen Entlastungen das Konsolidierungsziel der Großen Koalition ja torpediert?

    Pofalla: Die SPD hat ja jetzt ein eigenes Steuerkonzept vorgelegt. Also so gesehen gibt es in der SPD und in der CSU durchaus ähnliche Diskussionen. Das gemeinsame Ziel des Haushaltsausgleiches im Jahre 2011 wird aber weder von der CSU noch von der SPD in Frage gestellt.

    Schulz: Herr Pofalla, es gibt einen Vorstoß des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, nach dem nach der Kandidatur Gesine Schwans im Jahr 2009 der Kommissarposten bei der Europäischen Kommission nicht mehr von der SPD besetzt werden soll. Wie sehen Sie das?

    Pofalla: Jetzt rate ich uns, die nächsten Wochen und Monate uns auf die Sachpolitik zu konzentrieren. Ich verstehe, dass es in der Öffentlichkeit immer ein hohes Interesse an personalpolitischen Entscheidungen gibt. Deshalb noch mal: Wir müssen jetzt die Sacharbeit leisten. Aber um Ihre Frage präzise zu beantworten: nach über 20 Jahren, in denen die Union keinen Kommissar gestellt hat, ist es wohl richtig, dass die Union jetzt deutlich macht, dass im nächsten Jahr, wenn diese Frage ansteht, der nächste Kommissar aus den Reihen der Union kommen sollte.

    Schulz: Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk heute Morgen der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Haben Sie vielen Dank!

    Pofalla: Herzlichen Dank.