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"Ich sehe eher Volkswagen im Vorteil"

Franz Rother, Ressortchef Automobil der "Wirtschaftswoche", hält eine Weichenstellung im Machtkampf zwischen VW und Porsche in den kommenden Wochen für wahrscheinlich. Porsche habe sich bei dem Versuch, VW zu übernehmen, mit Schulden von neun Milliarden Euro übernommen. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking müsse jetzt reinen Tisch machen und danach wahrscheinlich das Feld räumen, meinte Rother.

Franz Rother im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Wie gehen die Gespräche um eine Fusion zwischen VW und Porsche weiter, den beiden Autokonzernen, die über die Familienbande ihrer Eigner und Manager so eng verflochten sind? Derzeit zeichnet sich nicht einmal ab, wer denn nun wen schlucken will. Ferdinand Piech, Porsche-Erbe und Aktionär und gleichzeitig VW-Aufsichtsratsvorsitzender, will Porsche von VW übernehmen lassen. Ausgangslage des Konflikts war aber - wir erinnern uns - der Versuch Porsches, Volkswagen zu schlucken.

    Wir wollen diesen Wirtschaftskrimi zu entwirren versuchen mit dem Ressortchef Automobil der "Wirtschaftswoche". Guten Morgen, Franz Rother.

    Franz Rother: Schönen guten Morgen!

    Schulz: Die Aufsichtsratschefs von Volkswagen und Porsche, Piech und Porsche, halten jetzt an dem Ziel eines integrierten Konzerns fest. Das haben sie noch einmal bekräftigt. Steht jetzt der Showdown bevor?

    Rother: Es ist das letzte Finale. Ich hatte letztes Wochenende noch Gespräche mit Porsche-Managern, die sagten, na ja, gut, das ist jetzt die letzte Schlacht, die letzte Runde zwischen den Kontrahenten, auf der einen Seite - Sie haben es erwähnt - Wendelin Wiedeking, dem Chef von Porsche, der gestützt wird von Wolfgang Porsche, und auf der anderen Seite Herrn Ferdinand Piech und Herrn Winterkorn, dem Chef des VW-Konzerns, und die Frage wird halt sein, werden beide Unternehmen zu den Konditionen von Piech/Winterkorn oder zu den Konditionen von Wiedeking/Porsche zusammengeführt. Darüber streitet sich die Familie. Man muss ja auch wissen, diese Auseinandersetzung hat eine lange, lange Vorgeschichte. Es geht letztlich auch um die Frage, wer hat die Macht innerhalb der Familie, wer ist der bessere Teil der Familie Porsche.

    Schulz: Das heißt, welches Szenario zeichnet sich ab?

    Rother: Das Problem ist, Porsche hat sich übernommen mit dem Versuch, VW zu schlucken. Sie haben Anteile erworben mit erspartem Geld und aufgenommenem Geld und jetzt klafft im Prinzip eine Lücke von etwa neun Milliarden Euro und die muss gedeckt werden. Die Idee von Ferdinand Piech ist, wir schießen euch sozusagen das Geld vor und integrieren Porsche in den VW-Konzern als eine weitere Marke neben Seat, Lamborghini, Bentley, VW und was sie sonst noch so alles haben, und die Idee von Porsche ist jetzt, im Prinzip einen Befreiungsschlag zu machen, einen weiteren Investor hineinzuholen, vielleicht aus dem arabischen Raum, der einen Teil der Optionen, die Porsche erworben hatte, übernimmt, damit die Schulden mindert und damit dann auch Porsche sozusagen in die Führungsrolle in diesem Unternehmen bringt. Im Augenblick spricht eine ganze Menge dafür, dass eher das Modell Piech tragen wird, einfach auch aus industrieller Logik heraus, aber wir haben in den letzten Wochen gelernt: Da ist noch nichts so richtig entschieden.

    Schulz: Kann der Machtkampf denn überhaupt entschieden werden in der persönlichen Konstellation, so wie sie jetzt besteht?

    Rother: Na ja, die Konstellation wird sicherlich so nicht bleiben. Ich habe Herrn Wiedeking erwähnt, der diese Fusion vorangetrieben hat, diese Beteiligung von Porsche an VW, der dort aber auch einige Fehler gemacht hat, und es sind große Gräben aufgebrochen, die dazu geführt haben, dass er jetzt eigentlich nicht mehr zu halten ist. Bei VW sagt man, er muss jetzt Tabula rasa machen, er muss die Bücher offenlegen, er muss diese Liquiditätsprobleme, die Porsche im Augenblick hat, die auch dadurch hervorgerufen sind, dass Porsche im Augenblick große Absatzprobleme in der Welt hat - Folgen der Wirtschaftskrise -, er muss da Tabula rasa machen und dann sozusagen das Feld verlassen. Es könnte darauf hinauslaufen, so sehe ich es jedenfalls.

    Schulz: Kann man ihm denn den Vorwurf machen, dass er zu lange probiert hat, an seiner Position festzuhalten, an seinem Stuhl festzuhalten auch?

    Rother: Na ja, er hatte ja die Rückendeckung von Wolfgang Porsche, dem Familienpatriarchen, und der hält auch noch zu ihm. Im Augenblick ist er sehr stark angeschlagen. Jener Porsche-Manager sagte mir, Wendelin Wiedeking steht im Augenblick ziemlich heftig angeschlagen im Ring, das Blut läuft ihm die Wange herunter. Es ist die Frage, ob und wann Wolfgang Porsche im Prinzip das Handtuch wirft, um dann seinem Vetter das Feld zu überlassen. Aber wie gesagt, es geht auch um viele Eitelkeiten und viele Dinge, die eigentlich so einfach zu regeln wären, sind da nicht so einfach zu regeln.

    Schulz: Wie lange können sich die Familien das denn noch leisten, diesen Machtkampf um das Unternehmen?

    Rother: Eigentlich nur noch wenige Wochen. Das Problem ist, dass sich Porsche refinanzieren muss. Ich habe es erwähnt: da sind Schulden von neun Milliarden Euro, die jetzt schon lasten. Und Porsche hat Optionen dort liegen, Optionen, die eigentlich dazu dienen sollten, den Anteil von Porsche an Volkswagen auf über 70 Prozent zu treiben. Das war das Kalkül von Porsche. In dem Fall hätte man einen Gewinnabführungsvertrag machen können. Das heißt, Porsche hätte in die Kasse greifen können von Volkswagen. Das funktioniert jetzt nicht, auch unter anderem, weil sich das Land Niedersachsen querlegt. Das Land Niedersachsen hat ein Vetorecht und hält einen Anteil von 20 Prozent an Volkswagen. Die Hoffnung von Herrn Wiedeking und von Herrn Porsche war, dass die EU-Kommission dieses VW-Gesetz kippen würde. Das ist aber nicht passiert. Jetzt sind auch Europawahlen. Das wird vorerst nicht passieren. Das alles hat den Druck erhöht, jetzt möglichst schnell zu einer Lösung zu kommen. Das heißt, ich würde sagen, innerhalb der nächsten 14 Tage werden wir eine Lösung sehen. Und wenn Sie mich ganz klar fragen: Ich sehe eher Volkswagen da im Augenblick im Vorteil.

    Schulz: Hätte und würde, wichtige Worte in der Auseinandersetzung um VW und Porsche. Der Ressortchef Automobil der "Wirtschaftswoche" war das, Franz Rother, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke schön!

    Rother: Gerne.