Archiv


"Ich sehe eigentlich überhaupt keine Gefahr für den Menschen"

Vor dem Hintergrund des ersten Vogelgrippefalls in einem Nutztierbetrieb in Deutschland sieht der Veterinärmediziner Mohamed Hafez keine Gefahr für den Menschen. Die Infektion beim Menschen funktioniere nur "durch sehr engen Kontakt mit infizierten lebenden Tieren". Zudem gehe er davon aus, dass kein infiziertes Fleisch in den Handel gekommen sei.

Von Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Wir bleiben beim Thema Vogelgrippe. Am Telefon begrüße ich Professor Mohammed Hafez, den Leiter des Instituts für Geflügelkrankheiten an der FU in Berlin. Guten Morgen Herr Professor!

    Mohamed Hafez: Guten Morgen!

    Spengler: Dass gestern innerhalb weniger Stunden und eigentlich auch vorgestern 700 Puten verendet sind, ist dieses verheerende Tempo ein Zeichen dafür, wie gefährlich dieser Erreger ist?

    Hafez: Ja, auf jeden Fall. Wir wissen, dass dieser Erreger sehr aggressiv ist, und wir wissen, dass die Puten sehr empfindlich sind. Wenn in einen Putenstall die Infektion hereingetragen oder hineingekommen ist, dann kann es so schnell gehen. Was interessant ist, was man gehört hat, es ist nur in einem Stall, obwohl es vier verschiedene Ställe in diesem Betrieb gibt. Man muss aber von Anfang an sagen, es handelt sich hier um einen Betrieb, der Mischtiere hat, das heißt Puten, Gänse und Hühner. Die Gänse liefen zum Teil auch draußen herum. Was wir gestern Abend auch gehört haben: Es gibt zwei Teiche nebenan und es wurde dort auch ein verendeter Schwan gefunden. Das heißt die Übertragung durch Wildtiere ist in diesem Fall sehr, sehr wahrscheinlich.

    Spengler: Das heißt, ein Schwan hat möglicherweise die Gänse dort angesteckt und diese dann die Puten?

    Hafez: Nehme ich stark an.

    Spengler: Wie läuft denn eigentlich so eine Ansteckung? Wie stecken sich die Tiere an?

    Hafez: Normalerweise, wenn infizierte Tiere da sind, gerade insbesondere Wildtiere oder unter Umständen auch Gänse, die zum Teil auch keine Symptome zeigen, wird der Erreger in ganz großen Mengen über den Kot ausgeschieden. Wenn dieser Kot dann an den Schuhen von irgendwelchen Mitarbeitern hängen bleibt, die anschließend in den Stall gehen, dann kann eine Infektion in diesen Stall hineingetragen werden.

    Spengler: Müssen wir denn damit rechnen, dass das Virus nun auch anderswo auftaucht?

    Hafez: Ich hoffe es nicht. Wir haben auch so einen ähnlichen Fall in einem Putenbestand in Frankreich, wo die Tiere auch im Hause, also nicht draußen gewesen waren, dieser Betrieb aber neben einem Teich gelegen hat. Dort sind Puten infiziert worden und es sind 11.000 Tiere getötet worden. Seitdem gibt es keinen einzigen Fall mehr in Frankreich. Die Chance ist also ziemlich groß, wenn jeder seine Hausaufgaben macht, dass es auch nur auf diesen Betrieb beschränkt bleibt.

    Spengler: Gehört es eigentlich zu diesen schrecklichen Hausaufgaben, dass man nun wirklich alle Tiere dort töten muss? Gibt es keine andere Möglichkeit, diese Krankheit einzudämmen?

    Hafez: Es gibt definitiv keine andere Möglichkeit. Wir haben eine Geflügelverordnung. Wir haben eine EU-Richtlinie. Die einzige Möglichkeit, um der weiteren Ausbreitung des Erregers aus dieser Gegend zu begegnen, ist, dass man die Tiere so schnell wie möglich tötet.

    Spengler: Was nützt denn eigentlich diese Sperrzone, die dort jetzt errichtet worden ist, von drei Kilometern um den Hof? Was wird dadurch bewirkt?

    Hafez: Die Sperrzone dient eigentlich dazu, dass die Infektion auf den lokalen Bereich beschränkt bleibt, damit sich der Erreger nicht in andere Gebiete überträgt. Es ist also sehr wichtig, dass es hier keine Tierbewegungen gibt. Wenn es nicht zu viele Tiere in dieser Sperrzone gibt, dann wäre es gut, wenn man diese auch noch los werden kann, damit das Virus keine lebenden Tiere mehr findet und sich so nicht weiter verbreiten kann.

    Spengler: Nun kann man ja schlecht den Luftraum sperren über diesem Betrieb?

    Hafez: Die Rolle der Luft ist bei der Übertragung dieser Infektion bisher sehr umstritten. Wir wissen, dass sich der Erreger in Holland vielleicht durch den Wind verbreitet hat. Das ist nur eine Vermutung. Die Amerikaner haben seit 1984 eine ganz andere Erfahrung. Wenn die jetzigen Maßnahmen restriktiv eingesetzt werden, haben wir eine sehr gute Chance, dass die Infektion nur auf diesen Betrieb in diesem Gebiet beschränkt bleibt.

    Spengler: Ist es eigentlich so, dass dieser Erreger auch durch Wasser übertragen wird, was manche vermuten?

    Hafez: Ja natürlich, wenn es sich bei dem Wasser um einen kleinen Teich handelt. Bei größeren Gewässern haben wir einen Verdünnungseffekt und ich glaube nicht, dass der Virus hier übers Wasser reingekommen ist.

    Spengler: Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt sieht keine Gefahr für den Menschen. Ein Fachmann wie Sie, sieht der eine Gefahr?

    Hafez: Ich sehe eigentlich überhaupt keine Gefahr für den Menschen. Wenn es überhaupt eine Gefahr für den Menschen gibt, dann sind es die Leute, die in dem Betrieb gearbeitet haben oder arbeiten. Die wissen aber von Vornherein, mit welchen Tieren arbeiten sie, welche Gefahren es derzeit für diejenigen gibt, die mit Geflügel arbeiten. Die Infektion beim Menschen funktioniert nur durch sehr engen Kontakt mit infizierten lebenden Tieren und ich bin fest davon überzeugt, dass die Leute, die in diesem Betrieb arbeiten, Vorkehrungen vorgenommen haben und dass es nicht passiert ist.

    Spengler: Was wissen wir denn über das Essen von Geflügelfleisch? Sagen wir mal es wäre infiziertes Fleisch in den Handel gekommen, wo nun alle Behörden versichern, dass dies nicht der Fall sei. Angenommen es wäre aber doch der Fall, mit welcher Gefahr müsste man dort rechnen?

    Hafez: Ich gehe auch davon aus, dass kein infiziertes Fleisch in den Handel gekommen ist. Die Tiere sterben ziemlich rasant und wie wir gesehen haben werden tote Tiere nicht geschlachtet. Wenn aber trotzdem ein infiziertes Tier in den Handel gekommen sein sollte, dann wissen wir, dass das Virus sehr hitzelabil ist. Das heißt beim Kochen mit 70 Grad ist definitiv kein Virus mehr vorhanden. Die einzige Sache, was wir eigentlich immer sagen: Wenn Sie mit Geflügel zu tun haben, dann muss jeder, der Geflügelfleisch kocht, die hygienischen Vorkehrungen treffen, also sich die Hände waschen. Es geht nicht nur um Influenza, es geht auch um Salmonellen. Wenn Sie also Hühner zubereiten, einfach die Hände ganz normal mit Seife waschen und das Fleisch kochen. Dann passiert überhaupt nichts!

    Spengler: Was ist denn mit rohen und weich gekochten Eiern?

    Hafez: Ich würde jedem Menschen davon abraten, rohe Eier zu essen, auch wieder wegen Salmonellen und unter Umständen auch wegen Influenza. Wenn die Tiere jedoch Influenza haben, legen sie keine Eier. Wenn das Ei aber hart gekocht wurde oder auch als Spiegelei, wenn das Eigelb also fest ist, dann geht davon auch keine Gefahr aus, weil das Virus wirklich mit der Hitze absolut getötet oder inaktiviert wurde. Es ist zurzeit Ostern. Es gibt Leute, die die Eier ausblasen. Ich würde sagen, die sollen die Eier vorher gut abwaschen. Dann passiert damit definitiv nichts.

    Spengler: Es gab ja gestern jede Menge Eilmeldungen. Wir haben uns mit Ihnen ja auch zum Gespräch verabredet. Das Fernsehen hat Sondersendungen gemacht. Jetzt mal alles zusammengenommen: Haben wir es mit einer gefährlich neuen Lage zu tun?

    Hafez: Die Lage hat sich insofern verschärft, weil wir diesen betroffenen Hühnerbetrieb haben. Ich glaube aber das Risiko kann im Moment als nicht besonders hoch eingeschätzt werden. Wir müssen einfach definitiv abwarten, wie sich die Situation in den nächsten Tagen entwickelt, ob noch andere Bestände betroffen werden oder ob es so bleibt wie es ist.