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"Ich sehe überhaupt keinen Anlass für einen Rücktritt"

Heute legt de Maizière dem Verteidigungsausschuss des Bundestags seinen Untersuchungsbericht vor. Dabei hat der Verteidigungsminister nichts zu befürchten, meint Ernst-Reinhard Beck. Er fordert eine faire Betrachtung des Euro-Hawk-Skandals. Schließlich sei ein Großteil der Gelder bereits vor der Amtszeit de Maizières ausgegeben worden.

Ernst-Reinhard Beck im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.06.2013
    Tobias Armbrüster: Wir sprechen heute über einen schwierigen Tag für den Bundesverteidigungsminister, und am Telefon ist jetzt Ernst-Reinhard Beck, der Obmann der CDU im Verteidigungsausschuss. Schönen guten Morgen.

    Ernst-Reinhard Beck: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Beck, können wir denn heute auch von den Unions-Vertretern kritische Fragen an den Verteidigungsminister erwarten?

    Beck: Kritische Fragen gibt es in diesem Zusammenhang natürlich sehr viele. Aber worum es uns natürlich geht ist, dass wir die Aufarbeitung des gesamten Vorgangs zur Kenntnis nehmen und die Bewertung des Ministers. Und eines ist auch klar: Die Arbeitsgruppe und, ich denke, auch die Fraktion steht hinter dem Minister.

    Armbrüster: Was erwarten Sie denn heute von Thomas de Maizière?

    Beck: Es sind zwei Dinge, die man vielleicht auseinanderhalten muss. Das eine, was vorgelegt wird, ist der Bericht dieser Arbeitsgruppe, der die Dinge aufarbeitet, die Genese darstellt, auch, denke ich, die Schwachstellen herausarbeitet und Vorschläge macht. Und der zweite Teil – und den hat der Minister sich ja für heute vorbehalten. Er hat gesagt, er bewertet diesen Bericht dann und gibt dann auch im Grunde seine Alternativen und seine Konsequenzen aus dieser ganzen Geschichte dann direkt dem Ausschuss bekannt.

    Armbrüster: Wie weit ist Thomas de Maizière denn von einem Rücktritt entfernt?

    Beck: Ich sehe überhaupt keinen Anlass für einen Rücktritt. Das, was jetzt läuft, ist im Grunde Wahlkampfgetöse, und ich meine, dass er in der Frage der Schadensbegrenzung natürlich das für ihn mögliche getan hat. Schauen Sie, Sie haben ja in der Sendung vorhin und auch in dem ganz guten Bericht dargestellt, dass dort eine halbe Milliarde in den Sand gesetzt worden ist. Auch das ist zunächst mal nicht richtig. Es sind 562 Millionen ausgegeben, davon entfallen ungefähr 300 Millionen auf das System, das funktioniert, auf das Aufklärungssystem, das wir auch dringend brauchen, weil es eine Fähigkeit ist, Fernaufklärung, elektronische Aufklärung, eine Aufklärungslücke, die wir seit drei Jahren haben. Natürlich ist da der andere Teil, die 261 Millionen. Das ist viel Geld natürlich.

    Armbrüster: Aber Sie sind optimistisch, dass dieser Teil des Projekts nach wie vor verwertet werden kann?

    Beck: Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, und zwar läuft ja da nun der abschließende Test bis zum September und dann haben wir nach all dem, was ich höre, ein einsatzfähiges System, das im Grunde auf dem absoluten Top Level des Hightech-Standards ist.

    Armbrüster: Herr Beck, man kann sich aber wahrscheinlich darauf einigen, dass tatsächlich einige Hundert Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden.

    Beck: Schlimm genug, das ist gar keine Frage.

    Armbrüster: Richtig. Ist es denn möglich, dass ein Minister über einen solchen Flop nicht zügig rechtzeitig informiert wird?

    Beck: Das wird eine der Fragen sein, die er heute Morgen sicher aufklären wird. Die Geschichte ist natürlich allerdings ein bisschen länger. Man darf sie auch nicht so isoliert sehen. Es hat eine Genese. Es ist ungefähr zwölf Jahre alt, hat fünf Minister. Es war eine Erfindung von Rot-Grün, Scharping und Struck waren im Grunde Befürworter dieses Systems.

    Armbrüster: Gut! Aber die sind alle nicht mehr im Amt. Kann das dem aktuellen Minister tatsächlich weiterhelfen?

    Beck: Es gehört zu einer fairen Betrachtung dazu. Das heißt: was liegt in seinem eigenen Verantwortungsbereich? Wenn ich das richtig sehe, ist ein Großteil der Gelder bereits ausgegeben worden, als der Minister ins Amt kam. Und die Frage ist natürlich: Haben die Frühwarnsysteme im Ministerium funktioniert? Das haben sie offenbar nicht. Aber in dem Augenblick – und das bestätigt auch der Rechnungshofsbericht -, in dem Augenblick, wo dann tatsächlich diese Meldungen die Leitungsebene erreicht haben, hat Thomas de Maizière gehandelt, hat gesagt, wir beschaffen dann diese Flugzeuge nicht, wie er sagt, die Reißleine gezogen. Das war eine mutige Entscheidung und ich glaube, dass man ihm das nicht vorhalten kann. Er hat damit weiteren Schaden natürlich abgehalten.

    Armbrüster: Wie belastend ist de Maizière denn für die Union, jetzt wenige Monate vor der Wahl?

    Beck: Ich sehe keinerlei Belastung. Wir haben einen hervorragenden Verteidigungsminister. Sie dürfen nicht vergessen, was er alles angepackt hat. Wir haben eine Bundeswehrreform, die im Grunde keinen Stein auf dem anderen lässt, der Übergang von der Wehrpflichtarmee zur Einsatzarmee, wir haben in Afghanistan schwierige Aufgaben, also im Grunde hat dieser Minister ein hohes Renommee und ein hohes Ansehen auch bei den Verbündeten. Von daher gesehen ist meine Position und die meiner Arbeitsgruppe: Wir sind froh, dass wir diesen Minister haben, der außerordentlich gründlich, seriös arbeitet, der ein hohes Ansehen auch im Bündnis genießt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.