Tobias Armbrüster: Die Gästeliste ist lang heute Abend in Wiesbaden, von Helmut Kohl über Angela Merkel bis zum Schlagersänger Udo Jürgens sind alle dabei, wenn es heißt "Auf Wiedersehen, Roland Koch". Der hessische Ministerpräsident feiert heute nach elf Jahren seinen Abschied aus der Politik. Mitgehört hat bei diesem Beitrag von Anke Petermann Andrea Ypsilanti, die ehemalige Spitzenkandidatin und Herausforderin von Roland Koch bei der Landtagswahl 2008. Schönen guten Morgen, Frau Ypsilanti.
Andrea Ypsilanti: Guten Morgen Ihnen.
Armbrüster: Wir haben da in den letzten Wochen einiges an Lobreden auf Roland Koch gehört, auch von der Opposition. Wollen Sie, Frau Ypsilanti, heute Morgen in diesen Chor einstimmen?
Ypsilanti: Nein, ich stimme nicht in diesen Chor ein und ich habe auch wenig Verständnis für die vielen Elogen, die jetzt auf ihn gehalten werden, und ich weine ihm mit Sicherheit keine Träne nach. Er war ein Ministerpräsident, der sicherlich in diesen elf Jahren viel bewegt hat, aber man muss sich dann fragen, was hat er denn zum Guten des Landes bewegt, und da komme ich auf eine eher negative Bilanz.
Armbrüster: Roland Koch hat sich da ja, um mal auf seine Rolle zu sprechen zu kommen, als Finanzfachmann in der Politik einen Namen gemacht. Viele sagen, er hat Hessen sicher durch die Wirtschaftskrise gesteuert. Können Sie ihm das nicht zumindest anrechnen?
Ypsilanti: Also wissen Sie, wer in elf Jahren in Hessen die Schulden verdoppelt, im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern, nämlich von 20 Milliarden auf 40 Milliarden, da frage ich mich immer, wo ist denn der Finanzfachmann geblieben. Das ist eine reife Leistung, die Schulden einfach mal zu verdoppeln, und da rechnen wir die Krise noch überhaupt nicht mit ein.
Armbrüster: Immerhin hat er mit Ihrem Parteifreund Peer Steinbrück gemeinsam Vorschläge für eine Steuerreform auf den Weg gebracht. Muss man ihm das nicht anrechnen?
Ypsilanti: Schauen Sie mal, was ist denn aus Deutschland geworden? Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir haben eine Finanzkrise, wir haben eine Ökokrise, wir haben eine Bildungskrise und wir haben eine Vertrauenskrise zwischen den Menschen, die sich eigentlich auf Politik und auf Parteien und Regierende verlassen wollen und ihnen im Moment überhaupt nicht mehr zutrauen, Lösungen für ihre Probleme zu finden. Er war ein hessischer Ministerpräsident, also muss er sich an seiner hessischen Bilanz messen lassen, und ich glaube, es gibt keinen Ministerpräsidenten, der so viele Skandale in seiner Regierungszeit zu verantworten hat, wie Roland Koch, und zwar unaufgeklärte Affären.
Armbrüster: Roland Koch geht, sagt er, weil er auch noch einmal etwas anderes machen möchte in seinem Leben. Sollten sich andere Politiker diese Haltung nicht vielleicht zum Vorbild nehmen und Platz machen nach einigen Jahren für Nachrücker?
Ypsilanti: Wissen Sie, es ist ihm unbenommen, jetzt noch mal etwas anderes anzufangen in seinem Leben. Aber als er sich hat wählen lassen nach der letzten Landtagswahl, hat er gesagt, er möchte die Legislaturperiode als Ministerpräsident zu Ende bringen. Das hat er nicht gemacht, und dann sagt er auch noch, das wüssten einige schon seit einem Jahr. Das heißt, er hat sich nach der letzten Wahl zum Ministerpräsidenten wählen lassen, obwohl er wusste, dass er es nicht vier Jahre machen will. Und was ich auch nicht verstehe ist, dass man Roland Koch heiße Tränen nachweint, und Ole von Beust, dem man jetzt ganz große Vorwürfe macht, dass er die CDU in der schwierigen Zeit alleine lässt. Hessen hat auch noch sehr viele Baustellen!
Armbrüster: Roland Koch gilt aber zumindest als leidenschaftlicher Konservativer. Zumindest wird er so zurzeit immer wieder besungen. Und außerdem wird gesagt, die Politik in Deutschland wird durch seinen Abschied ärmer. Brauchen wir in Deutschland nicht viel mehr solche Politiker, die auch mal anecken und die auch mit Leidenschaft eintreten für ihre Überzeugung?
Ypsilanti: Aber natürlich brauchen wir die. Wir brauchen Menschen, die mit Leidenschaft Politik machen. Aber noch mal: Er wird immer gelobt als ein kluger Denker, als ein scharfer Rhetoriker. Ich würde aber die Gegenfrage stellen: Wofür nutzt er seine Klugheit und wofür nutzt er seine Rhetorik? Und da kann ich nicht sehen, wo er Hessen vorangebracht hat. Ich denke, leidenschaftliche Politiker, die sind natürlich gefragt in diesem Land, aber man muss immer fragen, wofür. Und wenn jemand an die Macht kommt mit ausländerfeindlichen Wahlkämpfen, wenn er wie gesagt Skandale hinterlässt, wenn er eine Regierungsbilanz hinterlässt, die nur zum Beispiel in der Energiepolitik Hessen ans Schlusslicht aller Bundesländer geführt hat, auch in der Ökologiefrage, wenn er Wort gebrochen hat, wie wir es im Beitrag gehört haben, zum Nachtflugverbot, wo jahrelang Mediationen gemacht wurden in Hessen, den Menschen ein Nachtflugverbot versprochen wurde und jetzt wir mit Nachtflügen hier im Rhein-Main-Gebiet enden, können die Menschen ja jede Nacht den Wortbruch hören. Von der Bildungspolitik und von den Studiengebühren, die er damals eingeführt hat, die wir ja zum Glück wieder abgeschafft haben, gar nicht zu sprechen. Also ich kann die großartige Bilanz von Roland Koch nicht nachvollziehen.
Armbrüster: Frau Ypsilanti, Sie standen ihm nun im Wahlkampf 2008 als Herausforderin gegenüber. Was empfinden Sie jetzt, wenn er die politische Bühne verlässt? Ist da ein bisschen Genugtuung auch dabei?
Ypsilanti: Na ja, mir wäre es lieber gewesen, er hätte es früher gemacht, bei den letzten Landtagswahlkämpfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir von Roland Koch noch hören werden, und deshalb ist es auch so wichtig, ihn real einzuschätzen und ihn jetzt nicht irgendwie zu verklären.
Armbrüster: Werden Sie ihm denn heute die Hand schütteln?
Ypsilanti: Ich habe Roland Koch immer die Hand geschüttelt, wenn ich ihn gesehen hatte, aber ich nehme nicht an, dass ich ihn heute sehe.
Armbrüster: Und wenn Sie ihn sehen würden, was würden Sie ihm zum Abschied sagen?
Ypsilanti: Ich würde ihm viel Glück für die Zukunft wünschen.
Armbrüster: Mehr nicht?
Ypsilanti: Nein.
Armbrüster: Sie haben tatsächlich, wenn ich das jetzt mal bilanzieren darf, wirklich nichts Positives über Roland Koch zu sagen?
Ypsilanti: Nun, ich kenne ihn privat nicht. Ich weiß nicht, was er privat für ein Mensch ist. Deshalb kann ich ihn nur an seiner politischen Bilanz messen.
Armbrüster: Nachfolger von Roland Koch wird nun sein bisheriger Innenminister Volker Bouffier. Ist Ihr Verhältnis zu ihm besser als das zu Koch?
Ypsilanti: Auch Volker Bouffier kenne ich nur aus der Politik, auch ihn kenne ich nicht privat, und natürlich muss jeder Neue die Chance haben, etwas anders zu machen als sein Vorgänger. Ich hoffe, dass er vieles anders macht. Ich hoffe, dass er ein anderes Verhältnis zwischen der Partei und dem Staat entwickelt. Ich hoffe, dass er die CDU in Hessen erneuert, die braucht Erneuerung. Ich kann es mir im Moment noch nicht richtig vorstellen, weil er natürlich zu dem ganzen Club um Roland Koch gehört. Aber wie gesagt: schauen wir mal. Eine Chance soll er haben.
Armbrüster: Andrea Ypsilanti, ehemalige Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Ypsilanti.
Ypsilanti: Bitte schön.
Andrea Ypsilanti: Guten Morgen Ihnen.
Armbrüster: Wir haben da in den letzten Wochen einiges an Lobreden auf Roland Koch gehört, auch von der Opposition. Wollen Sie, Frau Ypsilanti, heute Morgen in diesen Chor einstimmen?
Ypsilanti: Nein, ich stimme nicht in diesen Chor ein und ich habe auch wenig Verständnis für die vielen Elogen, die jetzt auf ihn gehalten werden, und ich weine ihm mit Sicherheit keine Träne nach. Er war ein Ministerpräsident, der sicherlich in diesen elf Jahren viel bewegt hat, aber man muss sich dann fragen, was hat er denn zum Guten des Landes bewegt, und da komme ich auf eine eher negative Bilanz.
Armbrüster: Roland Koch hat sich da ja, um mal auf seine Rolle zu sprechen zu kommen, als Finanzfachmann in der Politik einen Namen gemacht. Viele sagen, er hat Hessen sicher durch die Wirtschaftskrise gesteuert. Können Sie ihm das nicht zumindest anrechnen?
Ypsilanti: Also wissen Sie, wer in elf Jahren in Hessen die Schulden verdoppelt, im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern, nämlich von 20 Milliarden auf 40 Milliarden, da frage ich mich immer, wo ist denn der Finanzfachmann geblieben. Das ist eine reife Leistung, die Schulden einfach mal zu verdoppeln, und da rechnen wir die Krise noch überhaupt nicht mit ein.
Armbrüster: Immerhin hat er mit Ihrem Parteifreund Peer Steinbrück gemeinsam Vorschläge für eine Steuerreform auf den Weg gebracht. Muss man ihm das nicht anrechnen?
Ypsilanti: Schauen Sie mal, was ist denn aus Deutschland geworden? Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir haben eine Finanzkrise, wir haben eine Ökokrise, wir haben eine Bildungskrise und wir haben eine Vertrauenskrise zwischen den Menschen, die sich eigentlich auf Politik und auf Parteien und Regierende verlassen wollen und ihnen im Moment überhaupt nicht mehr zutrauen, Lösungen für ihre Probleme zu finden. Er war ein hessischer Ministerpräsident, also muss er sich an seiner hessischen Bilanz messen lassen, und ich glaube, es gibt keinen Ministerpräsidenten, der so viele Skandale in seiner Regierungszeit zu verantworten hat, wie Roland Koch, und zwar unaufgeklärte Affären.
Armbrüster: Roland Koch geht, sagt er, weil er auch noch einmal etwas anderes machen möchte in seinem Leben. Sollten sich andere Politiker diese Haltung nicht vielleicht zum Vorbild nehmen und Platz machen nach einigen Jahren für Nachrücker?
Ypsilanti: Wissen Sie, es ist ihm unbenommen, jetzt noch mal etwas anderes anzufangen in seinem Leben. Aber als er sich hat wählen lassen nach der letzten Landtagswahl, hat er gesagt, er möchte die Legislaturperiode als Ministerpräsident zu Ende bringen. Das hat er nicht gemacht, und dann sagt er auch noch, das wüssten einige schon seit einem Jahr. Das heißt, er hat sich nach der letzten Wahl zum Ministerpräsidenten wählen lassen, obwohl er wusste, dass er es nicht vier Jahre machen will. Und was ich auch nicht verstehe ist, dass man Roland Koch heiße Tränen nachweint, und Ole von Beust, dem man jetzt ganz große Vorwürfe macht, dass er die CDU in der schwierigen Zeit alleine lässt. Hessen hat auch noch sehr viele Baustellen!
Armbrüster: Roland Koch gilt aber zumindest als leidenschaftlicher Konservativer. Zumindest wird er so zurzeit immer wieder besungen. Und außerdem wird gesagt, die Politik in Deutschland wird durch seinen Abschied ärmer. Brauchen wir in Deutschland nicht viel mehr solche Politiker, die auch mal anecken und die auch mit Leidenschaft eintreten für ihre Überzeugung?
Ypsilanti: Aber natürlich brauchen wir die. Wir brauchen Menschen, die mit Leidenschaft Politik machen. Aber noch mal: Er wird immer gelobt als ein kluger Denker, als ein scharfer Rhetoriker. Ich würde aber die Gegenfrage stellen: Wofür nutzt er seine Klugheit und wofür nutzt er seine Rhetorik? Und da kann ich nicht sehen, wo er Hessen vorangebracht hat. Ich denke, leidenschaftliche Politiker, die sind natürlich gefragt in diesem Land, aber man muss immer fragen, wofür. Und wenn jemand an die Macht kommt mit ausländerfeindlichen Wahlkämpfen, wenn er wie gesagt Skandale hinterlässt, wenn er eine Regierungsbilanz hinterlässt, die nur zum Beispiel in der Energiepolitik Hessen ans Schlusslicht aller Bundesländer geführt hat, auch in der Ökologiefrage, wenn er Wort gebrochen hat, wie wir es im Beitrag gehört haben, zum Nachtflugverbot, wo jahrelang Mediationen gemacht wurden in Hessen, den Menschen ein Nachtflugverbot versprochen wurde und jetzt wir mit Nachtflügen hier im Rhein-Main-Gebiet enden, können die Menschen ja jede Nacht den Wortbruch hören. Von der Bildungspolitik und von den Studiengebühren, die er damals eingeführt hat, die wir ja zum Glück wieder abgeschafft haben, gar nicht zu sprechen. Also ich kann die großartige Bilanz von Roland Koch nicht nachvollziehen.
Armbrüster: Frau Ypsilanti, Sie standen ihm nun im Wahlkampf 2008 als Herausforderin gegenüber. Was empfinden Sie jetzt, wenn er die politische Bühne verlässt? Ist da ein bisschen Genugtuung auch dabei?
Ypsilanti: Na ja, mir wäre es lieber gewesen, er hätte es früher gemacht, bei den letzten Landtagswahlkämpfen. Ich bin davon überzeugt, dass wir von Roland Koch noch hören werden, und deshalb ist es auch so wichtig, ihn real einzuschätzen und ihn jetzt nicht irgendwie zu verklären.
Armbrüster: Werden Sie ihm denn heute die Hand schütteln?
Ypsilanti: Ich habe Roland Koch immer die Hand geschüttelt, wenn ich ihn gesehen hatte, aber ich nehme nicht an, dass ich ihn heute sehe.
Armbrüster: Und wenn Sie ihn sehen würden, was würden Sie ihm zum Abschied sagen?
Ypsilanti: Ich würde ihm viel Glück für die Zukunft wünschen.
Armbrüster: Mehr nicht?
Ypsilanti: Nein.
Armbrüster: Sie haben tatsächlich, wenn ich das jetzt mal bilanzieren darf, wirklich nichts Positives über Roland Koch zu sagen?
Ypsilanti: Nun, ich kenne ihn privat nicht. Ich weiß nicht, was er privat für ein Mensch ist. Deshalb kann ich ihn nur an seiner politischen Bilanz messen.
Armbrüster: Nachfolger von Roland Koch wird nun sein bisheriger Innenminister Volker Bouffier. Ist Ihr Verhältnis zu ihm besser als das zu Koch?
Ypsilanti: Auch Volker Bouffier kenne ich nur aus der Politik, auch ihn kenne ich nicht privat, und natürlich muss jeder Neue die Chance haben, etwas anders zu machen als sein Vorgänger. Ich hoffe, dass er vieles anders macht. Ich hoffe, dass er ein anderes Verhältnis zwischen der Partei und dem Staat entwickelt. Ich hoffe, dass er die CDU in Hessen erneuert, die braucht Erneuerung. Ich kann es mir im Moment noch nicht richtig vorstellen, weil er natürlich zu dem ganzen Club um Roland Koch gehört. Aber wie gesagt: schauen wir mal. Eine Chance soll er haben.
Armbrüster: Andrea Ypsilanti, ehemalige Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Ypsilanti.
Ypsilanti: Bitte schön.