Burkhard Birke: Die Menschen trauern um Johannes Rau. Der frühere Bundespräsident, langjähriger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ist gestern im Alter von 75 Jahren in Berlin gestorben und ich begrüße jetzt in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk Hans-Jochen Vogel, den ehemaligen SPD-Vorsitzenden. Einen schönen guten Morgen, Herr Vogel.
Hans-Jochen Vogel: Guten Morgen, Herr Birke.
Birke: Herr Vogel, Sie haben ja ein gutes Stück Ihres Weges gemeinsam und parallel zu Johannes Rau bestritten. Sie haben lange mit ihm auch im SPD-Vorstand zusammengearbeitet. Was werden Sie am meisten von dem Menschen Johannes Rau vermissen?
Vogel: Ich werde am meisten seine Menschlichkeit vermissen, seine Fähigkeit, jeden einzelnen Menschen, mit dem er es zu tun hatte, als Individuum wahrzunehmen und sein konstantes Bemühen über seine ganze politische, aktive Tätigkeit hinweg, den Menschen zu dienen, ihnen Mut zu machen oder auch Trost zuzusprechen. Das sind die Eigenschaften, die ich am meisten an meinem Freund vermissen werde.
Birke: Wie groß ist der Verlust für die Sozialdemokratie?
Vogel: Es ist ein großer Verlust, denn er gehört zu den prägenden Persönlichkeiten in der Zeit von den späten 60er Jahren bis in die Gegenwart hinein, und er hat auch sozialdemokratische Werte verkörpert: Gerechtigkeit und Solidarität vor allem. Außerdem war er ein Christenmensch. Er hat das nicht propagandistisch vor sich her getragen. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, hat das gespürt, dass insbesondere auch das Gebot der Nächstenliebe für ihn Geltung besessen hat.
Birke: Sie haben den Christen Johannes Rau angesprochen: Versöhnen statt Spalten galt ja sozusagen als das Lebensmotto des gläubigen Christen Johannes Rau. Ist das ein Credo auch an die Konsenspolitik unserer Deutschland-AG?
Vogel: Ja, sicherlich ist es eine Aufforderung sich zu verständigen und aufeinander zuzugehen, aber er hat insbesondere als Bundespräsident durchaus auch kontroverse Themen aufgegriffen. Zum Beispiel hatte er in der Frage der Bioethik, Stammzellenforschung einen völlig klaren Standpunkt - der sich übrigens mit dem meinigen deckt - dass es sich schon bei den Embryonen um menschliches Leben handelt, das man nicht wie eine Ware verbrauchen kann. Und er hat in einer seiner letzten Reden als Bundespräsident auch die Kapitaleigner deutlich angesprochen und sie daran erinnert, dass sie auch eine soziale Verpflichtung haben.
Birke: Das ist die berühmte Berliner Rede vom 12. Mai 2004, die Sie ansprechen. Da hat Herr Rau gemahnt und kritisiert: Egoismus, Gier und Anspruchsdenken in Teilen der so genannten Eliten hätten das Vertrauen in die Institutionen geschwächt, weil deren Repräsentanten offenbar alle Maßstäbe verloren hätten. Ist das Signal, das sich Rau davon versprach, von dieser Rede, Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft angekommen?
Vogel: Ich glaube ja. Unmittelbarer Auslöser dieser kritischen Bemerkungen waren wohl auch diese maßlos erhöhten Vorstandsbezüge, diese maßlosen Abfindungen. Und da ist doch ein Prozess in Gang gekommen, zu mehr Transparenz und auch zu mehr Zurückhaltung. In der vollen Breite, glaube ich auch, dass Menschen nachdenklicher geworden sind und dass sie nicht zufrieden sind mit einer Lebensweise "anything goes", wenn es nur Spaß macht, sondern, dass sie doch nach Orientierung und nach Halt suchen, und dazu hat ja Johannes auch in der Rede aufgefordert.
Birke: Wie bedeutend war die Rolle des Bundespräsidenten, des Politikers Johannes Rau, für die deutsch-israelische Freundschaft?
Vogel: Von ganz hoher Bedeutung. Das war für ihn, glaube ich, ein ganz zentrales Anliegen. Ich erinnere mich, wie ich Vorsitzender war, und er war Ministerpräsident. Da ist er einmal am Sonntagnachmittag ganz kurzfristig angemeldet zu mir in die Wohnung gekommen und hat sich bitter beschwert, weil ein anderer führender Politiker aus unseren eigenen Reihen etwas gesagt hat, was er als Israel-kritisch in ungerechter Weise verstanden hat. Also, da war er als Mensch und Person sehr engagiert, und ich glaube, es war für ihn einer der Momente, wo er am glücklichsten war, als er die Rede in der Knesset hielt und die Abgeordneten, die zu Beginn herausgegangen waren, dann während der Rede wiederkamen und am Ende Beifall gespendet wurde. Das war, glaube ich, auch unter dem Stichwort Versöhnen für ihn ein ganz wichtiger Moment.
Birke: Hans-Jochen Vogel war das, der frühere SPD-Vorsitzende und Wegbegleiter von Johannes Rau, dem ehemaligen Bundespräsidenten, der gestern im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Vielen Dank für diese Bemerkungen zu Johannes Rau, Herr Vogel.
Vogel: Bitte sehr, auf Wiederschauen.
Hans-Jochen Vogel: Guten Morgen, Herr Birke.
Birke: Herr Vogel, Sie haben ja ein gutes Stück Ihres Weges gemeinsam und parallel zu Johannes Rau bestritten. Sie haben lange mit ihm auch im SPD-Vorstand zusammengearbeitet. Was werden Sie am meisten von dem Menschen Johannes Rau vermissen?
Vogel: Ich werde am meisten seine Menschlichkeit vermissen, seine Fähigkeit, jeden einzelnen Menschen, mit dem er es zu tun hatte, als Individuum wahrzunehmen und sein konstantes Bemühen über seine ganze politische, aktive Tätigkeit hinweg, den Menschen zu dienen, ihnen Mut zu machen oder auch Trost zuzusprechen. Das sind die Eigenschaften, die ich am meisten an meinem Freund vermissen werde.
Birke: Wie groß ist der Verlust für die Sozialdemokratie?
Vogel: Es ist ein großer Verlust, denn er gehört zu den prägenden Persönlichkeiten in der Zeit von den späten 60er Jahren bis in die Gegenwart hinein, und er hat auch sozialdemokratische Werte verkörpert: Gerechtigkeit und Solidarität vor allem. Außerdem war er ein Christenmensch. Er hat das nicht propagandistisch vor sich her getragen. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, hat das gespürt, dass insbesondere auch das Gebot der Nächstenliebe für ihn Geltung besessen hat.
Birke: Sie haben den Christen Johannes Rau angesprochen: Versöhnen statt Spalten galt ja sozusagen als das Lebensmotto des gläubigen Christen Johannes Rau. Ist das ein Credo auch an die Konsenspolitik unserer Deutschland-AG?
Vogel: Ja, sicherlich ist es eine Aufforderung sich zu verständigen und aufeinander zuzugehen, aber er hat insbesondere als Bundespräsident durchaus auch kontroverse Themen aufgegriffen. Zum Beispiel hatte er in der Frage der Bioethik, Stammzellenforschung einen völlig klaren Standpunkt - der sich übrigens mit dem meinigen deckt - dass es sich schon bei den Embryonen um menschliches Leben handelt, das man nicht wie eine Ware verbrauchen kann. Und er hat in einer seiner letzten Reden als Bundespräsident auch die Kapitaleigner deutlich angesprochen und sie daran erinnert, dass sie auch eine soziale Verpflichtung haben.
Birke: Das ist die berühmte Berliner Rede vom 12. Mai 2004, die Sie ansprechen. Da hat Herr Rau gemahnt und kritisiert: Egoismus, Gier und Anspruchsdenken in Teilen der so genannten Eliten hätten das Vertrauen in die Institutionen geschwächt, weil deren Repräsentanten offenbar alle Maßstäbe verloren hätten. Ist das Signal, das sich Rau davon versprach, von dieser Rede, Ihrer Meinung nach in der Gesellschaft angekommen?
Vogel: Ich glaube ja. Unmittelbarer Auslöser dieser kritischen Bemerkungen waren wohl auch diese maßlos erhöhten Vorstandsbezüge, diese maßlosen Abfindungen. Und da ist doch ein Prozess in Gang gekommen, zu mehr Transparenz und auch zu mehr Zurückhaltung. In der vollen Breite, glaube ich auch, dass Menschen nachdenklicher geworden sind und dass sie nicht zufrieden sind mit einer Lebensweise "anything goes", wenn es nur Spaß macht, sondern, dass sie doch nach Orientierung und nach Halt suchen, und dazu hat ja Johannes auch in der Rede aufgefordert.
Birke: Wie bedeutend war die Rolle des Bundespräsidenten, des Politikers Johannes Rau, für die deutsch-israelische Freundschaft?
Vogel: Von ganz hoher Bedeutung. Das war für ihn, glaube ich, ein ganz zentrales Anliegen. Ich erinnere mich, wie ich Vorsitzender war, und er war Ministerpräsident. Da ist er einmal am Sonntagnachmittag ganz kurzfristig angemeldet zu mir in die Wohnung gekommen und hat sich bitter beschwert, weil ein anderer führender Politiker aus unseren eigenen Reihen etwas gesagt hat, was er als Israel-kritisch in ungerechter Weise verstanden hat. Also, da war er als Mensch und Person sehr engagiert, und ich glaube, es war für ihn einer der Momente, wo er am glücklichsten war, als er die Rede in der Knesset hielt und die Abgeordneten, die zu Beginn herausgegangen waren, dann während der Rede wiederkamen und am Ende Beifall gespendet wurde. Das war, glaube ich, auch unter dem Stichwort Versöhnen für ihn ein ganz wichtiger Moment.
Birke: Hans-Jochen Vogel war das, der frühere SPD-Vorsitzende und Wegbegleiter von Johannes Rau, dem ehemaligen Bundespräsidenten, der gestern im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Vielen Dank für diese Bemerkungen zu Johannes Rau, Herr Vogel.
Vogel: Bitte sehr, auf Wiederschauen.