Freitag, 19. April 2024

Archiv


"Ich werde verprügelt"

Die Fernsehmoderatorin Eva Herman sieht sich nach der Veröffentlichung ihrer feminismuskritischen Thesen als Opfer einer Medienkampagne "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Medienseite so über mich kommen würde, und zwar so wütend", sagte sie. Andererseits fühle sie sich auch durch zahlreiche Zuschriften bestärkt in ihrem Plädoyer für eine neue Frauenrolle.

Moderation: Jürgen Liminski | 22.09.2006
    Jürgen Liminski: Seit Wochen wird in Deutschland heftig diskutiert. Thema: Eva Herman und ihre Thesen gegen den Feminismus. Überraschend ist die Heftigkeit, mit der diese Debatte geführt wird. Das mag an der Provokation der Thesen selbst liegen. Das mag auch an den Reaktionen liegen. Wir haben Eva Herman dazu eingeladen. Guten Morgen, Frau Herman.

    Eva Herman: Schönen guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Frau Herman, Sie sind nun unter die Schriftsteller gegangen. Einer Ihrer Kollegen, Graham Greene, hat einmal gesagt: "Die meisten Menschen beichten am liebsten die Sünden anderer Leute." Ist das bei Ihren Thesen gegen den Feminismus nicht auch ein wenig so? Das, was Sie schreiben, haben Sie ja selber gelebt. Da sieht manch einer eine Glaubwürdigkeitslücke.

    Herman: Ja. Aber gerade, weil ich es gelebt habe, bin ich glaubwürdig. Weil ich die Höhen und Tiefen, die Schmerzen, Ängste, aber auch die Freuden natürlich, kenne, denke ich, dass ich ganz gut einordnen kann, wie gefährlich dieser Weg sein kann, nämlich dieser Weg des Erfolges, der Selbstverwirklichung, wenn er nur einseitig begangen wird.

    Liminski: Sie sagen, Sie sind glaubwürdig, wegen der Kenntnis der anderen Seite. Diese andere Seite befindet sich, wenn man den Wirbel verfolgt, vor allem in den Medien, also bei ihren früheren Kollegen. Haben Sie das nicht erwartet? Sie kennen diese Seite ja.

    Herman: Ich habe eine ganze Menge Rummel erwartet, denn ich hatte ja den "Cicero"-Artikel vorher schon veröffentlicht, der noch ein bisschen provokanter formuliert war, und da brach ja einiges über mich herein. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Medienseite so über mich kommen würde, und zwar so wütend. Und ich hätte auch nicht für möglich gehalten, dass die Macht dieser Menschen, die an diesen Hebeln der öffentlichen Meinung sitzen, in diesem Maße genutzt wird, und zwar einseitig. Sie versuchen das, was sie leben, als Maß aller Dinge zu nehmen. Dabei leben sie aber ein abgeschlossenes, nämlich ein öffentliches Leben, was nicht viel zu tun hat mit dem - ich sage mal in Anführung – "ganz normalen Leben des Durchschnittsbürgers".

    Liminski: Ein Magazin hat neulich einen treffenden Titel zu Ihrer Debatte gebracht: Die Hermansschlacht. Treffend sage ich, weil man vermutlich vor allem in Deutschland so heftig und Schuld zuweisend diskutiert. Fühlen Sie sich eigentlich wohl in diesem Schlachtgetümmel, oder kommen Sie sich eher verprügelt vor?

    Herman: Ja ich werde natürlich verprügelt, einerseits, und zwar oftmals öffentlich. Andererseits fühle ich mich verstanden und fühle mich als eine von Millionen, nämlich der Leute, die mir auch schreiben. Man muss sich vorstellen, dass ich nun seit Erscheinen des Buches insgesamt über 3000 E-Mails bekommen habe. Und in diesen E-Mails schreibt mir der ganz normale Mensch: eine Mutter von drei Kindern, eine berufstätige Frau, die außerdem zu Hause arbeitet im Haushalt und den Kindern, Väter, die sich um die Kinder kümmern, Väter, die sich nicht um die Kinder kümmern, junge Menschen, die eine Familie planen wollen, Ältere, die es hinter sich haben. Alle melden sich zu Wort. Alle schreiben mir ihre Geschichte. Und alle sagen, fast unisono: "Vielen Dank, dass wir endlich darüber sprechen dürfen."

    Liminski: In den Medien liest sich das natürlich anders. In der amerikanischen Publizistik, Frau Herman, gibt es da einen Begriff, nämlich den Begriff des "gatekeepers", man spricht bei uns eher von der Filterfunktion der Medien. Sie haben wohl offenbar den Eindruck, dass bei uns zu viel gefiltert wird, vor allem bei den Themen, die Sie nun in die öffentliche Debatte werfen. Woran machen Sie das denn fest, diesen Eindruck?

    Herman: Ich hatte es gerade schon mal angesprochen: Es ist das Establishment. Es ist eine einseitige Gesellschaft, die aber öffentliche Meinung macht. Viele - ich sage auch in diesem Fall in Anführung – "Kolleginnen" glauben, dass das, was sie selber leben und empfinden, dass das das Maß aller Dinge ist. Und leider ist das weit entfernt von dem normalen Leben. Ich gehöre ja selber auch dazu, auch zu dieser anderen Seite. Ich kenne alle diese Einstellungen, die man auch hat, wenn man sich also abends zum Weintrinken trifft, oder wenn man Redaktionskonferenzen hat ,und wenn man abends Überstunden macht, und wenn es immer nur um die Medien geht, dann glaubt man, das ist das Leben. Nur, wenn man zwei, drei Tage mal nicht in die Redaktion geht und eintaucht in das wirklich normale Leben, dann sieht man, dass man weit von der Wahrheit entfernt ist. Das Fatale und das Gefährliche ist, dass eben genau aber diese Leute Meinung machen und davon ausgehen, dass das Deutschland ist. Und Deutschland ist anders.

    Liminski: Aber dieses normale Leben ist doch eigentlich auch für jeden Arbeitnehmer normal?

    Herman: Ja natürlich ist das für jeden Arbeitnehmer normal. Es gibt nur viele Millionen dieser Arbeitnehmer, und es gibt nur ganz wenige Meinungsmacher. Und ich stoße immer wieder auf den Begriff "die schweigende Mehrheit". Die Leute schreiben mir diesen Begriff.

    Liminski: Würden Sie denn von einem Bruch zwischen Bevölkerung und Medien bei dieser Thematik sprechen?

    Herman: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Es ist auch eine Verhinderungspolitik der Medien-Machthaber, ein angstvolles Verhindern der Wahrheit. Ich vermute auch deswegen, weil sie ansonsten gezwungen wären, ihren eigenen Lebensentwurf zu überdenken. Und der bricht relativ schnell zusammen. Das habe ich - wenn ich das vielleicht noch kurz sagen darf - neulich erlebt in einem Interview - oder in mehreren -, wo Journalistinnen, die versuchen, mit mir ein Gespräch zu führen, mich zum Schluss anschreien vor Wut, die also die Contenance verlieren, die die Kontrolle verlieren und wirklich Hass in sich aufsteigen fühlen, wenn ich immer weiter ganz ruhig in Richtung Wahrheit argumentiere.

    Liminski: Woher wollen Sie denn wissen, dass "die schweigende Mehrheit" in diesen Fragen auf Ihrer Seite steht?

    Herman: Es gibt Umfragen. Es gab einige Umfragen auch vor Erscheinen meines Buches, die wurden sehr nachlässig durchgeführt, nämlich mit einer ganz pauschalen Frage: "Glauben Sie Eva Hermans Thesen, dass berufstätige Frauen unglücklich sind?" Ich meine, da antwortet natürlich jeder: "Nein". Das ist klar. Und diese Umfrage ist auch dementsprechend ausgefallen, nämlich über 80 Prozent hieß es, und das haben ganz seriöse Zeitungen, Tageszeitungen, Zeitschriften nachgedruckt - ungeprüft - und haben das übernommen und haben gesagt: 80 Prozent der Mehrheit in Deutschland, also, sind nicht Eva Hermans Meinung. Wir haben dann beim gleichen Institut, nämlich dem forsa-Institut, auch zwei Umfragen in Auftrag gegeben und haben es einfach mal anders formuliert, die Frage, und haben erstens gefragt: "Glauben Sie, dass berufstätige Mütter überlastet sind?" Und da hieß es also zu über 80 Prozent: "Ja". Und die zweite Frage war: "Glauben Sie, dass die Kinder dieser berufstätigen Mütter darunter leiden?" Und da haben über zwei Drittel mit Ja geantwortet. Es gibt weitere Umfragen. Wir haben zum Beispiel eine Diskussion beim "Hamburger Abendblatt" gehabt, eine Podiumsdiskussion, die von einem Hamburger Sender live übertragen wurde, und dann ist unter den Zuschauern zum Schluss eine Abstimmung vorgenommen worden. Und da waren 77 Prozent der Zuschauer für Eva Herman und 23 Prozent für eine Kollegin der "ZEIT", die eine Gegenthese vertreten hat.

    Liminski: Mal eine Zwischenfrage zum Weltbild, das Sie vertreten: Sagen Sie uns, wo die Väter sind. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Männer sich in diesem Tableau klammheimlich die Hände reiben.

    Herman: Ja das tun sie vielleicht auch zum Teil. Viele sagen: "Habe ich doch schon immer gesagt, nur auf mich hört keiner." Das ist die eine Seite. Die andere Seite der Männer ist nach wie vor verunsichert, denn durch den Feminismus, der uns gepredigt hat, uns Frauen: "Ihr könnt alles, ihr dürft alles, ihr seid genauso stark wie die Männer, es gibt keinen Geschlechtsunterschied", sind diese Männer im Laufe dieser letzten Jahrzehnte einfach auf einen Platz geschoben worden, wo sie irritiert herumschauen und fragen: "Was wollen die denn jetzt eigentlich? Entweder: Männer sind gewaltbereite Machos oder sie sind Trottel und Weicheier. Wo bin ich? Wo befinde ich mich? Und wofür braucht mich eine Frau überhaupt noch? Zum Geldverdienen braucht sie mich nicht. Zur Selbstverwirklichung braucht sie mich nicht. Für Kinder braucht sie mich auch nicht, weil: Kinder will sie meistens gar nicht haben." Männer wissen gar nicht, wohin sie gehören. Meine Hoffnung ist, wenn wir Frauen uns ein bisschen besinnen, dass die Männer von ganz alleine auch wieder an unserer Seite sind.

    Liminski: Das war Eva Herman, viel diskutierte Autorin des Buches "Das Eva-Prinzip". Besten Dank für das Gespräch, Frau Herman.

    Herman: Ich danke Ihnen auch.