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"Ich wollte mehr frechere Sachen machen"

Der Hamburger Bilderbuchkünstler Peter Schössow erzählt, wie er seine Figuren entwickelt und inszeniert. Warum das Meer eine wichtige Bedeutung für seine Werke hat und wie er vom Zeichenbrett zum Computer kam.

Peter Schössow im Gespräch mit Ute Wegemann | 13.04.2013
    Ute Wegemann: Bei meiner Vorbreitung auf den heutigen Büchermarkt, samstags immer mit Bücher auch für ein junges Publikum, bin ich vielen Bekannten und Freunden begegnet. Dem schutzbedürftigen, schnullerbehangenen Kater Robinson, dem Dronte-Baby, das den Käpt'n Mama nennt, einem eigenwilligen Gör mit Omalacklederhandtasche, einer Tennis spielenden Prinzessin, den beiden Jungs Rico und Oskar - der eine hoch- der andere tiefbegabt und zu guter Letzt einem armen Peter, der seiner Liebsten nachtrauert. Ein anderer Peter ist heute Gast im Studio und er ist der Vater all dieser Figuren, Peter Schössow.

    Peter Schössow, die gerade Genannten sind nur eine kleine Auswahl der Figuren, denen Sie in ihren Bilderbüchern oder bebilderten Texten ein Gesicht geben. Ich freue mich sehr, dass wir heute etwas über Sie und Ihre Arbeit erfahren. Beginnen wir am Anfang.

    Geboren 1953 in Hamburg, haben Sie die ersten Jahre nahe der Reeperbahn verbracht, zusammen mit einer Schwester die ebenfalls Illustratorin geworden ist. Gab es ein Zeichen-Gen in Ihrer Familie?

    Peter Schössow: Mein Vater hat immer gern gezeichnet. Er war eigentlich Maler und Lackierer und das hat er dann mit mir fortgesetzt. Und später dann auch mit meiner Schwester. Mein Vater hat sich sehr viel mit mir beschäftigt, er hat wahrscheinlich vieles nachgeholt, was er in seiner Kindheit nicht machen konnte. Und da gehörte Basteln, Tüfteln und besonders das Zeichnen und Malen dazu.

    Wegemann: Seit 1975 arbeiten Sie als Illustrator für Kinder- und Jugendbuchverlage, für Fernsehanstalten (Sendung mit der Maus/Siebenstein), aber auch für Zeitschriften und Magazine. Wie begann Ihre Laufbahn als Bilderbuchkünstler?

    Schössow: Es gab einen Schwerpunkt bei uns während des Studiums, für Kinder - und Jugendbücher Illustrationen zu machen, da hab ich den Abschluss gemacht. Ich wollte aber auch für Erwachsene arbeiten. Als 14-Jähriger habe ich eine Sendung von Loriot gesehen, "Cartoons" hieß die, wo er Karikaturisten und Kinderbuchillustratoren vorstellte. Und da sah ich Tomi Ungerer in New York und habe gewusst: Was der da macht, das wollte ich auch machen. Zeichnen!

    Nach dem Studium habe ich mit kleineren Arbeiten angefangen oder auch Sachillustrationen, aber das lag mir nicht besonders. Aber ich hab's gemacht, um überhaupt Arbeit zu haben. Das war nicht so ganz einfach. Meine Kinder gefielen den Leuten nicht, das musste alles immer sehr brav sein, und ich wollte mehr frechere Sachen machen. Aber es war eben sehr schwer, an gute Texte heranzukommen. So hat sich das langsam ergeben, dass ich mehr für Zeitschriften gemacht habe, wo man eben auch mal die Sau rauslassen konnte und sich auch kritisch mit allem Möglichen auseinandersetzen konnte.

    Wegemann: Wenn Sie jetzt sagen, Ihre Kinder gefielen damals den Verlagen nicht, wie waren Ihre Kinder denn in den 70er Jahren?

    Schössow: Tja, in meinen Augen haben sie gestimmt, in denen meiner Auftraggeber hat das nicht hingehauen. Ich hatte einfach nicht den Niedlichkeitsfaktor. Und als ich keine Texte bekommen habe, die ich gern illustriert hätte, hab ich mir meine eigenen Geschichten überlegt, am Anfang indem ich vermenschlichte Tiere einsetze.

    Wegemann: Nun sind Sie bekannt geworden mit einem Bilderbuch eines Fremdtextes: "Ich, Kater Robinson" - ein Text von Harry Rowohlt, und dann folgte das eigene Bilderbuch "Baby Dronte". Wenn man die beiden betrachtet, dann stellt man fest, dass beide in Hamburg spielen. Die Elbe, der Hafen, Schiffe, Kräne - im Vordergrund, im Hintergrund - prägen die Atmosphäre.
    Ist Hamburg Heimat und nach wie vor wichtigste Quelle der Inspiration?

    Schössow: Ja, vor allen Dingen ist es eine Gegend, die ich kenne, und sie kommt nicht so oft vor in Bilderbüchern. Das hat mich gereizt, da etwas anzusiedeln, unter anderem. eine Szene in einem Bordell, was ja zu einem Hafen dazugehört.

    Wegemann: Und sicherlich ungewöhnlich ist für die Bilderbuchillustration. Diese beiden Bücher in gedeckten, warmen, erdigen Farben, mit viel Blauanteilen, mit Nachtbildern - sind wie viele weitere Bücher, zum Beispiel "Emil und der Kaffeekocher", "Für Dich" oder auch "Meeehr!" - gemalt. In einer Mischtechnik.
    Mit welchem Material haben Sie da gearbeitet?

    Schössow: Mit Federn, Pinseln, mit Stiften, mit aquarellartigen Farben, Eiweißlasurfarben waren das. Der Nachteil ist, es ist sehr zeitaufwendig. Und wenn da mal was schief geht, dann ist die Arbeit von einer Woche flöten, dann muss man wieder von vorne anfangen.

    Wegemann: Es gibt die Bilderbücher zu fremden Geschichten von Ragnar Hovland, Ingmar Ambjörnsen oder Andreas Steinhöfel. Es gibt die Illustrationen zu Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe, Christian Morgenstern oder gerade erschienen Heinrich Heine, aber ebenso zahlreiche Bilderbücher mit eigenen Texten.

    "Gehört das so?" - die Geschichte eines Mädchens, das um seinen Kanarienvogel Elvis trauert und dabei wutschnaubend durch einen Park geht, wurde im Jahr 2006 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Eine ungewöhnliche Erzählung, in der es um den Tod, um Gemeinschaft und versöhnliche Rituale geht. Aber der Tod hat hier nichts Schweres, sondern er löst erstmal Zorn aus und Unverständnis. Das Tröstende, das Versöhnliche liegt im Miteinander der Figuren.

    Peter Schössow, Sie legen dieses Szenario in einen sommerlichen Park und stellen so durch Wetter und Natur schon eine besondere Stimmung her. Das Wetter, die Elemente, denen ein Lebewesen ausgliefert ist, spielen eine große Rolle in Ihren Bildern.

    Schössow: Darauf lege ich sehr viel wert, auf Stimmung und Atmosphäre. Was das Thema Tod betrifft, wollte ich das Ganze nicht so tonnenschwer anlegen, wie man sich Mozarts Beerdigung vorstellt, im Schneegstöber, in der Nacht, dunkel und kalt. Der Tod kann einen ja immer erwischen und zu allen Gelegenheiten. Ich fand es ganz schön, dass in einem sommerlichen Park zu inszenieren.

    Wegemann: Wie sehr der Mensch Spielball der Elemente sein kann, zeigen Sie immer wieder in Ihren Meer-Bildern, besonders in den Illustrationen zu den Goethe-Gedichten "Meeres-Stille" und "Glückliche Fahrt". Wolken, Sturm, Regen, Sonne - die Launen des Wetters - all das kommt in Schatten und Farben auf wenigen Seiten zu großer Geltung. Hat das Meer oder das Wasser eine besondere Bedeutung für Sie?

    Schössow: Dadurch, dass ich am Wasser aufgewachsen bin, spielt das schon eine große Rolle. Und was die Goethe-Gedichte angeht, das war ein Auftrag von der Sendung mit der Maus. Ich hab per Fax den Text bekommen, und hatte gleich eine Gänsehaut und dachte: Das ist es. Und hab mich mit den beiden Gedichten beschäftigt. Was man jetzt im Buch sieht, sind vielleicht 15 Prozent von dem Material, das ich für diese Bildergeschichte gemacht habe.

    Wegemann: Was heißt denn jetzt 15 Prozent, wenn wir von einem Bilderbuch mit 32 Seiten ausgehen. Haben Sie so unendliche viele Meerbilder gemalt, bis Sie zufrieden waren mit sich selber?

    Schössow: Ja, ich hab da viel rumprobiert, hab alle möglichen Stimmungen ausprobiert und dann musste ich eine Auswahl treffen. Ich habe dabei sehr in Trickfilmart gearbeitet und hab viel mehr angefertigt, als für ein normales Bilderbuch gebraucht wird.

    Wegemann: Sie haben in Trickfilmkategorein gedacht, weil das auch als Film für die Sendung mit der Maus geplant war?

    Schössow: Richtig. Aber nicht in bewegten Bildern, sondern die Bilder wurden abgefilmt.
    Wegemann: Als Bildergeschichte.

    Schössow: Genau!

    Wegemann: Nun spielen in den Meerbildern Farbe und Schatten eine große Rolle. Aber in vielen Ihrer Bilder ist das Detail in den ausgetüftelten, informationsreichen Hintergründen auffällig - da findet man, wie klein auch immer - Bücher, Verpackungen, Muster, Dekorationen - nichts wird dem Zufall überlassen, jede Kleinigkeit exakt recherchiert, gesetzt, dennoch stehen die Lebewesen - ob Tier oder Mensch - im Mittelpunkt. Wie entwickeln Sie eine Geschichte?

    Schössow: Also zunächst entwickel' ich die Figuren. Mach einen Haufen Skizzen, probier aus. Wenn ich dann zufrieden bin damit, denn ich muss ja mit den Figuren auch eine ganze Weile leben, dann mach ich mir Gedanken, in welche Räume ich die Figuren stelle. Das heißt: Ich inszeniere. Zuerst kommt das Casting der Figur und dann der Raum, ich denke, man kann durch Muster oder wie ein Raum eingerichtet ist, eine Menge über den Bewohner erzählen. Selbst die Hintergründe spielen dann im Gesamtbild eine Rolle.

    Wegemann: Sie haben mir jetzt ein paar Stichworte gegeben: Casting und Inszenierung: Wenn man "Mein erstes Auto war rot" betrachtet, die Geschichte des kleinen Jungen, der von seinem Großvater ein Tretauto geschenkt bekommt, es mit ihm zusammen repariert und dann mit dem kleinen Bruder eine abenteuerliche Spritztour erlebt. Wenn man sich hier die Szenarien und Perspektiven, Bewegung und Tempo der Figuren anschaut -- da möchte man mutmaßen, dass die Filmkunst Sie stark beeinflusst?

    Schössow: Ja. Ich hab mich sehr viel mit Filmkunst beschäftigt. Auch solche Klassiker gelesen - 'Wie haben Sie das gemacht, Mr Hitchcock?' Von Truffaut - und dann auch die frühen Disneyfilme, das hat mich schon fasziniert, gerade was die Vermittlung von Stimmungen angeht. Und das versuche ich eben für mich im Kleinen in den Bilderbüchern herzustellen.

    Wegemann: Würden Sie sagen, das der Film als Filmkunst Sie mehr beeinflusst als die bildende Kunst?

    Schössow: Nein, letztlich arbeite ich ja mit stehenden Bildern. Und ich arbeite mittlerweile nur für Bücher. Ich muss mich darauf beschränken, den Kern zu zeigen. Bestimmte Sachen muss ich weglassen, weil der Platz nicht da ist. Ich würde sagen, Filmkunst und bildende Kunst halten sich die Waage.

    Wegemann: Um das Jahr 2001 herum - in Bilderbüchern gesprochen: so zwischen "Gehört das so?" und dem Goethe-Buch - verändern Sie Ihre Arbeitsweise.
    Sie gehen weg vom Zeichenbrett zum Computer. Wie kam es zu diesem Schritt und was bedeutet er für Ihre Arbeit?

    Schössow: Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt mit dem Computer zu arbeiten, Kollegen hatten mir das empfohlen, meine Schwester hatte damit angefangen. Es war auch so, dass in den Jahren um 2000 herum, als viele Agenturen mit Rechnern angefangen haben, dass bestimmte Materialien nicht mehr zu bekommen waren. Es gab nicht mehr den Reinzeichenkarton, den ich gern benutzte, weil er strapazierfähig war, bestimmte Farben wurden nicht mehr hergestellt. Und da dachte ich, dann fang ich jetzt mal damit an und probier mal aus, wie das geht.
    Ich hab mich dann drei Monate hingesetzt und hab unter Qualen und Tränen [lacht] mir das ein bisschen angeeignet. Im Grunde mach ich mit dem Computer nichts anderes als mit dem Papier. Ich mache Skizzen, sitz da mit einem Tablet und einem Stift, zeichne, mit dem Stift kann man auch malen oder wie mit einer Spritzpistole spritzen. Und um das Ganze nicht so technisch aussehen zu lassen, kann man das mit Strukturen und Mustern auflockern. Und man hat den Vorteil, dass man leichter korrigieren kann. Also, das ich früher, wenn ich mich vertan hatte noch mal von vorne anfangen musste, das ist da leichter zu korrigieren. Andererseits durch die vielen Möglichkeiten, die man hat, kann man so viel probieren, dass das nicht immer eine Erleichterung ist, sondern vor allem die Möglichkeit unter Vielem auszuwählen. Und letztlich ist es wie bei allen Dingen: Man muss Entscheidungen treffen. Das bleibt einem nicht erspart.

    Wegemann: Es beschleunigt nicht unbedingt die Arbeitsweise?

    Schössow: Das kann ich nicht unbedingt sagen.

    Wegemann: Was sagen Sie zu dem hin und wieder geäußerten Vorwurf, Computerbilder seien kühler, kälter, fast seelenloser als gemalte?

    Schössow: Ja, das musste ich mir lange anhören. Es ging schon los, dass es hieß, wenn ich am Computer arbeite, gibt es ja keine Originale mehr. Nur nach den Originalen kräht kein Hahn. Ich mache Vorlagen für Bücher und dafür ist dieses Medium wunderbar geeignet. Man muss die Bilder nicht erst fotografieren und dann bearbeiten, bis sie die Farben treffen, die man eigentlich gemeint hat, sondern die Bilder kommen so, wie ich sie auch sehe auf dem Bildschirm. Dass das zum Teil kühler auf manche wirkt, das kann vorkommen. Damit muss ich dann eben leben. Also letztlich mache ich solange daran rum, dass es mir nicht kühler erscheint als Dinge, die ich auf Papier gemacht habe.

    Wegemann: Über zehn Jahre liegt das nun zurück. Was hat sich in den zehn Jahren verändert?

    Schössow: Das ist ein lebenslanges Lernen. Man tüftelt, man probiert, man probiert was Neues aus. Ich bin jetzt gerade am Überlegen, ob ich mal wieder auf Papier arbeite.
    Das wird sich noch ewig hinzuziehen, solange ich kann.

    Wegemann: Der Hamburger Bilderbuchkünstler Peter Schössow ist heute Gast im Büchermarkt.

    Ute Wegemann:
    Palmström hat nicht Speck im Haus
    Dahingegen eine Maus
    Korf, bewegt von seinem Jammer
    Baut ihm eine Gitterkammer
    Und mit einer Geige fein
    Setzt er seinen Freund hinein.
    Nachts ist's und die Sterne funkeln.
    Palmström musiziert im Dunkeln.
    Und derweil er konzertiert
    Kommt die Maus hereinspaziert.
    Hinter ihr, geheimerweise
    Fällt die Pforte leicht und leise.


    So beginnt das Gedicht "Die Mausefalle" von Christian Morgenstern. Kein erklärter Kindertext. Korf hilft seinem Freund Palmström auf kreative Weise, eine Maus aus dem Haus zu locken. Bei Ihnen, Peter Schössow, sind das ein Praline essendes Mausemädchen im orangefarbenen Rundrock mit weißer Bluse und ein ziemlich rundlicher Palmström, der mit einem Mickymausohrenhut im Gitterkäfig sitzt, während Korf als Baum getarnt, die Tür verschließt.

    Das ist heiter, das sind Bilder, die den Text auch für Kinder lesbar machen. Wie schnell wissen Sie, ob ein Text für Kinder funktioniert?

    Schössow: "Die Mausefalle" hatte ich 20 Jahre im Kopf. Ich hab mehrere Anläufe gemacht, das Gedicht zu illustrieren. Und irgendwann habe ich gedacht, jetzt muss ich das aus dem Kopf bekommen, jetzt muss ich mich mal hinsetzen, und das illustrieren. Dann hab ich wieder angefangen, neue Figuren zu entwerfen und so nach und nach entstand dann alles drumherum.

    Wegemann: Das neue Bilderbuch: "Der arme Peter" von Heinrich Heine, da könnte man drüber sprechen, ob das ein Kindertext ist.

    Der Hans und die Grete tanzen herum
    Und jauchzen vor lauter Freude
    Der Peter steht so still und stumm
    Und ist so blass wie Kreide


    Eine große Melancholie, eine tragische Liebe, erzählt aus der Perspektive des unglücklichen Peter, der die Angebetete mit dem anderen sieht:
    küssend, tanzend, heiratend.
    Ein Gedicht aus dem Jahr 1827, oft vertont. Ihre Geschichte hat zu dem Zeitpunkt, wo Heines Gedicht auf der Bühne beginnt, schon längst angefangen: Auf fünf Doppelseiten und einem Innentitelbild mit einem Mädchen stellen Sie den Bezug zum Hier und Jetzt her, führen uns ins Theater und lassen uns hinter die Kulissen des Theaters schauen. Wir erleben die Kinder und Jugendlichen als Zuschauer, wir erleben die jugendlichen Darsteller, die sich auf ihre Rollen vorbereiten und wir erleben die Figuren auf der Bühne. Eine Hommage ans Theater. Eine Geschichte vom Verlieben, vom Dramatisieren, von der Einsamkeit des unglücklichen Dritten. ... Was hat Sie fasziniert?

    Schössow: Das der Text so ironisch auch ist. Zunächst ist es auch ein Gedicht gewesen, das mir jahrelang im Kopf hing und ich wusste nicht, wie man das für Kinder erzählen könnte. Irgendwann mal kam mir am frühen Morgen beim Aufwachen die Idee, wenn man das umsetzt als Theaterstück, von Kindern für Kinder gespielt, dann kann man das vielleicht als Bilderbuch machen. Was Heine da erzählt, sind Erfahrungen, die ich auch schon aus meiner frühsten Kindheit kenne: Verliebt sein und stehengelassen werden, weil sich das geliebte Wesen, das Mädchen, für jemand anderen interessiert. Oder das ging auch mit Freunden so, sitzen gelassen werden, ich glaube, dass das Kinder nachvollziehen können. Und Heine hat eben eine Art das zu erzählen, dass das nicht unbedingt nur traurig ist, sondern man sich auch amüsieren kann, wenn man sich selber nicht so ernst nimmt und sich mit einem gewisssen Abstand betrachtet, wie man vor Kummer fast zugrunde gegangen ist.

    Wegemann: Immer wieder lenken Sie den Blick ins Publikum, zeigen die emotionalen Aufs und Abs, den Spannungsbogen, der sich in den Gesichtern der Zuschauer spiegelt. Eine gute Geschichte, glaubwürdig dargebracht verzaubert Menschen allen Alters. Da ist es gerade mal egal, wie alt der Text oder wie alt das Publikum ist.
    Hier - wie in vielen anderen Büchern findet man aber auch eine Reihe von Bildzitaten: Caspard David Friedrich in den Bühnenbildern, Balthuis - Das ist ja nicht unbedingt auf den direkten Blick zu erkennen, zumindest nicht für Kinder. Ist das so etwas wie ein persönliches Vergnügen, mit diesen Elementen zu spielen?

    Schössow: Ja, das macht mir wirklich viel Spaß. Und zum Publikum, dass man das sieht.
    Man wird ja selber zum Betrachter von Betrachtern, die betrachten, was auf der Bühne passiert. Und dann sieht man auch noch, was vorher und nachher passiert.

    Wegemann: Genau, das ist wichtig zu erwähnen. Nach dem Spiel geht das Spiel des Lebens ja weiter. Auf der Straße, im Park und da sieht man die ganzen Figuren aus dem Publikum. Und man sieht auch alles, was auf der Bühne dargebracht wurde: Das Sehnen, das Hoffen, das Lieben, das Suchen. Das Miteinander kann man eigentlich sagen, oder?

    Schössow: Ja, man sieht dabei nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Darsteller. Vor und nach dem Theater.

    Wegemann: 48 Seiten, großformatige Bildtafeln - wie lange arbeiten Sie an einem solchen Buch?

    Schössow: Na, das waren zehn Monate. Wenn ich mich auf so was einlasse, dann vergesse ich auch oft die Zeit. Es waren bestimmt 3500 Stunden, die ich mich damit beschäftigt habe. 14 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Ich bin dann so drin in so einem Projekt, dass ich mir sage: Ist jetzt auch egal, wie lange das dauert, das muss ich jetzt einfach weitermachen.

    Wegemann: Und danach kommt das große schwarze Loch?

    Schössow: Ja, das lässt sich nicht vermeiden, weil man ja in den zehn Monaten jeden Morgen wusste, was man am Tag zu tun hatte. Und wenn das dann weg ist, dann muss man gucken, was man aus dem Tag macht.

    Wegemann: Jetzt haben wir über alles gesprochen: über Farben, über Arbeitsweisen, über Geschichten und Vorbilder, über Gene. Aber nicht über Humor.
    Der darf aber nicht unerwähnt bleiben.
    Er liegt bei Peter Schössow im Detail, verborgen im Kleinen:
    Palmströms Hut mit Mickymausohren und das LKW fahrende Pferd, die erfundenen, den Situationen angepassten Verkehrsschilder mit Warnungen vor Schweinen und Bienen in "Mein erstes Auto war rot".
    Die wundervollen schwarz-weißen Kapiteltafeln in den drei "Rico-Oskar-Bänden", zum Beispiel Rico und Oaskar vor dem Fernseher beim Müffelchen essen.
    Und in "Der arme Peter" die Schauspieler in den Schafkostümen.
    Lakonisch könnte man sagen. Peter Schössow. Oder ist es hanseatisch?

    Schössow: Weiß ich nicht. Das ist mein Ding. Mir machte das Spaß, sowas unterzubringen, und ich hoffe darauf, dass es auch anderen Spaß macht, so etwas zu entdecken.

    Wegemann: Sie haben dem letzten Bilderbuch ein Heine-Gedicht voranstellt, Peter Schössow, das will ich zitieren:

    Anfangs wollt ich fast verzagen,
    und ich glaubt, ich trüg es nie.
    Und ich hab es doch getragen,
    aber fragt mich nur nicht wie.


    Darunter steht von Peter Schössow:

    Kenn ich.

    Eins kann man mit Sicherheit festhalten:
    Peter Schössow sagt Wesentliches in zwei Worten.
    Er muss ja auch nicht viel sagen, schließlich soll er viel zeichnen, wir freuen uns auf jeden Fall, Peter Schössow, auf das nächste Bilderbuch.
    "Gehört das so?" endet übrigens mit den Schössow-Worten: Schön war's.
    In diesem Sinne, danke für das Gespräch, Peter Schössow.

    Wir sprachen heute über:
    Ich, Kater Robinson, von Harry Rowohlt, 48 Seiten
    Meeres Stille und Glückliche Fahrt, von Johann Wolfgang von Goethe, 24 Seiten
    Die Mausefalle, von Christian Morgenstern, 48 Seiten
    Die Prinzessin, ein Text von Arnold Schönberg, 32 Seiten
    Gehört das so?? Die Geschichte von Elvis, 32 Seiten
    Mein erstes Auto war rot, und Baby Dronte, beide 48 Seiten, diese drei letzten Bücher von Peter Schössow selbst
    Der arme Peter, von Heinrich Heine, 48 Seiten
    Alle genannten Bücher sind im Hanser Verlag erschienen.
    Rico, Oskar und die Tieferschatten, und die beiden Folgebände von Andreas Steinhöfel mit Bildern von Peter Schössow, erschienen im Carlsen Verlag

    Alle bibliografischen Angaben finden Sie im Internet unter www.dradio.de/literatur.
    Das war der Büchermarkt mit dem Bilderbuchkünstler Peter Schössow.
    Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ute Wegmann.

    Alle weiteren bibliografischen Angaben finden Sie im Internet unter www.dradio.de/literatur. Dort kann man die Sendung auch noch einmal anhören.
    Danke für Ihr Interesse. Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ute Wegmann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.