Klaus Remme: Vor neun Jahren begründete der damalige Bundespräsident Roman Herzog mit seiner ersten "Berliner Rede" eine Tradition. Er sprach seinerzeit von einem Ruck, der durch das Land gehen müsse. Manche vermissen diesen Ruck noch heute. Horst Köhler wird in einer guten Stunde seine erste "Berliner Rede" halten. Sein Thema ist die Bildungspolitik. Passend dazu spricht Köhler in einer Schule, genauer in der Keppler-Oberschule im Berliner Problembezirk Neukölln. Dort wohnen überdurchschnittlich viele Arbeitslose und Migranten. Fast jeder dritte Schüler an der Schule ist Ausländer. - Am Telefon ist Klaus Thören. Er leitet die Fritz-Henkel-Hauptschule in Düsseldorf. Gleichzeitig ist er Sprecher der Hauptschulleiter in der Landeshauptstadt. Guten Tag Herr Thören!
Klaus Thören: Guten Tag Herr Remme!
Remme: Herr Thören, wenn Politiker über Bildungschancen reden, dann sind das oft hehre Worte und die "Berliner Reden" eines Bundespräsidenten sind manches Jahr auch schon folgenlos verhallt. Befürchten Sie eine Sonntagsrede?
Thören: Bei diesem Bundespräsidenten befürchte ich das eigentlich nicht, weil der auch nachhaltig arbeitet und immer wieder auf Probleme aufmerksam macht. Insofern denke ich mal, dass Herr Köhler, weil er gerade die Hauptschule gewählt hat, im Bildungssystem auch den Punkt sich herausgesucht hat, auf den es besonders ankommt.
Remme: Der Schauplatz der Rede ist sicher kein Zufall. Die Bilder und Berichte aus verschiedenen Hauptschulen, nicht nur der Rütli-Schule, sind noch in Erinnerung, aber sie sind aus den Schlagzeilen verschwunden. Hat sich was getan?
Thören: Das kann ich jetzt natürlich hier nur für Nordrhein-Westfalen sagen. In Nordrhein-Westfalen hat sich im Hauptschulbereich mit Sicherheit etwas getan. Da gibt es zunächst die Qualitätskontrollen der einzelnen Schulen. Es sollen bis 2009, 2010 alle Schulen einer Qualitätskontrolle unterlegen sein. Wir haben das jetzt gerade in den letzten Tagen hinter uns und können jetzt genau gucken, wo wir weiter arbeiten müssen und wo nicht.
Dann denke ich mal hat die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen sich die Hauptschulen ja besonders vorgeknöpft und hat mehr Lehrer eingestellt für den Hauptschulbereich in sozialen Brennpunkten, wo Hauptschulen sich befinden. Die bekommen zusätzliche Lehrer nach einem bestimmten Schlüssel.
In Nordrhein-Westfalen sind vor allen Dingen im Hauptschulbereich jetzt eine ganze Reihe Ganztagsschulen eingeführt worden. Davon profitieren wir auch. Wir sind also seit dem Schuljahresbeginn Ganztagsschule mit dem entsprechenden Lehreranteil von Jahrgang zu Jahrgang. Das wird jetzt aufgebaut hier bei uns.
Remme: Ihre Schule ist in Düsseldorf in einer Art sozialem Brennpunkt. Das Schuljahr ist ja noch relativ jung. Wissen Sie, wie viele Ihrer Schulabgänger im vergangenen Schuljahr einen Ausbildungsplatz bekommen haben?
Thören: Ich sage mal, wie es die Jahre davor war. Wir haben hier eine enge Kooperation mit der Berufsberatung und vielen Betrieben und wir haben es immer geschafft, dass alle Schüler, die wollen - das muss ich dazu sagen - und die vermittelbar sind, irgendwo untergekommen sind. Im vorigen Jahr haben wir das erste Mal einige wenige Schüler, muss ich dazu sagen, nicht untergebracht. Leider war das so. Wir verlieren die ja so ein bisschen aus dem Blick. Ich hoffe, dass die in den letzten Monaten auch noch untergekommen sind.
Remme: Und wenn Sie sagen, sie sind irgendwo untergekommen, heißt das, sie sind auch auf weiteren schulischen Laufbahnen zwischengeparkt worden, oder heißt das eine Lehre?
Thören: Das heißt beides. Dieses Zwischenparken an den Schulen ist ja auch Gang und Gäbe geworden, wenn Sie so wollen. Daran nimmt auch ein großer Teil unserer Schüler teil. Das ist ja auch sinnvoll für Schüler, die von ihrem ganzen Habitus her können und wenn sie bestimmte Berufsvorstellungen haben. Das sind ja Berufskollegs, an die sie gehen. Dort können die sich weiterqualifizieren und können dann unter Umständen mit einem anderen Bildungsabschluss auch in andere Berufe hinein. So wie wir auch einen Zweig hier haben, der so genannte 10b-Zweig, der auch zur mittleren Reife führt. Diese Schüler haben mit Sicherheit auch etwas bessere Chancen.
Was ich mir für den gesamten Hauptschulbereich wünsche. Die Rütli-Schule ist sicherlich kein Beispiel für Hauptschulen, mit Sicherheit nicht. Da wird etwas hochgepuscht und übertragen auf andere Schulen. Da wird vom Abschaffen der Schulform geredet. Das hilft den Menschen nicht, die hier sind. Was ich mir wünsche ist mehr Anerkennung im öffentlichen Bereich, in der Öffentlichkeit für die Hauptschulen und mehr Engagement für die Hauptschulen, von unseren Politikern als auch von der gesamten Gesellschaft.
Remme: Sagen Sie, Schulen wie die Rütli-Schule gibt es in Düsseldorf nicht?
Thören: Das möchte ich mit Fug und Recht behaupten. Ja, die gibt es hier nicht. So jedenfalls nicht. Ich will gar nichts über die Rütli-Schule sagen. Das steht mir auch nicht zu, weil ich das nicht kenne. Ich will nur sagen, dass wir hier in Düsseldorf auch unterstützt von der Stadt Düsseldorf Projekte laufen haben im Bereich Gewaltprävention und so weiter. Wir hatten ja wie gesagt jetzt diese Schulinspektion hier und die haben uns bescheinigt, dass wir ganz wenig Gewalt an der Schule haben. Das setzt aber voraus - Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche -, dass sie sich über einen langen Zeitraum und das permanent damit beschäftigen. Das heißt die Stadt Düsseldorf hat hier Sozialpädagogen eingesetzt und das Land tut jetzt Ähnliches, gerade in Hauptschulbereichen. Damit kann man natürlich schon eine ganze Menge machen.
Remme: Der Bundespräsident hält eine seiner wichtigsten Reden in einer Hauptschule. Sie unterrichten auch die Fächer Politik und Geschichte. Werden Sie die Rede im Unterricht aufgreifen?
Thören: Ich werde sie mir kommen lassen und werde sie mit Sicherheit im Unterricht aufgreifen.
Remme: Und wie groß ist das Interesse an Themen wie diesem?
Thören: Das ist natürlich durchwachsen. Man muss sie erst dazu hinführen, dass sie politisch interessiert werden. Ich mache das zum Beispiel in meinem Unterricht - und das machen die Kollegen hier auch - über Zeitungsprojekte. Die lesen jeden Tag Zeitungen und verarbeiten das entsprechend. Wir machen es so, dass wir am Beginn des Unterrichts kurz über neueste Nachrichten reden, was sie im Fernsehen gesehen haben und so weiter. Wir versuchen schon, das Politische mit dem Geschichtlichen zu verbinden.
Remme: Klaus Thören war das, der Leiter der Fritz-Henkel-Hauptschule in Düsseldorf. Herr Thören, ich bedanke mich für das Gespräch. Auf Wiederhören!
Klaus Thören: Guten Tag Herr Remme!
Remme: Herr Thören, wenn Politiker über Bildungschancen reden, dann sind das oft hehre Worte und die "Berliner Reden" eines Bundespräsidenten sind manches Jahr auch schon folgenlos verhallt. Befürchten Sie eine Sonntagsrede?
Thören: Bei diesem Bundespräsidenten befürchte ich das eigentlich nicht, weil der auch nachhaltig arbeitet und immer wieder auf Probleme aufmerksam macht. Insofern denke ich mal, dass Herr Köhler, weil er gerade die Hauptschule gewählt hat, im Bildungssystem auch den Punkt sich herausgesucht hat, auf den es besonders ankommt.
Remme: Der Schauplatz der Rede ist sicher kein Zufall. Die Bilder und Berichte aus verschiedenen Hauptschulen, nicht nur der Rütli-Schule, sind noch in Erinnerung, aber sie sind aus den Schlagzeilen verschwunden. Hat sich was getan?
Thören: Das kann ich jetzt natürlich hier nur für Nordrhein-Westfalen sagen. In Nordrhein-Westfalen hat sich im Hauptschulbereich mit Sicherheit etwas getan. Da gibt es zunächst die Qualitätskontrollen der einzelnen Schulen. Es sollen bis 2009, 2010 alle Schulen einer Qualitätskontrolle unterlegen sein. Wir haben das jetzt gerade in den letzten Tagen hinter uns und können jetzt genau gucken, wo wir weiter arbeiten müssen und wo nicht.
Dann denke ich mal hat die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen sich die Hauptschulen ja besonders vorgeknöpft und hat mehr Lehrer eingestellt für den Hauptschulbereich in sozialen Brennpunkten, wo Hauptschulen sich befinden. Die bekommen zusätzliche Lehrer nach einem bestimmten Schlüssel.
In Nordrhein-Westfalen sind vor allen Dingen im Hauptschulbereich jetzt eine ganze Reihe Ganztagsschulen eingeführt worden. Davon profitieren wir auch. Wir sind also seit dem Schuljahresbeginn Ganztagsschule mit dem entsprechenden Lehreranteil von Jahrgang zu Jahrgang. Das wird jetzt aufgebaut hier bei uns.
Remme: Ihre Schule ist in Düsseldorf in einer Art sozialem Brennpunkt. Das Schuljahr ist ja noch relativ jung. Wissen Sie, wie viele Ihrer Schulabgänger im vergangenen Schuljahr einen Ausbildungsplatz bekommen haben?
Thören: Ich sage mal, wie es die Jahre davor war. Wir haben hier eine enge Kooperation mit der Berufsberatung und vielen Betrieben und wir haben es immer geschafft, dass alle Schüler, die wollen - das muss ich dazu sagen - und die vermittelbar sind, irgendwo untergekommen sind. Im vorigen Jahr haben wir das erste Mal einige wenige Schüler, muss ich dazu sagen, nicht untergebracht. Leider war das so. Wir verlieren die ja so ein bisschen aus dem Blick. Ich hoffe, dass die in den letzten Monaten auch noch untergekommen sind.
Remme: Und wenn Sie sagen, sie sind irgendwo untergekommen, heißt das, sie sind auch auf weiteren schulischen Laufbahnen zwischengeparkt worden, oder heißt das eine Lehre?
Thören: Das heißt beides. Dieses Zwischenparken an den Schulen ist ja auch Gang und Gäbe geworden, wenn Sie so wollen. Daran nimmt auch ein großer Teil unserer Schüler teil. Das ist ja auch sinnvoll für Schüler, die von ihrem ganzen Habitus her können und wenn sie bestimmte Berufsvorstellungen haben. Das sind ja Berufskollegs, an die sie gehen. Dort können die sich weiterqualifizieren und können dann unter Umständen mit einem anderen Bildungsabschluss auch in andere Berufe hinein. So wie wir auch einen Zweig hier haben, der so genannte 10b-Zweig, der auch zur mittleren Reife führt. Diese Schüler haben mit Sicherheit auch etwas bessere Chancen.
Was ich mir für den gesamten Hauptschulbereich wünsche. Die Rütli-Schule ist sicherlich kein Beispiel für Hauptschulen, mit Sicherheit nicht. Da wird etwas hochgepuscht und übertragen auf andere Schulen. Da wird vom Abschaffen der Schulform geredet. Das hilft den Menschen nicht, die hier sind. Was ich mir wünsche ist mehr Anerkennung im öffentlichen Bereich, in der Öffentlichkeit für die Hauptschulen und mehr Engagement für die Hauptschulen, von unseren Politikern als auch von der gesamten Gesellschaft.
Remme: Sagen Sie, Schulen wie die Rütli-Schule gibt es in Düsseldorf nicht?
Thören: Das möchte ich mit Fug und Recht behaupten. Ja, die gibt es hier nicht. So jedenfalls nicht. Ich will gar nichts über die Rütli-Schule sagen. Das steht mir auch nicht zu, weil ich das nicht kenne. Ich will nur sagen, dass wir hier in Düsseldorf auch unterstützt von der Stadt Düsseldorf Projekte laufen haben im Bereich Gewaltprävention und so weiter. Wir hatten ja wie gesagt jetzt diese Schulinspektion hier und die haben uns bescheinigt, dass wir ganz wenig Gewalt an der Schule haben. Das setzt aber voraus - Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche -, dass sie sich über einen langen Zeitraum und das permanent damit beschäftigen. Das heißt die Stadt Düsseldorf hat hier Sozialpädagogen eingesetzt und das Land tut jetzt Ähnliches, gerade in Hauptschulbereichen. Damit kann man natürlich schon eine ganze Menge machen.
Remme: Der Bundespräsident hält eine seiner wichtigsten Reden in einer Hauptschule. Sie unterrichten auch die Fächer Politik und Geschichte. Werden Sie die Rede im Unterricht aufgreifen?
Thören: Ich werde sie mir kommen lassen und werde sie mit Sicherheit im Unterricht aufgreifen.
Remme: Und wie groß ist das Interesse an Themen wie diesem?
Thören: Das ist natürlich durchwachsen. Man muss sie erst dazu hinführen, dass sie politisch interessiert werden. Ich mache das zum Beispiel in meinem Unterricht - und das machen die Kollegen hier auch - über Zeitungsprojekte. Die lesen jeden Tag Zeitungen und verarbeiten das entsprechend. Wir machen es so, dass wir am Beginn des Unterrichts kurz über neueste Nachrichten reden, was sie im Fernsehen gesehen haben und so weiter. Wir versuchen schon, das Politische mit dem Geschichtlichen zu verbinden.
Remme: Klaus Thören war das, der Leiter der Fritz-Henkel-Hauptschule in Düsseldorf. Herr Thören, ich bedanke mich für das Gespräch. Auf Wiederhören!