Hashtag-Bewegungen wie MeToo spalten - auch feministische Lager. „Identitätspolitik ist wichtig und richtig, aber wir kritisieren die Exzesse“, sagte Eva Berendsen im Dlf. Sie ist Co-Herausgeberin eines Sammelbandes, der sich als solidarische Kritik versteht.
Eva Berendsen im Corsogespräch mit Christoph Reimann | 31.05.2019
Das Themen-Alphabet reicht von Architektur, Bytes und Comics über Film und Mode bis Zukunftsmusik. Ohne Etiketten wie "U", "E", "Post" oder "Proto" analysiert und diskutiert das tagesaktuelle Magazin Phänomene der Gegenwartskultur. Corso ist alles andere als reine Nacherzählungsberichterstattung oder Terminjournalismus, der nur die Chronistenpflicht erfüllt. Das Popkulturmagazin dreht die Themen weiter, um Mehrwert und Neuigkeitswert zu bieten. Kulturschaffende sind regelmäßig zu Gast im Studio und stehen im Corsogespräch Rede und Antwort. "Corso - Kunst & Pop" spielt musikjournalistisch ausgewählte Songs, die aktuell sind und nationale sowie globale Trends abbilden. Denn Musik ist Information - und Popkultur ist ohne Popmusik nicht denkbar.
Die MeToo-Bewegung sei Fluch und Segen, sagte Eva Berendsen. (picture alliance / dpa / Henry Milleo)
In der Identitätspolitik gehe es nach dem Verständnis von Eva Berendsen um die kulturelle Anerkennung von gesellschaftlichen Minderheiten, von Personengruppen, die in der Vergangenheit und in der Gegenwart ausgegrenzt und diskriminiert würden. Berendsen ist einer der Herausgeberinnen des Sammelbandes "Trigger-Warnung. Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen".
Mit dem Sammelband wolle Berendsen eine solidarische Kritik an der Identitätspolitik üben. "Uns geht es darum zu sagen: Identitätspolitik ist wichtig und richtig, aber wir kritisieren die Exzesse." Wenn nur noch aus persönlicher Betroffenheit heraus agiert werde, so berendsen weiter, werde Politik unmöglich gemacht. "Auch die weißen Männer können sich gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus engagieren und sich für eine gerechtere Welt einsetzen."
#MeToo habe Grenzen verschwimmen lassen
Die MeToo-Bewegung bezeichnete Eva Berendsen einerseits als Bilderbuch-Feminismus, der Fluch und Segen zugleich sei. Unter demselben Hashtag seien Erzählungen von jahrelanger sexualisierter Gewalt als auch sexistische Cover von Männermagazinen gepostet wurden. Berendsen findet, dass beide Beispiele ihre Berechtigung hätten und diskussionswürdig seien. Gleichzeitig seien Grenzen jedoch verschwommen. Zur Debatte habe gestanden, wer das größte Sexismus-Opfer sei.
"Identitätspolitik nur als Symbolpolitik zu verstehen, ist eine Sackgasse", sagte Berendsen. Konstruktive Identitätspolitik müsse mit einem Kampf für eine gerechte und solidarische Gesellschaft verknüpft werden. Sonst laufe etwa Feminismus Gefahr, nur eine Pose zu sein.
Eva Berendsen u. a. (Hg.): "Trigger-Warnung: Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen" Verbrecher-Verlag, 270 Seiten, 18 Euro.
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