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Idylle mit braunen Flecken

Jacques Bompard konnte auch im Jahr 2001 wieder feiern: 60 Prozent der Bürger stimmten für den Politiker des Front National. Er spart Steuern und verschönert die Stadt. Die Kosten dafür tragen die Minderheiten. Bettina Kaps war in Orange.

    Eigentlich würde Anne Marie Hautant ihre Freizeit lieber mit den Kindern verbringen, ins Theater gehen oder ans Meer fahren. Doch dazu hat sie selten Zeit. Als die Bauingenieurin vor 5 Jahren nach Orange zog, fühlte sie sich moralisch verpflichtet, etwas gegen den rechtsextremen Bürgermeister Jacques Bompard zu unternehmen. Die 50-Jährige stellte mit einigen Freunden die Bürgerliste "Orange Autrement" auf. Ein Jahr später wurde sie als einzige Kandidatin der Liste in den Stadtrat von Orange gewählt.

    Anne Marie Hautant begreift nicht, warum sich die Bürger für dieses Stadtoberhaupt entschieden haben:

    "Niemand hatte ein Gewehr im Nacken, als er den Zettel in die Wahlurne warf. Die Leute haben Jacques Bompard freiwillig gewählt, sie haben eine bestimme Funktionsweise gewählt, ein System, das Gegner ablehnt und Hass stiftet. Das ist schlicht unerträglich. "

    Sie erlebt es am eigenen Leib: Bompard verunglimpft sie öffentlich als bedeutungslose Abgeordnete und hysterische Person. Er versucht, ihr im Stadtrat den Mund zu verbieten. Einmal ließ er die Oppositionspolitikerin sogar von der städtischen Polizei aus der Sitzung werfen.

    Wer sich dem Bürgermeister nicht in den Weg stellt, erlebt einen anderen Mann: Zum Beispiel donnerstags, wenn Bompard den Wochenmarkt besucht und mit den Bürgern auf Tuchfühlung geht. Da strahlt er väterliche Autorität aus, vermittelt ein Gefühl von Schutz und Sicherheit.

    "Wie ist es möglich, dass ich Sie nicht kenne?"

    "Das ist eine neue Einwohnerin, die Sie sehr mag. Und ich mag Sie auch. Unsere Stadt ist so sauber! Einfach wunderbar! Unvorstellbar, wie sich alles verändert hat, seitdem Sie im Amt sind. Wir können nur Danke sagen."

    Das Zentrum von Orange hat Bompard herausgeputzt: Die engen Straßen wurden mit hellem Kunststein gepflastert. Alle paar Meter plätschert ein Brunnen. Die Häuser leuchten in zartem Gelb, Rosa oder Hellblau. Stolz betont der Bürgermeister, dass er sogar die Renovierung der privaten Fassaden mitfinanziert habe.

    Am Stadtrand sieht es anders aus. Da leben die sozial Schwachen, Einwanderer und ihre Kinder. Die Siedlungen sind grau, steinern und staubig. Im Viertel La Tourre wohnen über 1.000 Menschen. Die Kinder spielen auf dem Parkplatz, weil es kein einziges Spielgerät mehr gibt. Der Sozialverein hat dicht gemacht. Für Menschen, die dort leben, mag Bompard kein Geld ausgeben.

    "Von unserer Philosophie her sind wir nicht scharf darauf. Die Sozialwohnungsbausiedlungen in Orange sind privat finanziert. Wenn wir diese Siedlungen bezuschussen würden, dann würden wir ja öffentliches Geld an private Gesellschaften geben. Das wäre nicht normal. In der Verfassung heißt es: Alle haben die gleichen Rechte. Aber das stimmt nicht mehr. Die Ausländer haben bei uns mehr Rechte als die Franzosen. Für mich gibt es aber nicht Bürger erster Klasse – die Muslime – und Bürger zweiter Klasse – die Nicht-Muslime."

    Kleine Schikanen machen das Leben für viele Einwandererfamilien unerträglich. Da ist zum Beispiel die Grundschule Albert Camus in Fourchevielle. Ein Gebäude sieht aus, als sei es noch nie renoviert worden. Die Farbe blättert ab, fehlende Bodenplatten wurden nicht ersetzt, eine schadhafte Zwischenwand wird notdürftig von Spanplatten zusammengehalten. Neuerdings wird mitten am Vormittag die Treppe geputzt. Doch was passiert, wenn es brennt und die nasse Treppe gesperrt ist? Der Schuldirektor ist verzweifelt:

    "Das wurde uns aufgezwungen, niemand hat uns vorher informiert. Die Regeln der Schulaufsichtsbehörde erlauben nicht, dass in Gegenwart der Schüler geputzt wird…"

    Die Putzfrauen haben Verständnis, doch ohne Zustimmung aus dem Rathaus dürfen sie ihren Arbeitsplan nicht ändern. An fast allen französischen Grundschulen bieten die Lehrer nach dem Unterricht noch Hausaufgabenbetreuung an, das Rathaus bezahlt sie dafür. Eine Hilfe, die vor allem sozial schwachen Familien zugute kommt. In Orange wurde diese Hilfe abgeschafft, das Geld dafür eingespart.