Wiesehügel: Legale Arbeit ist natürlich belastet durch die Sozialversicherungsposten, die da draufkommen. Das ist das System in diesem Land. Aber alle, die ja sich angestrengt hatten, um ein paar Überlegungen zu machen, wie man das ändern kann, sind ja kläglich gescheitert. Mit der Renten- und Gesundheitsreform bleibt es beim System, bleibt es bei der Belastung mit den Sozialversicherungskosten. Hier hat wohl weder die Regierung noch im Grunde auch die öffentliche Meinung den Mut, die nötigen Strukturveränderungen zu machen.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Sie wollten im Sozialbereich mehr Kürzungen, damit mehr Geld im Portemonnaie bleibt?
Wiesehügel: Nein, das mit den Kürzungen wird schon gemacht. Man macht es im Grunde so, dass man den Beitrag stabilisiert, um die Arbeitgeber - das ist das Ziel dieser Regierung - auf keinen Fall zu belasten. Dann wird im Grunde derjenige, der die Sozialleistungen braucht, geschmälert. Das heißt, die Kosten für die Gesundheit werden schließlich teurer; die sind ja jetzt sogar schon im inflationären Bereich, und in einigen Jahren haben wir nur noch Almosen, aber keine Rente mehr.
Müller: Sind die Lohnkosten zu hoch?
Wiesehügel: Nein, die Lohnkosten sind nicht zu hoch. Wenn wir uns das im internationalen Vergleich anschauen, dann haben wir in den letzten Jahren die niedrigsten Lohnabschlüsse gemacht, also rundum gab es höhere Lohnabschlüsse. Es ist nicht so, dass wir hier Löhne haben, die nicht den Wettbewerb aushalten würden, zum Beispiel mit unseren direkten Nachbarn. Wenn ich das natürlich mit der Ukraine oder mit Pakistan vergleiche, dann sind unsere Löhne erheblich höher, aber das wird ja schlecht tatsächlich möglich sein, denn ich muss ja die Preise - Mieten, Lebenshaltungskosten - hier rechnen und das den Löhnen gegenüberstellen, und ich sage Ihnen, dass viele Menschen am Monatsende keinen Pfennig mehr übrig haben.
Müller: Sie sagen also, die Preise sind grundsätzlich in Ordnung, sie sind adäquat, gerade auch sozusagen im westeuropäischen Kontext fokussiert. Warum dann dieses Blühen der Schattenwirtschaft?
Wiesehügel: Ja, das hat natürlich schon etwas damit zu tun, dass es, wie ich eben schon ausgeführt habe, wesentlich günstiger ist, jemanden zu beschäftigen, ohne die Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Wir haben aber nicht nur die Frage von Sozialversicherung, sondern wir haben auch noch die Frage von Löhnen, die sich zum Beispiel weit unterhalb der Mindestlöhne befinden, oder von Löhnen, die auch unterhalb der Tarifverträge sind. Keine Steuern, keine Sozialversicherung plus Dumping-Löhne, das gibt Riesengewinne, das macht es so interessant und ruft mafiose Strukturen auf den Plan, die uns Arbeitnehmer in dieses Land überwiegend aus Osteuropa hineinschleusen, die in einer Größenordnung von 300.000 zum Beispiel auf den Baustellen arbeiten, dort legale Arbeitsplätze vernichten, die wir dann also zusätzlich wieder finanzieren müssen. Das belastet das Land außerordentlich.
Müller: Warum sind untertarifliche Verträge schlechter als Schwarzarbeit?
Wiesehügel: Weil diese in der Dimension überhaupt nicht mithalten können. Wir haben eine Differenz zum Beispiel von der Ukraine - da gibt es einen durchschnittlichen Lohn von 93 Euro im Monat und 2.000, 2.200 in Deutschland -, das ist eine so riesige Differenz, dass auch die untertariflichen Löhne, die dann vielleicht 2.000 oder noch weniger bedeuten würden, ganz einfach nicht konkurrenzfähig sind. Aber ich kann auch nicht verlangen, dass irgendjemand in Deutschland jetzt für 100 oder 200 Euro im Monat arbeitet, weil er davon nicht einmal seine Miete bezahlen kann. Das ist das Problem, und das treibt natürlich die Illegalität nach vorne. Davor muss man sich als Staat schützen. Dafür muss man ein entsprechendes Gesetz machen. Leider ist das Gesetz, was jetzt vorliegt, wohl nicht geeignet, das ernsthaft zu bekämpfen.
Müller: Sie sagen, nicht geeignet. Welche Punkte stimmen nicht?
Wiesehügel: Man hat jetzt unter dem Druck der Öffentlichkeit - also wo jeder schon den Zoll, schwer bewaffnet, in seinem Haushalt nach Babysitter und Putzfrauen spüren sah - und auch einiger großen neoliberalen Tendenzen, die wir auch in den Fraktionen von Grüne und SPD haben, Begriffe eingefügt, die es dem Zoll schwierig machen werden, es wirklich zu verfolgen. Da heißt es zum Beispiel, es ist keine Schwarzarbeit, wenn nicht nachhaltige Gewinnerzielung verfolgt wird. Was ist denn "nicht nachhaltige Gewinnerzielung"? Das sind solche Begriffe.
Müller: Unter Nachbarschaftshilfe beispielsweise steht das.
Wiesehügel: Ja, aber Nachbarschaftshilfe ist nicht der entscheidende Begriff. Der entscheidende Begriff - das werden wir in der Praxis erleben - heißt "nicht nachhaltige Gewinnerzielung". Das müssen Sie erst mal jemandem nachweisen, dass er nachhaltige Gewinnerzielung macht. Wenn Sie einmalig eine Million verdienen und das dann im nächsten Jahr nicht mehr, dann ist das nicht nachhaltig. Zumindest ist es juristisch durchaus so auslegungsfähig. Dann heißt es, es ist keine Ordnungswidrigkeit, wenn Schwarzarbeit nicht in erheblichem Umfang erbracht wird. Auch erheblicher Umfang, das ist wieder so ein dehnbarer Begriff. Also leider Gottes macht diese Regierung ständig Gesetze, über die wir uns nachher alle ärgern müssen, weil sie nicht genau und eindeutig sind und weil die Auslegungsbereiche schwieriger werden als vorher.
Müller: Verraten Sie uns doch mal, was man tun sollte.
Wiesehügel: Wir haben ein grundsätzliches Gesetz aus dem Hause Eichel gehabt, und da ist ja vorhin in Ihrem Vorspann gesagt worden, er hätte sich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich sehe das genau andersrum. Das Gesetz, was Hans Eichel in seinem Ministerium gemacht hat, war gut. Nur es gibt natürlich einige Besserverdienende in diesem Land, die natürlich ihre schwarz beschäftigte Putzfrau und ihren schwarz beschäftigten Rasenmäher, Nachbarn und was weiß ich noch alle beschäftigen. Die kriegten natürlich auf einmal Panik und sagten, jetzt kommt jemand kontrollieren, ich habe mich da sehr schön eingerichtet, und sie haben Druck auf die Regierung ausgeübt. Das ist das Problem, dass diese Regierung nur noch Gesetze macht mit dem Fokus auf diejenigen, die besser verdienen. Leute, die nicht so viel Geld haben, die in der Öffentlichkeit ständig einer "deren Lohn sollte man auch sinken" Diskussion unterliegen, können sich überhaupt keine Schwarzarbeit zu Hause leisten. Sie haben keine Putzhilfe und auch keinen Babysitter. Sie müssen das schön immer alles alleine machen.
Müller: Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Sie wollten im Sozialbereich mehr Kürzungen, damit mehr Geld im Portemonnaie bleibt?
Wiesehügel: Nein, das mit den Kürzungen wird schon gemacht. Man macht es im Grunde so, dass man den Beitrag stabilisiert, um die Arbeitgeber - das ist das Ziel dieser Regierung - auf keinen Fall zu belasten. Dann wird im Grunde derjenige, der die Sozialleistungen braucht, geschmälert. Das heißt, die Kosten für die Gesundheit werden schließlich teurer; die sind ja jetzt sogar schon im inflationären Bereich, und in einigen Jahren haben wir nur noch Almosen, aber keine Rente mehr.
Müller: Sind die Lohnkosten zu hoch?
Wiesehügel: Nein, die Lohnkosten sind nicht zu hoch. Wenn wir uns das im internationalen Vergleich anschauen, dann haben wir in den letzten Jahren die niedrigsten Lohnabschlüsse gemacht, also rundum gab es höhere Lohnabschlüsse. Es ist nicht so, dass wir hier Löhne haben, die nicht den Wettbewerb aushalten würden, zum Beispiel mit unseren direkten Nachbarn. Wenn ich das natürlich mit der Ukraine oder mit Pakistan vergleiche, dann sind unsere Löhne erheblich höher, aber das wird ja schlecht tatsächlich möglich sein, denn ich muss ja die Preise - Mieten, Lebenshaltungskosten - hier rechnen und das den Löhnen gegenüberstellen, und ich sage Ihnen, dass viele Menschen am Monatsende keinen Pfennig mehr übrig haben.
Müller: Sie sagen also, die Preise sind grundsätzlich in Ordnung, sie sind adäquat, gerade auch sozusagen im westeuropäischen Kontext fokussiert. Warum dann dieses Blühen der Schattenwirtschaft?
Wiesehügel: Ja, das hat natürlich schon etwas damit zu tun, dass es, wie ich eben schon ausgeführt habe, wesentlich günstiger ist, jemanden zu beschäftigen, ohne die Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Wir haben aber nicht nur die Frage von Sozialversicherung, sondern wir haben auch noch die Frage von Löhnen, die sich zum Beispiel weit unterhalb der Mindestlöhne befinden, oder von Löhnen, die auch unterhalb der Tarifverträge sind. Keine Steuern, keine Sozialversicherung plus Dumping-Löhne, das gibt Riesengewinne, das macht es so interessant und ruft mafiose Strukturen auf den Plan, die uns Arbeitnehmer in dieses Land überwiegend aus Osteuropa hineinschleusen, die in einer Größenordnung von 300.000 zum Beispiel auf den Baustellen arbeiten, dort legale Arbeitsplätze vernichten, die wir dann also zusätzlich wieder finanzieren müssen. Das belastet das Land außerordentlich.
Müller: Warum sind untertarifliche Verträge schlechter als Schwarzarbeit?
Wiesehügel: Weil diese in der Dimension überhaupt nicht mithalten können. Wir haben eine Differenz zum Beispiel von der Ukraine - da gibt es einen durchschnittlichen Lohn von 93 Euro im Monat und 2.000, 2.200 in Deutschland -, das ist eine so riesige Differenz, dass auch die untertariflichen Löhne, die dann vielleicht 2.000 oder noch weniger bedeuten würden, ganz einfach nicht konkurrenzfähig sind. Aber ich kann auch nicht verlangen, dass irgendjemand in Deutschland jetzt für 100 oder 200 Euro im Monat arbeitet, weil er davon nicht einmal seine Miete bezahlen kann. Das ist das Problem, und das treibt natürlich die Illegalität nach vorne. Davor muss man sich als Staat schützen. Dafür muss man ein entsprechendes Gesetz machen. Leider ist das Gesetz, was jetzt vorliegt, wohl nicht geeignet, das ernsthaft zu bekämpfen.
Müller: Sie sagen, nicht geeignet. Welche Punkte stimmen nicht?
Wiesehügel: Man hat jetzt unter dem Druck der Öffentlichkeit - also wo jeder schon den Zoll, schwer bewaffnet, in seinem Haushalt nach Babysitter und Putzfrauen spüren sah - und auch einiger großen neoliberalen Tendenzen, die wir auch in den Fraktionen von Grüne und SPD haben, Begriffe eingefügt, die es dem Zoll schwierig machen werden, es wirklich zu verfolgen. Da heißt es zum Beispiel, es ist keine Schwarzarbeit, wenn nicht nachhaltige Gewinnerzielung verfolgt wird. Was ist denn "nicht nachhaltige Gewinnerzielung"? Das sind solche Begriffe.
Müller: Unter Nachbarschaftshilfe beispielsweise steht das.
Wiesehügel: Ja, aber Nachbarschaftshilfe ist nicht der entscheidende Begriff. Der entscheidende Begriff - das werden wir in der Praxis erleben - heißt "nicht nachhaltige Gewinnerzielung". Das müssen Sie erst mal jemandem nachweisen, dass er nachhaltige Gewinnerzielung macht. Wenn Sie einmalig eine Million verdienen und das dann im nächsten Jahr nicht mehr, dann ist das nicht nachhaltig. Zumindest ist es juristisch durchaus so auslegungsfähig. Dann heißt es, es ist keine Ordnungswidrigkeit, wenn Schwarzarbeit nicht in erheblichem Umfang erbracht wird. Auch erheblicher Umfang, das ist wieder so ein dehnbarer Begriff. Also leider Gottes macht diese Regierung ständig Gesetze, über die wir uns nachher alle ärgern müssen, weil sie nicht genau und eindeutig sind und weil die Auslegungsbereiche schwieriger werden als vorher.
Müller: Verraten Sie uns doch mal, was man tun sollte.
Wiesehügel: Wir haben ein grundsätzliches Gesetz aus dem Hause Eichel gehabt, und da ist ja vorhin in Ihrem Vorspann gesagt worden, er hätte sich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich sehe das genau andersrum. Das Gesetz, was Hans Eichel in seinem Ministerium gemacht hat, war gut. Nur es gibt natürlich einige Besserverdienende in diesem Land, die natürlich ihre schwarz beschäftigte Putzfrau und ihren schwarz beschäftigten Rasenmäher, Nachbarn und was weiß ich noch alle beschäftigen. Die kriegten natürlich auf einmal Panik und sagten, jetzt kommt jemand kontrollieren, ich habe mich da sehr schön eingerichtet, und sie haben Druck auf die Regierung ausgeübt. Das ist das Problem, dass diese Regierung nur noch Gesetze macht mit dem Fokus auf diejenigen, die besser verdienen. Leute, die nicht so viel Geld haben, die in der Öffentlichkeit ständig einer "deren Lohn sollte man auch sinken" Diskussion unterliegen, können sich überhaupt keine Schwarzarbeit zu Hause leisten. Sie haben keine Putzhilfe und auch keinen Babysitter. Sie müssen das schön immer alles alleine machen.
Müller: Vielen Dank für das Gespräch.