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IG BCE will kräftigen Schluck aus der Lohnpulle

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hält Tarifforderungen von bis zu 6,5 Prozent mehr Lohn für angemessen. Die Tariferhöhung müsse sich an der guten Produktivitätsentwicklung und der Preissteigerungsrate orientieren, sagte IG-BCE-Vorstandsmitglied Werner Bischoff. Das ergebe in einigen Bezirken Forderungen von 6,5 Prozent.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Der Bundesvorstand der IG Metall gibt heute seine Empfehlung ab, um wie viel Prozent mehr die Tarifkommission bei den anstehenden Tarifverhandlungen die Geldforderung ansetzen soll. Presseberichten zufolge verlangt die IG-Metall-Spitze 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Das wäre die mit Abstand höchste Forderung der vergangenen Jahre.

    Eine weitere dominante Branche für die Tariflandschaft ist die Chemie. Am Telefon begrüße ich nun Werner Bischoff. Er ist im Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und dort zuständig eben für die Tarifpolitik. Guten Morgen, Herr Bischoff!

    Werner Bischoff: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: 6,5 Prozent mehr Lohn. So etwas schwebt offenbar der IG Metall vor. Trauen Sie sich das für die Chemie auch zu?

    Bischoff: Wir wollen eine Tariferhöhung, die aufgrund der guten Produktivitätsentwicklung und der Preissteigerungsrate auch in diesem Jahr eine kräftige Entwicklung für die Beschäftigten bringt. Das wird in einigen Bezirken von uns auch mit 6,5 Prozent übersetzt.

    Engels: Aber zum Teil auch sogar noch mehr?

    Bischoff: Nein. Das ist von daher die höchste Marke, aber es ist natürlich schon eine sehr anspruchsvolle Forderung, und die gilt es jetzt durchzusetzen.

    Engels: Die Metaller haben angekündigt, in diesem Jahr vor allem auf mehr Geld zu setzen. Andere qualitative Forderungen früherer Jahre nach Gewinnbeteiligung oder Einmalzahlungen ständen nicht zur Debatte. Wie ist das bei Ihnen?

    Bischoff: Wir streben in erster Linie auch eine Erhöhung der Entgelte an und wollen darüber hinaus die Sicherung von Ausbildungsplätzen für die nächsten Jahre weiter fortschreiben. Wir haben ja einen Tarifvertrag in der Vergangenheit durchgesetzt, der die Ausbildungsplätze um sieben Prozent effektiv erhöht hat. Und hier wollen wir eine Regelung bis 2010 neben den Entgelterhöhungen durchsetzen.

    Engels: Kann man denn heutzutage noch mit Generalforderungen auftreten, oder muss man je nach Befindlichkeit des einzelnen Unternehmens flexibel sein, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden?

    Bischoff: Wir sind als IG BCE natürlich daran interessiert, immer auf die Fläche und auf den jeweiligen Betrieb bezogen unsere Tarifpolitik auszurichten, und wir haben ja dort, wo wir Schwierigkeiten haben, wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Möglichkeit, durch so genannte Öffnungsklauseln auch Betrieben zeitweise entgegenzukommen. Das wird genutzt, und das ist für uns die Sicherheit, dass der Flächentarifvertrag auch erhalten bleiben kann.

    Engels: Die Chemiebranche floriert ja derzeit. Sie haben es eben angedeutet. Das gilt auch für weite Teile der Metallbranche. Folglich sind Arbeitskräfte knapp und die zuständigen Gewerkschaften machtvoll. Sind Sie gemeinsam mit den Metallern nun Vorreiter für die gesamte Tariflandschaft?

    Bischoff: Es geht nicht darum, wer Vorreiter ist, sondern wir haben beide unsere Aufgaben, die IG Metall, die IG BCE, für ihre Mitglieder Entgelte zu erhöhen. Wir tun das jeder für sich in seiner Verantwortung und in seinem Organisationsbereich. Dass dies jetzt zeitlich so zusammenfällt, ist die Folge von Laufzeiten der Tarifverträge. Es geht nicht darum, hier irgendetwas Arm in Arm gemeinsam zu tun, sondern jeder für sich, aber sicherlich insgesamt mit der gleichen Zielsetzung, die Entgelte zu erhöhen.

    Engels: Jeder für sich, sagen Sie. Das klingt nicht gerade nach Solidarität. Gerade gestern hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung einen Überblick über die Tarifsteigerungen im vergangenen Jahr herausgebracht, und da kommt raus: Metall und Chemie haben Reallohnzuwächse, andere Branchen, wo es nicht so gut läuft, Handel oder Bau, haben eher Reallohnverluste erlitten. Wächst die Schere zwischen den einzelnen Branchen?

    Bischoff: Jeder muss natürlich seine Tarifpolitik daran orientieren, welche Effektivität und Produktivität in der jeweiligen Branche vorherrscht. Auch wir haben natürlich als IG BCE eine Fülle von Branchen zu bedienen, und deswegen muss auf jede Branche bezogen eine separate Tarifpolitik definiert werden. Das tun wir, das tun die Kollegen der IG Metall, das tun andere Kollegen. Und insofern gibt es eine große Kollegialität untereinander. Aber natürlich muss jeder seine speziellen Bedürfnisse auch in Form von Tarifverträgen durchsetzen.

    Engels: Das heißt, die starken Branchen werden Reallohnzuwächse erkämpfen, die schwachen Branchen müssen auf Mindestlohn setzen.

    Bischoff: Es wird nicht überall die gleichen Produktivitätsentwicklungen hinterher geben und geben können. Von daher wird es auch differenzierte Entgelterhöhungen geben. Das ist normal. Das hat es in der Vergangenheit gegeben, und das wird es auch in Zukunft geben.

    Engels: Die Arbeitgeber fürchten auch dieses Mal eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums, wenn auch Ihre Lohnforderungen zu hoch angesetzt sind. Das ist ein bekanntes Argument. Was entgegnen Sie in diesem Jahr?

    Bischoff: Das ist ein Ritual, was jedes Jahr von den Arbeitgebern wiederholt wird. Wir haben in der Vergangenheit immer verantwortlich unsere Tarifpolitik ausgerichtet. Wir haben immer nach einem Kompromiss gesucht, und deswegen ist diese Argumentation der Arbeitgeber auch voll zurückzuweisen.

    Engels: Bringt denn etwas die Unternehmenssteuerreform für Sie dahingehend, dass Sie in die Tarifverhandlungen einbringen können, dass ja die Unternehmen ab kommendem Jahr durch diese Reform entlastet werden sollen?

    Bischoff: Wir werden uns die Entwicklung dieser steuerpolitischen Maßnahmen anschauen, wenn sie in den Betrieben angekommen sind. Von daher werden wir das bei der nächsten Tarifrunde sicherlich zu berücksichtigen haben. Jetzt machen wir uns an der augenblicklichen Situation fest. Das erleben unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und das ist für uns jetzt die Marschrichtung für unsere Vorgehensweise.

    Engels: Ihre Einschätzung? Wird es eine harte Tarifrunde bis hin zum Streik, oder rechnen Sie doch mit zügigen Abschlüssen?

    Bischoff: Ich halte es bezogen auf die chemische Industrie für möglich, dass wir nach zwei Verhandlungen zu einem Ergebnis kommen. Das ändert nichts daran, dass wir hart verhandeln. Wir sind ja bereits schon seit Mitte Januar in regionalen Tarifverhandlungen, auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht überall so registriert wurde. Es hat hier bei uns aber schon harte Diskussionen gegeben, und wir werden jetzt auf der Bundesebene diese Verhandlungen fortsetzen. Es wird kein leichtes Spiel sein, dort zu einem Ergebnis zu kommen. Das steht heute schon fest.

    Engels: Werner Bischoff war das. Er ist im Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und wir sprachen mit ihm über die anstehenden Tarifforderungen in seiner und in der Metallbranche. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Bischoff: Bitteschön. Wiederhören.

    Engels: Wiederhören.