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IG Metall: Sind bereit, bei Opel "das Leid zu teilen"

IG-Metall-Chef Berthold Huber fordert eine tragfähige Lösung nicht nur für Opel Deutschland, sondern auch für Opel Europe. Dazu brauche man Kapital und eine zukunftsfähige Modellreihe. Unter Umständen werde sich auch der Staat engagieren müssen. Die IG Metall sei bereit, das "Leid zu teilen", so Huber.

Berthold Huber im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Soweit also Jürgen Rüttgers, und was dies bedeutet, darüber wollen wir jetzt sprechen mit dem Ersten Vorsitzenden der IG Metall, den ich am Telefon begrüße, guten Morgen, Berthold Huber!

    Berthold Huber: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Ist auch Ihnen schon ein Stein vom Herzen gefallen oder ging es nicht so schnell?

    Huber: Nein, so schnell geht das bei mir nicht, denn die Sorge um über 25.000 Arbeitsplätze an vier Standorten in Deutschland bleibt, und das ist die Sorge, die die IG Metall in erster Linie umtreibt.

    Klein: Die Sorge bleibt. Wie belastbar, glauben Sie, ist denn die Aussage "Es gibt keine Entscheidung in Sachen Werksschließung", lesen Sie daraus "im Moment keine Entscheidung" oder "niemals eine Entscheidung"?

    Huber: Ja, gut, wir haben uns ja schon seit geraumer Zeit als IG Metall darauf mit den Betriebsräten zusammen orientiert, dass man eine Lösung braucht, und eine Lösung heißt: noch lange keine Entlassungen oder Schließungen von Standorten, das wird nicht ausreichen. Wir brauchen eine Lösung. Und dazu hat man jetzt Zeit, und diese Zeit ist offensichtlich gegeben und die muss man jetzt füllen.

    Klein: Die Frage richtete sich jetzt nach dem, was General Motors offenbar plant oder nicht plant. Sie gehen also davon aus, dass es keine Werksschließung geben wird?

    Huber: Zumindest aktuell nicht, das ist offensichtlich das, was Wagoner, der Vorstandsvorsitzende von GM, Herrn Rüttgers und meinem Kollegen, Bezirksleiter, dargelegt hat.

    Klein: Sie sagen, es muss eine Lösung geben. Rüttgers selbst hat den Zukunftsplan, der nun entwickelt werden müsse, angesprochen.

    Huber: Ja.

    Klein: Wie soll der aussehen?

    Huber: Ja, gut, als Erstes darf es keine Denkverbote geben, das heißt, was ja vor einem halben, dreiviertel Jahr noch undenkbar gewesen wäre: GM ist offensichtlich bereit, bei entsprechenden Konditionen Opel auch sozusagen in die Freiheit zu entlassen. Dann muss man allerdings eine Lösung haben, die tragfähig ist für die Zukunft, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern im europäischen Verbund der Opelwerke. Und dazu brauchen Sie Kapital, dazu brauchen Sie Stützungen, dazu brauchen Sie jemanden, der den Löwenanteil übernimmt, dazu brauchen Sie natürlich auch eine Modellpalette und Zulieferung, die in die Zukunft reichen.

    Klein: Sie haben jetzt sehr viele ... Sie haben jetzt sehr viele Punkte angesprochen, Herr Huber, das klang noch sehr allgemein. Lassen Sie uns beginnen bei: Wo soll das Kapital herkommen? Es ist ja die Rede von Beteiligung möglicherweise auch des Staates.

    Huber: Ja, wenn es nicht anders geht, wird sich der Staat jenseits seiner ordnungspolitischen Vorstellungen engagieren müssen, es sei denn, er will 25.000 Arbeitsplätze und damit die Existenz von 25.000 Familien auf sich nehmen. Das wäre nicht akzeptabel aus meiner Sicht.

    Klein: Was fordern Sie?

    Huber: Ja, dass es an der Stelle auch keine Denkverbote gibt. Ich höre jetzt schon, wie ordnungspolitische Bedenkenträger ihre Bedenken als Erstes vortragen ohne ein Wort zu verlieren über die 25.000 Existenzen, die mindestens auf dem Spiel stehen. Und ich denke, Ordnungspolitik kann sich nicht über die Menschen und ihre Arbeitsplätze und damit ihre Existenz hinwegsetzen, und das ist das Erste. Und das Zweite ist: Das Konzept, das ist ja offensichtlich jetzt diskutiert, auch mit dem europäischen und mit dem deutschen Management, dass jetzt versucht wird, ein zukunftsfähiges Konzept bis Ende März, bis in den April, auf die Beine zu stellen.

    Klein: Deswegen noch mal meine Frage: Inwiefern ist jetzt Opel gefordert, den eigenen Beitrag zu leisten für dieses Konzept, bevor es Staatshilfen geben kann?

    Huber: Natürlich, ohne ein industrielles Konzept braucht man gar nicht beim Staat oder woanders anklopfen und um Geld nachfragen. Als Erstes braucht man ein industrielles Konzept, das unter der Frage steht: Wie kann Opel zukunftsfähig gemacht werden, wie können eine höchstmögliche Anzahl von Arbeitsplätzen gesichert werden, was müssen wir für Kapitalausstattung dann haben und welche Modellpolitik müssen wir in Zukunft treiben? Solche Fragen sind selbstverständlich vom Management zu beantworten und ich kann nur hinzufügen: Die Betriebsräte und die IG Metall werden in diesem Prozess natürlich dabei sein und wir werden hilfreich unterstützen.

    Klein: Aber Vorstellungen, wie zum Beispiel, was die Modellpolitik angeht, Antworten aussehen könnten, haben Sie selbst nicht.

    Huber: Ja, doch, aber das kann ich ja im Radio nicht darstellen, dass man ...

    Klein: Weshalb nicht?

    Huber: ... energiearme Antriebe braucht, dass man mehr im kleineren Bereich braucht und wenig im oberen Bereich, das sind ja eigentlich Dinge, die liegen auf der Hand.

    Klein: Der Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz hat schon angedeutet, er sei für Zugeständnisse offen. Inwieweit ist die IG Metall insgesamt offen?

    Huber: Das hängt ja alles von der Tragfähigkeit eines solchen Lösungsvorschlages ab. Sie wissen, dass die IG Metall dann, wenn damit Arbeitsplätze tatsächlich gesichert werden konnten oder ein Unternehmen gerettet werden kann, hat die IG Metall auch bei Tarifen immer Zugeständnisse gemacht, befristet und zur klaren Bedingung die Beschäftigungssicherung gemacht.

    Klein: Was heißt das umgerechnet in Lohnpolitik?

    Huber: Ach, das kann man doch so nicht rechnen und entschuldigen Sie, ich werde das auch nicht über das Radio verkünden. Der Grundsatz ist klar, aber ich bitte Sie da um Nachsicht.

    Klein: Längere Arbeitszeiten, kürzere Pausen. Diese Bringschuld sehen die Analysten bei den Gewerkschaften bei den Arbeitnehmern, um die Werke zu retten. Ist da mit ihnen zu rechnen?

    Huber: Ich habe ja gesagt: In allen Fällen, wo Beschäftigung und Arbeitsplätze gesichert werden können, hat die IG Metall, das ist doch bekannt ... Wir haben über 1300 solcher Fälle in der Republik, wir haben hunderttausende Arbeitsplätze auch mit Tarifzugeständnissen gesichert. Und wir werden, wenn es nicht anders geht und das Opel und den Arbeitsplätzen nützt, werden wir das selbstverständlich auch bei Opel machen.

    Klein: Was die Auslagerung von Modellen angeht, was ist da die Position der IG Metall?

    Huber: Wie meinen Sie das?

    Klein: Die Auslagerung von – Entschuldigung – von Marken, von Vauxhall und Saab, was jetzt auch in Rede steht.

    Huber: Wir haben bis dato immer an einer europäischen Lösung gearbeitet. Das Motto der Arbeitnehmervertreter, der Betriebsräte europaweit war ja, to share the pain, das Leid zu teilen, und wir werden von dieser Linie heute und morgen nicht abrücken.

    Klein: Aber führt denn an der Ausgliederung von Opel, was General Motors angeht, ein Weg noch vorbei aus Ihrer Sicht? Oder wird das die Zukunft sein in jedem Falle? Wovon gehen Sie aus?

    Huber: Das wird man über dieses Konzept, über das wir gesprochen haben, eruieren müssen. Es scheint so zu sein, dass das die tragfähigste, vielleicht auch die einzige Lösung ist, um Opel in Deutschland und Europa zu retten.

    Klein: Wir reden ja von mehreren Opelstandorten in Deutschland. Sie haben gesagt, das ist für Sie noch nicht vom Tisch, die Sorge ist weiterhin vorhanden.

    Huber: Ja.

    Klein: Gibt es für Sie Prioritäten, wo man sagen muss, in diesem oder jenem Standort muss man sozusagen eher mit Schließungen rechnen und muss sich eher nach Konzepten umschauen, oder ist das für Sie gleichrangig?

    Huber: Das ist schon gleichrangig. Wir sind dazu berufen, bei Opel in Bochum, in Kaiserslautern, in Rüsselsheim und in Eisenach für unsere Kolleginnen und Kollegen einzutreten und für die Sicherheit der Arbeitsplätze an allen vier Standorten zu kämpfen.

    Klein: Berthold Huber, er ist der Vorsitzende der IG Metall. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Huber!

    Huber: Ich danke Ihnen, Frau Klein!